Читать книгу Verteidigung im Revisionsverfahren - Reinhold Schlothauer - Страница 59
Vorbemerkung
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Zwar prüft das Revisionsgericht auf die Sachrüge von Amts wegen das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen in der Regel selbstständig aufgrund eigener Sachuntersuchung unter Benutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren.[2] Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. In einigen Fällen verlangt die obergerichtliche Rspr. die Erhebung einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entspr. Verfahrensrüge, so z.B. bei dem Einwand der willkürlichen Annahme der Zuständigkeit des Gerichts.
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Die Rechtslage zur Frage der Notwendigkeit der Erhebung einer Verfahrensrüge oder der Prüfung von Amts wegen allein aufgrund der Sachrüge ist undurchsichtig und nicht eindeutig.[3] In der Rspr. ist die Tendenz zu beobachten, auch Prozesshindernisse nur auf eine entspr. Verfahrensrüge zu überprüfen. Daher sollte der mit der Revision beauftragte Verteidiger die Verfahrensvoraussetzungen und Prozesshindernisse in eigener Verantwortung prüfen und zum Gegenstand einer (Verfahrens-)Rüge machen. Im Übrigen kann es auch streitig sein, ob überhaupt ein Prozesshindernis gegeben ist. Beispielhaft kann insofern die rechtsstaatswidrige Tatprovokation[4] genannt werden: Im Anschluss an die Rspr. des EGMR geht der 2. Strafsenat des BGH davon aus, dass der in diesem Fall gegebene Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses führt,[5] während der 1. Strafsenat weiterhin an der Strafzumessungslösung festhält.[6] Wegen der großen Fülle der in Frage kommenden Verfahrenshindernisse und der jeweiligen Fallkonstellationen ist es nicht möglich, alle Prozesshindernisse einschließlich des empfehlenswerten Vortrages für eine Rüge abzuhandeln.
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Checkliste – Prozessvoraussetzungen bzw. Verfahrenshindernisse:[7] • Dauernde Verhandlungsunfähigkeit (vgl. dazu Rüge 5 Rn. 163), • diplomatische Immunität (§§ 18 bis 20 GVG), • Immunität eines Abgeordneten, sofern keine Genehmigung des Parlaments zur Strafverfolgung vorliegt (Art. 46 Abs. 2 GG), • Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB, • Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes (§ 83h IRG; Art. 14 EuAlÜbK); Verfahrensrüge sehr empfehlenswert (vgl. dazu Rüge 4 Rn. 159), • Verjährung StGB §§ 78 ff. (vgl. Rüge 1 Rn. 124), • Fehlen eines wirksamen Strafantrages (z.B. §§ 230, 248a StGB), • Fehlen des behördlichen Strafverlangens (§ 104a StGB), • fehlende Bejahung des öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft (z.B. § 303c StGB), • Strafklageverbrauch; Verfahrensrüge sehr empfehlenswert (vgl. Rüge 2 Rn. 134), • anderweitige Rechtshängigkeit (vgl. Rüge 3 Rn. 150), • Fehlen einer wirksamen Anklage, Nachtragsanklage (vgl. dazu Rüge 54 Rn. 735 ff.) oder eines Strafbefehls (vgl. dazu Rn. 743 ff.), • Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses (vgl. dazu Rüge 54 Rn. 743) oder eines Einbeziehungsbeschlusses nach § 266 StPO (vgl. dazu Rüge 57 Rn. 758 ff.), • gerichtliche Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 (Rüge 3a Rn. 156), • Fehlen der sachlichen (vgl. dazu Rüge 6 Rn. 167 ff.) oder der örtlichen (vgl. dazu Rüge 9 Rn. 199 ff.) Zuständigkeit, • Anstiftung durch einen polizeilichen Lockspitzel (Verfahrensrüge erforderlich! Vgl. dazu Rüge 234 Rn. 1986 ff.), • Verletzung des Beschleunigungsgebots (Verfahrensrüge erforderlich! Vgl. dazu Rüge 235 Rn. 1993 ff.), • Willkürliche Annahme der Zuständigkeit (Verfahrensrüge erforderlich! Vgl. dazu Rüge 6 Rn. 172, 177). |
Teil II Ausgewählte Verfahrensrügen (einschließlich Verfahrensvoraussetzungen und -hindernissen) › Kapitel 1 Verfahrensvoraussetzungen und -hindernisse › Rüge 1 Verjährung