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5. Entscheidungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts
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Die Entscheidungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts entsprechen den dargestellten Antragsmöglichkeiten der Revisionsstaatsanwaltschaft.
Allerdings kann das Revisionsgericht die Revision ohne einen entspr. Antrag der Staatsanwaltschaft nicht durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO verwerfen. Hat die Staatsanwaltschaft z.B. die (teilweise) Urteilsaufhebung nach § 349 Abs. 4 StPO beantragt, kann die Revision nicht insgesamt nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen werden. Es muss dann Termin zur Revisionshauptverhandlung anberaumt werden.
Andererseits kann das Revisionsgericht trotz eines Verwerfungsantrags nach § 349 Abs. 2 StPO das Urteil (teilweise) nach § 349 Abs. 4 StPO aufheben.[20]
Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet es allerdings nicht, dass das Revisionsgericht dem Revisionsführer erneut Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss, wenn das Gericht die Verwerfung des Revisionsantrags mit rechtlichen Ausführungen begründet, die von der Stellungnahme der Revisionsstaatsanwaltschaft abweichen oder diese ergänzen.[21]
Verwerfungsentscheidungen des Revisionsgerichts nach § 349 Abs. 2 StPO brauchen nicht begründet zu werden,[22] und auch dann nicht, wenn der Revisionsführer zu dem Verwerfungsantrag der Revisionsstaatsanwaltschaft Stellung genommen hat.[23] Das Revisionsgericht kann auf die Begründung des Antrags der Revisionsstaatsanwaltschaft Bezug nehmen. An die Begründung des Verwerfungsantrags der Revisionsstaatsanwaltschaft ist es allerdings nicht gebunden. Die Revision kann daher auch dann nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen werden, wenn das Revisionsgericht nur das Ergebnis für zutreffend hält, aber aus anderen Gründen als die Revisionsstaatsanwaltschaft.[24] Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt nur dann in Betracht, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.[25] Einer mündlichen Verhandlung vor der Beschlussfassung bedarf es im Übrigen ebenfalls nicht.[26]
Die Revisionsverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO ohne Begründung wird in der Literatur heftig kritisiert.[27] Geändert hat dies an der Verwerfungspraxis der Revisionsgerichte aber bislang nichts. Für den Verteidiger, der eine umfangreiche Revisionsbegründung und auch eine Gegenerklärung zum Verwerfungsantrag der Revisionsstaatsanwaltschaft abgegeben hat, ist die Revisionsverwerfung ohne Begründung (sog. Zweizeiler) besonders ärgerlich. Er kann seinem Mandanten noch nicht einmal die Gründe für die Verwerfung erklären, da er nicht weiß, ob das Revisionsgericht der Antragsbegründung der Revisionsstaatsanwaltschaft gefolgt ist oder die Revision aus anderen Gründen für unbegründet hält. Mit dieser Situation wird der Verteidiger leben müssen, zumal eine Änderung der Verwerfungspraxis nicht zu erwarten ist. Zuletzt intensiv diskutiert wurde allerdings die Beratungspraxis bei der Revisionsverwerfung durch Beschluss (Vier- oder Zehn-Augen-Prinzip).[28]
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Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht besteht auch die Möglichkeit einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen oder Weisungen, § 153a Abs. 2 S. 1 StPO. Durch die Erweiterung der Anwendbarkeit der Norm auf das Revisionsverfahren soll vermieden werden, dass erst eine Zurückverweisung erfolgen muss, bevor eingestellt werden kann.[29]
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In der Sache sind die Entscheidungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts zahlreich, sofern die Revision nicht insgesamt verworfen wird, § 354 StPO. Hier können nur kurz einige Fallkonstellationen angesprochen werden.
Es kann die Urteilsaufhebung in vollem Umfang erfolgen. In diesem Fall können aber z.B. die Feststellungen des Urteils zum Tatgeschehen aufrecht erhalten bleiben, wenn es z.B. nur um die Frage des Ausschlusses der Schuldfähigkeit geht.
In seltenen Fällen kann das Revisionsgericht auch auf Freispruch entscheiden.
Es kann auch nur zu einer Schuldspruchberichtigung kommen, ohne dass das Urteil dann mit den Feststellungen aufgehoben werden müsste. Allerdings muss mindestens dann, wenn der neue Schuldspruch einen niedrigeren Strafrahmen eröffnet, der Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zurückverwiesen werden.
Auch kann bei unbegründeter Revision hinsichtlich des Schuldspruchs nur der Rechtsfolgenausspruch aufgehoben werden. Zwar eröffnen § 354 Abs. 1a und Abs. 1b StPO auch insoweit eine eigene Sachentscheidungskompetenz des Revisionsgerichts zur Strafzumessung. Dem sind allerdings durch die Entscheidungen des BVerfG vom 14.6.2007[30] und 14.8.2007[31] enge Grenzen gesetzt (vgl. dazu Rn. 2654 ff.).
Erfolgt eine Urteilsaufhebung, wird die Sache in der Regel an eine andere Abteilung oder einen anderen Spruchkörper des Gerichts zurückverwiesen, dessen Urteil aufgehoben wurde. In Ausnahmefällen kann die Sache auch an ein demselben Land zugehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückverwiesen werden.
Es besteht ferner die Möglichkeit, die Sache an ein Gericht niederer Ordnung zurückzuverweisen, z.B. an das Amtsgericht, wenn ein Urteil des Landgerichts aufgehoben wurde, die Strafgewalt des Amtsgerichts jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ausreichend ist.
Möglich ist im Falle der Aufhebung eines Urteils eines Jugendgerichts, die Sache an ein Erwachsenengericht zurückzuverweisen, wenn die Sache nur noch einen Erwachsenen betrifft.
Teil I Allgemeine Grundsätze des Revisionsverfahrens › VIII. Der weitere Gang des Revisionsverfahrens › 6. Revisionshauptverhandlung