Читать книгу Verteidigung im Revisionsverfahren - Reinhold Schlothauer - Страница 44

4. Gegenerklärung zum Antrag der Revisionsstaatsanwaltschaft

Оглавление

90

Stellt die Revisionsstaatsanwaltschaft einen Antrag nach § 349 Abs. 4 StPO, wird in der Regel dieser Antrag dem Beschwerdeführer nicht zugestellt. Denn der Antrag auf Urteilsaufhebung durch die Revisionsstaatsanwaltschaft entspricht dem des Beschwerdeführers, so dass es einer Gegenerklärung nicht bedarf.

91

Nach Zustellung des (teilweisen) Verwerfungsantrags der Revisionsstaatsanwaltschaft hat der Revisionsführer die Möglichkeit, binnen zwei Wochen dazu eine Gegenerklärung abzugeben, § 349 Abs. 3 StPO[9]. Sofern sich nach Mitteilung der Antragsschrift ein weiterer Verteidiger im Revisionsverfahren bestellt, ist eine weitere Mitteilung an ihn – auch im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG – nicht geboten.[10] Ansonsten soll es genügen, wenn die Mitteilung im Falle des verteidigten Angeklagten allein an den Verteidiger erfolgt,[11] bei mehreren Verteidigern nur an den, der sich am Revisionsverfahren beteiligt.[12]

Die Zwei-Wochen-Frist kann weder verlängert werden,[13] noch muss die Revisionsstaatsanwaltschaft über sie belehren. „Dies muss ein Verteidiger wissen“.[14] Das Revisionsgericht muss nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 S. 2 StPO eine Gegenerklärung oder deren Ergänzung auch dann nicht abwarten, wenn sie konkret in Aussicht gestellt worden ist.[15]

Die Frist zur Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 StPO ist aber keine Ausschlussfrist,[16] so dass auch „verfristete“ Stellungnahmen vom Revisionsgericht zur Kenntnis genommen werden müssen.

92

Ist absehbar, dass der Revisionsführer die Frist des § 349 Abs. 3 StPO nicht einhalten kann, empfiehlt sich ein Schreiben an das Revisionsgericht des Inhalts, dass der mit der Revision beauftragte Verteidiger aus darzulegenden Gründen die Frist nicht einhalten könne und von daher gebeten werde, mit der Entscheidung über die Revision bis zu einem zu benennenden Zeitpunkt zuzuwarten, bis zu dem die Gegenerklärung abgegeben werde. Einer solchen Bitte folgt das Revisionsgericht meist stillschweigend.

93

Es empfiehlt sich nicht, in der Gegenerklärung zum Verwerfungsantrag der Revisionsstaatsanwaltschaft die zuvor nur allgemein erhobene Sachrüge erstmals ausführlich zu begründen in der Hoffnung, man könne das Revisionsgericht auf diese Weise dazu veranlassen, mangels Stellungnahme der Revisionsstaatsanwaltschaft zu den neuen Ausführungen Revisionshauptverhandlung anzuberaumen oder einen Verwerfungsbeschluss nach § 349 Abs. 2 StPO wegen fehlender Bezugnahmemöglichkeit auf Ausführungen der Revisionsstaatsanwaltschaft zu begründen. Sofern keine sachlichen Gründe für ein solches Vorgehen vorliegen, die ggf. darzulegen wären, verärgert diese „Taktik“ das Revisionsgericht offensichtlich. Der 3. Senat des BGH hat in seinem Beschluss vom 4.6.2002[17] entschieden, dass die erstmalige detaillierte Begründung der Sachrüge dem Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO nicht entgegensteht. Das Revisionsgericht sei weder dazu verpflichtet, die neuen Ausführungen der Revisionsstaatsanwaltschaft zur erneuten Stellungnahme zuzuleiten, noch den Verwerfungsbeschluss (ausführlich) zu begründen. Denn durch die erstmalige Begründung der Sachrüge in der Gegenerklärung werde der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit zur Stellungnahme genommen und damit faktisch die gesetzliche Regelung des Beschlussverfahrens nach § 349 Abs. 2 StPO unterlaufen. Mache der Beschwerdeführer von der Möglichkeit der Begründung der Sachrüge vor der Stellungnahme der Revisionsstaatsanwaltschaft keinen Gebrauch, indem er sie bis zur Gegenerklärung zurückhalte, und mache er dadurch eine im Gesetz vorgesehene begründete Stellungnahme der Staatsanwaltschaft unmöglich, werde sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

Sofern der Verteidiger gute Argumente für einen sachlich-rechtlichen Fehler hat, darf er damit nicht hinter dem Berg halten. Anderenfalls wird eher die Vermutung genährt, selbst der Verteidiger habe keinen sachlich-rechtlichen Fehler entdeckt.

Deshalb sollte davon abgesehen werden, erstmals in der Gegenerklärung fundierte Ausführungen zur Sachrüge zu machen. Nur wenn der Verteidiger quasi aus wiedereinsetzungsähnlichen Umständen an einer früheren Begründung gehindert war, bleibt kein anderer Weg. Dann aber sind diese Gründe dem Revisionsgericht plausibel zu machen.[18]

94

Sofern die Ausführungen der Revisionsstaatsanwaltschaft nicht überzeugen, sollte eine Gegenerklärung abgegeben werden.

Zunächst empfiehlt es sich, die Antragsbegründung daraufhin zu untersuchen, ob alle verfahrens- und materiell-rechtlichen Beanstandungen der Revision abgehandelt sind. Ist dies nicht der Fall, ist in der Gegenerklärung auf diesen Umstand hinzuweisen. Es sollte ausgeführt werden, dass die Revision jedenfalls nicht ohne eine Begründung des Revisionsgerichts zu diesem Punkt verworfen werden kann, denn anderenfalls bliebe ein gerügter Rechtsfehler ohne eine Äußerung des Revisionsgerichts, warum diese Rüge unzulässig oder unbegründet ist und der Beschwerdeführer müsste über die Gründe der Verwerfung der Rüge spekulieren.[19]

Entsprechendes gilt, wenn nicht auf alle wesentlichen Argumente der Revisionsbegründung eingegangen wird.

95

Sofern es sich nicht um bekannte Rechtsfragen auf der Grundlage einer gefestigten Rechtsprechung handelt, sollten die Nachweise in der Antragsschrift überprüft werden. Es kommt vor, dass die zitierten Entscheidungen oder Literaturstellen die Auffassung der Revisionsstaatsanwaltschaft gar nicht oder nicht in vollem Umfang stützen. Darauf ist in einer ergänzenden Begründung der Rüge hinzuweisen.

Ansonsten muss präzise auf die Ausführungen in der Antragsschrift eingegangen werden. Eine Wiederholung der Darlegungen in der Revisionsbegründung hat zu unterbleiben. Es muss mit neuen Argumenten „gekontert“ werden.

96

Dabei sollte der Revisionsführer sich nicht scheuen, eine Stellungnahme zu unterlassen, wenn die Begründung der Antragsschrift (zu einzelnen Rügen) überzeugend ist oder dem nichts Entscheidendes entgegen gehalten werden kann. In diesen Fällen sollte auch in Erwägung gezogen werden, einzelne Rügen, die sich nunmehr (nach gründlicher Prüfung) als aussichtslos erweisen, zurückzunehmen.

Teil I Allgemeine Grundsätze des RevisionsverfahrensVIII. Der weitere Gang des Revisionsverfahrens › 5. Entscheidungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts

Verteidigung im Revisionsverfahren

Подняться наверх