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Teil I Allgemeine Grundsätze des Revisionsverfahrens › V. Revisionsantrag

V. Revisionsantrag

Teil I Allgemeine Grundsätze des RevisionsverfahrensV. Revisionsantrag › 1. Form

1. Form

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Der Revisionsantrag und die -begründung können nur in einem von einem Verteidiger oder Rechtsanwalt unterzeichneten Schriftsatz oder vom Angeklagten selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden.

Der Hinweis auf die Erforderlichkeit einer von einem Rechtsanwalt zu unterzeichnenden Revisionsrechtfertigung ist nicht nur theoretischer Natur.

Aus der Revisionsbegründung muss eindeutig hervorgehen, dass der unterzeichnende Verteidiger die volle Verantwortung für ihren Inhalt übernimmt. Bestehen Zweifel daran, ist die Revision mangels Begründung unzulässig. Zweifel an der Übernahme der Verantwortung können sich aus unsinnigem und grob laienhaftem Vortrag ergeben, so dass es nahe liegen kann, dass der Verteidiger lediglich eine vom Mandanten verfasste „Begründung“ unterschrieben hat.[1]

Teil I Allgemeine Grundsätze des RevisionsverfahrensV. Revisionsantrag › 2. Umfassender Antrag

2. Umfassender Antrag

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Innerhalb der Frist ist der Revisionsantrag zu stellen. Dies geschieht üblicherweise zusammen mit der Revisionsbegründung. Der Antrag steht am Beginn des Schriftsatzes.

Es unterliegt der Dispositionsfreiheit des Revisionsführers im Revisionsverfahren, inwieweit er das Urteil zur Überprüfung des Revisionsgerichts stellt. Er bestimmt mit dem Antrag das Ziel der Revision und weitgehend den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts, § 352 Abs. 1 StPO. Die Anträge müssen klarstellen, in welchem Umfang der Beschwerdeführer die Urteilsaufhebung erstrebt.

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Der Revisionsantrag darf nicht fehlen, was zur Unzulässigkeit der Revision führen könnte. Das Fehlen des Antrags soll jedoch dann unschädlich sein, wenn sich das Ziel der Revision klar aus dem Inhalt der Revisionsbegründung ergibt.[2] Dies kann aber dann problematisch werden, wenn innerhalb der Begründung nur zu einzelnen Problembereichen Ausführungen gemacht werden und so das Ziel der Urteilsaufhebung insgesamt nicht eindeutig zu erkennen ist.

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Grundsätzlich reicht es aus, wenn beantragt wird, das Urteil des z.B. LG Frankfurt vom … aufzuheben. Da sich die Rechtsfolgen der Urteilsaufhebung aus dem Gesetz ergeben, § 354 StPO, ist es nicht erforderlich, auch die Zurückverweisung zur neuen Verhandlung und Entscheidung zu beantragen.

Teil I Allgemeine Grundsätze des RevisionsverfahrensV. Revisionsantrag › 3. Revisionsbeschränkungen

3. Revisionsbeschränkungen

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Aus der Dispositionsfreiheit des Revisionsführers folgt auch die Befugnis zur Revisionsbeschränkung. Dadurch werden bestimmte Punkte von der Überprüfung durch das Revisionsgerichts ausgenommen. Von einer Beschränkung kann auch dann auszugehen sein, wenn der Umfang der Revisionsanfechtung unklar bleibt; in diesem Fall ist das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln.[3]

Bei tatmehrheitlicher Verurteilung kann der Revisionsführer z.B. die Revision auf einzelne Taten beschränken. Auch eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch oder auch nur auf die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,[4] die unterlassene Strafaussetzung zur Bewährung oder die Feststellung der besonderen Schuldschwere im Sinne von § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB ist möglich.[5] Zulässiges Ziel der Revision kann es auch sein, wenn der Beschwerdeführer allein die Kompensation einer nach Aufhebung der erstinstanzlichen Verurteilung und Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung begehrt.[6] Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist allerdings nur dann wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung des Instanzgerichts sein können, d.h. eine Trennbarkeit gegeben ist.[7] Im Jugendstrafrecht kann ein Urteil, das ausschließlich ein Zuchtmittel gegen den Angeklagten anordnet, gem. § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungsmaßregeln oder (andere) Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen.[8] Unterliegt das Rechtsmittel einer solchen gesetzlichen Beschränkung, ist die Revision unzulässig, wenn sich aus der Begründung der Revisionsanträge ein zulässiges Rechtsmittelziel nicht eindeutig entnehmen lässt.[9]

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Zur nachträglichen Beschränkung eines zunächst gestellten umfassenden Aufhebungsantrags benötigt der Verteidiger ebenso wie für eine Revisionsrücknahme eine ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten, § 302 Abs. 2 StPO. In der Regel wird diese in der Vollmacht enthalten sein.

Der Pflichtverteidiger ist dagegen zur nachträglichen Rechtsmittelbeschränkung bzw. Rechtsmittelrücknahme nicht befugt. Eine möglicherweise vor Beiordnung erteilte Wahlverteidigervollmacht erlischt mit der Niederlegung des Wahlmandats im Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung. Eine ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten erklärte Rechtsmittelbeschränkung durch den Pflichtverteidiger wäre daher unwirksam.[10] Die Ermächtigung bedarf allerdings keiner besonderen Form.[11] Sie kann mündlich erteilt und ggf. vom Pflichtverteidiger anwaltlich versichert werden.[12]

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Eine Revisionsbeschränkung empfiehlt sich aber in aller Regel nicht. Selbst wenn der Verteidiger der Auffassung ist, der Schuldspruch gehe materiell-rechtlich in Ordnung und es sei nur sinnvoll, den Rechtsfolgenausspruch anzugreifen, kann er nie sicher sein, ob er nicht einen materiell-rechtlichen Fehler übersehen hat, der das Revisionsgericht zur Urteilsaufhebung in vollem Umfange veranlassen könnte.

Es erscheint daher angebracht, das Urteil durch die Erhebung der allgemeinen Sachrüge insgesamt zur materiell-rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht zu stellen.

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Davon gibt es allerdings eine wichtige Ausnahme.

In Fällen, in denen der Tatrichter die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nach §§ 63, 64 StGB unterlassen oder eine solche Anordnung gar nicht geprüft hat und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies rechtsfehlerhaft sein könnte, ist eine Revisionsbeschränkung in Form der Ausnahme der Nichtanordnung der Maßregel vom Revisionsangriff dringend zu prüfen. Legt der Verteidiger ohne Revisionsbeschränkung in vollem Umfang Revision gegen das Urteil ein, besteht die Gefahr, dass bei sonstiger Revisionsverwerfung das Urteil allein deswegen aufgehoben wird, weil der Tatrichter die Anordnung der Maßregel nach §§ 63 oder 64 StGB zu Unrecht unterlassen oder nicht hinreichend geprüft hat.[13] Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht,[14] weil das Verschlechterungsverbot hier nicht gilt, § 358 Abs. 2 S. 3 StPO. Dies führt bei Urteilsaufhebung allein zur erneuten Prüfung der Maßregelanordnung, häufig verbunden mit entspr. Hinweisen an den Tatrichter für die Anordnung der Maßregel.

Es ist deshalb geboten, die Nichtanordnung einer Maßregel nach §§ 63, 64 StGB vom Rechtsmittelangriff auszunehmen,[15] wenn dies der Interessenlage des Angeklagten entspricht.

Die Ausnahme der Nichtanordnung der Maßregel ist jedoch unwirksam, wenn mit der Revision zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, der von der Maßregelanordnung nicht getrennt werden kann und wenn die Entscheidung über den Straf- und Maßregelausspruch untrennbar miteinander verbunden sind.[16] Eine Ausnahme der Nicht-Anordnung der Maßregel gem. § 64 StGB vom Revisionsangriff ist jedoch nur dann unwirksam, wenn sich im Einzelfall aus den Urteilsgründen eine unlösbare Verbindung von Straf- und Maßregelausspruch ergibt.[17] Dabei ist zu beachten, dass die Feststellung einer Symptomtat unerlässliche Voraussetzung für die Maßregelanordnung ist.[18]

Inzwischen wird auch bezweifelt, dass die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB vom Rechtsmittelangriff ausgenommen werden kann.[19]

Die Revision, mit der der Angeklagte allein die Nichtanordnung der Unterbringung beanstandet, ist mangels Beschwer unzulässig. Das hindert das Revisionsgericht jedoch nicht, auf eine zulässig erhobene Sachrüge das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Anordnung der Maßregel unterblieben ist und die Feststellungen dazu gedrängt haben und der Angeklagte die Nichtanordnung der Unterbringung nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat.[20]

Eine solche Rechtsmittelbeschränkung kann wie folgt lauten:

Es wird beantragt,

das Urteil des LG X vom XXX aufzuheben.

Die Frage der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB (oder ggf. nach § 63 StGB) wird vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

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