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cc) Der telefonische Erstkontakt mit polizeilichem Sachbearbeiter und Beschuldigtem
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Kommt es zur telefonischen Kontaktaufnahme zwischen dem vorläufig Festgenommenen und dem Verteidiger, ist Folgendes zu beachten: Der Verteidiger muss seinem potenziellen Mandanten unmissverständlich erklären, ob er bereit und (zeitlich) in der Lage ist, ihn in diesem Verfahrensstadium zu verteidigen (§ 44 BRAO). Dazu gehört auch, dass der Verteidiger den zukünftigen Mandanten sofort im Gewahrsam aufsuchen muss. Übernimmt der Verteidiger die Verteidigung, muss er den Beschuldigten anweisen, bis zum persönlichen Gespräch jegliche Kontakte zu den Polizeibeamten zu verweigern, sich insbes. auf keine informatorischen Gespräche oder gar Vernehmungen einzulassen. Der Verteidiger muss zusagen, in Kürze zum Gespräch zu erscheinen. Im Anschluss daran sollte er mit dem Sachbearbeiter der Polizei sprechen und ihn über die Mandatserteilung informieren. Dies ist in der Regel kein Problem, weil die Telefongespräche zwischen dem vorläufig Festgenommenen und dem Verteidiger regelmäßig im Beisein eines Beamten geführt werden. Auch sollte der Verteidiger den Beamten darauf hinweisen, dass vor dem Gespräch mit dem Verteidiger der Beschuldigte keine Angaben zur Sache macht und demzufolge weitere Vernehmungsversuche zu unterlassen sind. Auch gegenüber dem Beamten muss der Verteidiger seinen sofortigen Besuch ankündigen. Ist der Kontakt zwischen Festgenommenem und Verteidiger auf diese Weise zustande gekommen, gibt es für den dann anschließenden Besuch in aller Regel keine Schwierigkeiten.
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Nach diesem Gespräch ist für den Verteidiger höchste Eile geboten. Es muss darauf hingewiesen werden, dass es ein Kunstfehler mit unabsehbaren Folgen ist, den vorläufig Festgenommenen etwa nur telefonisch zu beraten und nicht aufzusuchen. Der telefonische Rat, etwa eine Aussage zu machen, verbietet sich ohnehin, da der Verteidiger in diesem Verfahrensstadium überhaupt noch nicht über die notwendigen Informationen für einen solchen Rat verfügt. Aber auch der telefonische Rat, die Angabe zur Sache zu verweigern, reicht nicht. Der Beschuldigte wird diese Empfehlung oftmals nicht nachvollziehen können und nur halbherzig dem Verteidiger erklären, er werde nicht aussagen. Da die Polizei ein vehementes Interesse an einer Aussage des Beschuldigten hat, wird sie auf mannigfaltige Weise versuchen, den Rat des Verteidigers zu unterlaufen, z.B. mit dem Hinweis, eine Aussage könne nur Vorteile bringen, der dringende Tatverdacht könne entfallen, ein Geständnis könne strafmildernd wirken, die Haftgründe könnten ebenfalls entfallen, im Falle einer Aussage gäbe es möglicherweise gar keine Vorführung vor den Haftrichter und dergleichen mehr. Der Beschuldigte gerät in einen Konflikt, den er nur allzu oft im Hinblick auf die von der Polizei geschilderten möglichen positiven Auswirkungen einer Aussage zu Gunsten von Angaben löst. Selbst erfahrene Verteidiger sehen sich hin und wieder plötzlich mit umfangreichen Aussagen ihres Mandanten konfrontiert, wenn sie ihm lediglich telefonisch den Rat gegeben haben, zur Sache zunächst zu schweigen und fest davon ausgegangen sind, dass er dem Rat folgt. Das Aufsuchen des vorläufig Festgenommenen ist also ein „Muss“. Bei Zeitmangel muss der Verteidiger einen Kollegen bitten, den Beschuldigten aufzusuchen.
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Das Gespräch mit dem Polizeibeamten, dem die Übernahme der Verteidigung und der sofortige Besuch angekündigt wird, sollte der Verteidiger nutzen, um so viele Informationen wie möglich über die gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe und die Beweismittel zu erhalten. Es sollten mit dem Beamten auch – ggf. unter Vermittlung des zuständigen Staatsanwaltes – bereits Modalitäten einer Akteneinsicht in den Räumen der Polizei erörtert werden, da eine solche gem. § 147 Abs. 2 S. 2 im Falle vorläufiger Festnahme spätestens ab Beantragung der Untersuchungshaft ohnehin nicht mehr verwehrt werden kann. Der Hinweis darauf, dass dem Verteidiger ohnehin wenigstens die Aktenteile zur Kenntnis gebracht werden müssen, auf die die Haftentscheidung nach Haftbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft gestützt werden soll, führt oftmals schon vor einem Haftbefehlsantrag zu der Möglichkeit, die Akten einzusehen. (vgl. dazu im Einzelnen Rn. 248, 250, 256 ff. und 435 ff.).
Nur auf der Grundlage relativ gesicherter Informationen über Vorwurf und Art und Qualität der Beweismittel kann das Gespräch mit dem Beschuldigten geführt werden. Keinesfalls sollte der Verteidiger sich darauf verlassen, dass diese Informationen vom Beschuldigten zu bekommen sind. Der vorläufig Festgenommene wird sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, in der Aufregung vieles vergessen oder nicht richtig verstanden haben. Schon zur Vermeidung von Missverständnissen und Fehlinterpretationen über Vorwurf und Beweismittel, die zu katastrophalen Folgen bei der Festlegung der weiteren Vorgehensweise führen können, sind Informationen von der Polizei unentbehrlich. In vielen Fällen sind die Polizeibeamten auch bereit, den Verteidiger über den Ermittlungsstand zu informieren. Dies gilt insbes. dann, wenn der Verteidiger klarmacht, dass er den Beschuldigten auch im Hinblick auf eine Aussage oder ein mögliches Geständnis nur dann richtig beraten kann, wenn er über den Ermittlungsstand informiert ist.