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KAPITEL 8 - MONARCHENMÖRDER
ОглавлениеWIEN, 5. Juli 1914, 18.30 Uhr. Leopold Graf Berchtold hatte nicht schlecht gestaunt, als er die Depesche aus Sarajewo erhalten hatte. Statthalter Potiorek hatte telegrafiert, er habe herausgefunden, dass das Attentat „zweifelsfrei” von Serbien aus gesteuert worden sei. Vor dem Untersuchungsrichter hatte einer der Mittäter dieses Gavrilo Princip ausgepackt.
Während sich der Todesschütze selbst im Verhör als relativ halsstarrig erwiesen hatte, war ein gewisser Danilo Ilic eine regelrechte Plaudertasche. Was dieser Mann dem Untersuchungsrichter erzählt hatte, würde es dem österreichisch-ungarischen Ministerrat ermöglichen, die Lage nunmehr wesentlich genauer einzuschätzen.
Ilic hatte gestanden, als Mitglied der Schwarzen Hand an einer Verschwörung beteiligt zu sein. Er hatte bestätigt, dass sie am 28. Juni mehrere Attentäter gewesen waren, viel mehr, als die Österreicher ursprünglich angenommen hatten. Berchthold hatte dergleichen ohnehin vermutet. Doch nun wusste er es sicher. Untersuchungsrichter Leo Pfeffer hatte ermittelt, dass die Attentäter die Brownings und die Granaten von einem Serben namens Milan Ciganovic bekommen hatten, ebenso Geld. Ciganovic sei aber lediglich ein Mittelsmann. Hinter ihm stehe ein serbischer Major namens Vojislav Tankosic. Und dieser habe das Attentat auf das Thronfolgerpaar auch geplant.
Graf Berchthold hatte einen seiner Spione getroffen und sich von ihm Informationen über diesen Tankosic geben lassen. Der war, hatte der Außenminister erfahren, einer der Männer aus dem Dunstkreis des berüchtigten Dragutin Dimitrijevic, eines der führenden Köpfe der Schwarzen Hand und Chef des serbischen Militärgeheimdienstes. Dimitrijevic galt in Österreich-Ungarn als gefährlicher Mann.
Die Verschwörung ging also von höchsten Kreisen aus. Dimitrijevic, den sie „Apis” nannten, den „Stier”, war keineswegs eine unbekannte Größe für die politischen Entscheider der Donaumonarchie. Sie wussten viel über diesen Mann, allerdings wenig aus ihrer Sicht Positives: Apis war schon vor mehr als elf Jahren die treibende Kraft beim Mord am serbischen König Alexander gewesen. Das galt als gesichert, denn bei einer Schießerei im Königspalast war Dimitrijevic damals schwer verwundet worden. Graf Berchthold hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Apis hinter dem Attentat auf den Erzherzog steckte – Monarchen zu ermorden war genau die Sache dieses Mannes.
Man würde ihn nur zur Rechenschaft ziehen können, wenn es gelänge, Druck auf die Serben auszuüben. Soeben hatte der Ministerrat getagt und entschieden, dass man etwas unternehmen müsse. Graf Berchtold würde den greisen Kaiser aufsuchen, der schon wieder nach Bad Ischl gefahren war. Er würde sich das Plazet des Herrschers holen, um Belgrad unter Druck zu setzen.
Er würde eine diplomatische Note schicken, die verschiedene ultimative Forderungen enthielt, die die Serben zu erfüllen hatten. Diese würden sie ausnahmslos zu akzeptieren haben. Doch das Papier hatte es in sich. Berchthold war sehr zufrieden mit sich. Nicola Pasic, der serbische Regierungschef, sollte unter anderem akzeptieren, dass nicht etwa internationale Kommissare, sondern k.u.k.-Beamte in Serbien die Hintergründe des Attentats ermittelten. Der Außenminister hatte nicht den geringsten Zweifel, dass die Serben, die er allesamt für Schurken hielt, diese Kröte nicht schlucken würden. Sie würden seine Forderung ganz bestimmt zurückweisen.