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16.

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Ma­xi­mi­li­an von Bay­ern führ­te mit Wolf­gang Wil­helm von Neu­burg vie­le Ge­sprä­che über den Glau­ben, wo­bei er al­les das wie­der­hol­te, was er von den Je­sui­ten über die Wahr­heit des ka­tho­li­schen Be­kennt­nis­ses ge­lernt hat­te, wäh­rend Wolf­gang Wil­helm die lu­the­ri­sche Leh­re so ver­tei­dig­te, wie es ihm von Heil­brun­ner, dem Hof­pre­di­ger sei­nes Va­ters, bei­ge­bracht wor­den war. Da­bei ge­bot ihm der Um­stand, dass Ma­xi­mi­li­an der Äl­te­re war, eine ge­wis­se Be­schei­den­heit, so­dass die­ser den Ein­druck ge­wann, sein Schü­ler wer­de sach­te von der Kraft sei­ner Be­weis­füh­rung durch­drun­gen, und er müs­se nur eine Wei­le zu­war­ten, um die Früch­te sei­nes Ei­fers zu ern­ten. Ohne dass et­was Ent­schei­den­des ge­sche­hen wäre, reis­te Wolf­gang Wil­helm wie­der ab. Mag­da­len­as be­wun­dern­de und fast ver­lieb­te Bli­cke hat­ten ihm zwar wohl­ge­tan, und ob­wohl sie blass und kränk­lich aus­sah, hat­te sie ihm nicht übel ge­fal­len, da sie klug und kräf­tig von Cha­rak­ter zu sein schi­en; aber er konn­te das arg­wöh­ni­sche Ge­fühl nicht los­wer­den, als sä­hen sie im Grun­de alle ein we­nig auf ihn her­ab, und das ver­stimm­te ihn, wenn es ihn auch zu­gleich reiz­te und an­zog. Dach­te er an sei­nen Va­ter, so wur­de ihm sehr un­be­hag­lich zu­mu­te, und er ver­folg­te den Ge­dan­ken an die bay­ri­sche Hei­rat und al­les, was da­mit zu­sam­men­hing, nicht wei­ter. Zu Hau­se je­doch ge­fiel es ihm gar nicht; stets kam es zu Wort­wech­seln zwi­schen ihm und sei­ner Fa­mi­lie, wie sehr er sich auch nach sei­ner Mei­nung be­müh­te, nicht mer­ken zu las­sen, dass sein Ge­sichts­kreis sich in­zwi­schen er­wei­tert hat­te. In sei­ner zwei­feln­den Stim­mung be­schloss er, sich am Hofe zu Ber­lin um­zu­se­hen, ob sich etwa dort eine Aus­sicht böte, die ihm Bay­ern ent­behr­lich mach­te. Der Kur­fürst von Bran­den­burg nä­her­te sich dem Plan ei­ner ehe­li­chen Ver­bin­dung sei­ner Toch­ter mit dem Neu­bur­ger be­hut­sam; denn da er sich mit der Ab­sicht trug, öf­fent­lich zum re­for­mier­ten Glau­ben über­zu­tre­ten, wäre ihm eine kal­vi­ni­sche Hei­rat lie­ber ge­we­sen. Im­mer­hin wur­de ein fest­li­ches Es­sen ver­an­stal­tet, wo­bei sich eine en­ge­re Ver­trau­lich­keit ent­fal­ten und die Ver­lo­bung ein­ge­lei­tet wer­den soll­te. Die Prin­zes­sin war ein we­nig schnip­pisch und ki­cher­te, an­statt des Frei­ers An­re­den schick­lieh zu be­ant­wor­ten; dazu kam, dass die Über­heb­lich­keit, der er hier be­geg­ne­te, ihn weit mehr är­ger­te als die am Münch­ner Hofe, wo denn doch weit mehr An­stand, Pracht und fürst­li­ches We­sen herrsch­te. Er gab also zu ver­ste­hen, dass er die bran­den­bur­gi­schen An­sprü­che an Jü­lich-Cle­ve nicht hoch an­schlug und vor­aus­setz­te, der Kur­fürst wer­de es wohl zu­frie­den sein, sie mit der Toch­ter an ihn, als den ei­gent­li­chen Er­ben, ab­zu­tre­ten. Dar­über braus­te der Kur­fürst sei­ner­seits auf und sag­te, dass Wolf­gang Wil­helms Mut­ter sich ei­gent­lich durch einen Ver­zicht ih­res An­teils an der Erb­schaft be­ge­ben habe, nun wol­le er das Gan­ze und sei­ne Toch­ter noch dazu, die von pol­ni­scher, schwe­di­scher und dä­ni­scher Sei­te her An­trä­ge habe und au­ßer­dem gar nicht von Ber­lin fort wol­le. Die Prin­zes­sin, sag­te Wolf­gang Wil­helm, dür­fe es sich bei ihm ge­fal­len las­sen; in Düs­sel­dorf sei gu­ter Wein und in Neu­burg gu­tes Bier, wäh­rend in Ber­lin nicht ein­mal das Was­ser gut sei. Die­se Keck­heit er­zürn­te den Kur­fürs­ten so, dass er, oh­ne­hin vom Trunk er­hitzt, dem neu­bur­gi­schen Prin­zen eine Ohr­fei­ge ver­setz­te, wo­mit das Gast­mahl und die Wer­bung ein plötz­li­ches Ende nah­men.

Mit dem Ge­fühl der Rach­sucht ver­ließ Wolf­gang Wil­helm Ber­lin und reis­te schnur­stracks nach Mün­chen, ent­schlos­sen, sich nun­mehr Ma­xi­mi­li­an in die Arme zu wer­fen. Der ka­tho­li­schen Glau­bens­leh­re, die ihm na­ment­lich von dem ge­lehr­ten Je­sui­ten Rei­hing ein­leuch­tend un­ter­brei­tet wur­de, lausch­te er be­reit­wil­li­ger als frü­her, und nach­dem er den Un­ter­richt eine Zeit lang ge­nos­sen hat­te, er­klär­te er sich für über­zeugt und von dem Wun­sche be­seelt, in den Schoß der Kir­che zu­rück­zu­keh­ren. Sei­ne den Va­ter be­tref­fen­den Be­den­ken ver­stand Ma­xi­mi­li­an und ver­schmäh­te es, ihn in die­ser Hin­sicht zu drän­gen. Er möch­te, schlug er vor, so schnell wie mög­lich den Über­tritt voll­zie­hen, weil in ei­ner so hoch­wich­ti­gen Heil­san­ge­le­gen­heit auch nicht ein Tag ver­säumt wer­den dür­fe; aber im ge­hei­men, da­mit sein Va­ter es nicht er­fah­re. Die­sen sol­le er zu­nächst mit der Hei­rat zu be­freun­den su­chen, was leich­ter ge­lin­gen wer­de, wenn der Ge­dan­ke an einen et­wai­gen Re­li­gi­ons­wech­sel sei­nes Soh­nes noch gar nicht bei ihm auf­ge­taucht sei.

Dement­spre­chend ver­fuhr Wolf­gang Wil­helm und mal­te dem al­ten Her­zog aus, wel­che Hil­fe er von dem mäch­ti­gen bay­ri­schen Vet­ter ha­ben wer­de, um sei­nen An­spruch auf Jü­lich durch­zu­set­zen, wozu noch die Aus­sicht kom­me, Mag­da­le­na wer­de sich zum lu­the­ri­schen Glau­ben be­keh­ren las­sen. Er schil­der­te die Prin­zes­sin als ver­stän­dig und tu­gend­haft, so­dass er, wenn sie erst sei­ne Frau sei, sie ge­wiss zur Ein­sicht des Bes­se­ren brin­gen und sie sei­nem Wun­sche sich fü­gen wer­de. Hat­te Phil­ipp Lud­wig ge­schwankt, ob er in die ge­fähr­li­che Hei­rat wil­li­gen soll­te, so wur­de er durch die Aus­sicht auf die­se Mög­lich­keit zu ih­ren Guns­ten be­wegt, und eine vä­ter­li­che Nei­gung für das Mäd­chen, das er und sein treu­er Heil­brun­ner mit der rei­nen Re­li­gi­on be­kannt ma­chen wür­den, er­griff sein Herz; nun erst fing er auch an den ir­di­schen Vor­tei­len der Ver­bin­dung Ge­schmack zu ge­win­nen an. Vor der Hoch­zeit frei­lich, sag­te Wolf­gang Wil­helm, müss­ten die Be­keh­rungs­ver­su­che an­stän­di­ger­wei­se zu­rück­ge­hal­ten wer­den, und es wur­de fest­ge­setzt, dass die Ver­mäh­lung so­wohl nach ka­tho­li­schem wie nach evan­ge­li­schem Ge­brauch voll­zo­gen wer­de, da­mit der Glau­be bei­der Tei­le zur Gel­tung kom­me und kei­nem von bei­den ein Prä­ju­diz ge­sch­ehe.

Vor­her un­ter­nahm Mag­da­le­na mit ih­rem Va­ter eine Wall­fahrt nach Al­töt­ting, um Gott zu dan­ken, des­sen wei­se Füh­rung sie nun erst recht be­wun­dern lern­te; denn es zeig­te sich ja, was er da­mit bezweckt hat­te, dass er das Op­fer ih­rer Lie­be zu Leo­pold von ihr for­der­te, weil er ihr ein weit schö­ne­res Glück und dazu eine er­ha­be­ne Auf­ga­be vor­be­rei­tet hat­te. Auch der alte Her­zog von Neu­burg wieg­te sich in Hoff­nun­gen, die nur zu­wei­len durch auf­stei­gen­de Sor­gen ge­trübt wur­den. Eine Si­cher­heit hat­te ihm Wolf­gang Wil­helm für die künf­ti­ge Be­keh­rung sei­ner Braut nicht ge­ge­ben; konn­te der jun­ge Mann nicht durch weib­li­che Küns­te und die Ge­brech­lich­keit der mensch­li­chen Na­tur sich ha­ben ver­blen­den las­sen, dass er eine der Ab­göt­te­rei ver­schwo­re­ne Je­sabel für ein from­mes, ver­stän­di­ges Mäd­chen an­sah? Wenn sie sich ihm wi­der­setz­te, wel­che Un­zu­träg­lich­kei­ten wür­den dar­aus ent­ste­hen, na­ment­lich in Be­zug auf die Kin­der, die aus der Ehe er­zielt wer­den wür­den; es war ja lei­der nicht an­ders, als dass die Frau­en, und na­ment­lich sol­che, die mit je­sui­ti­schen Knif­fen um­zu­ge­hen ge­wohnt wa­ren, oft den Mann um­garn­ten, und er wür­de nicht im­mer da sein, um Wolf­gang Wil­helm durch sein vä­ter­li­ches An­se­hen zu stär­ken. In­des­sen such­te er sol­che Ge­dan­ken durch sein Ver­trau­en auf Gott zu be­kämp­fen, der die Wahr­heit nicht zu­schan­den wer­den las­sen wür­de.

Nach­dem die Hoch­zeit in Mün­chen mit großer Pracht be­gan­gen war, rich­te­te Phil­ipp Lud­wig eine Nach­fei­er in Neu­burg zu, die Kos­ten nicht scheu­end, um dem bay­ri­schen Ge­prän­ge nicht nach­zu­ste­hen, wie denn we­der ein Tur­nier noch ein Feu­er­werk, noch auch eine Sau­hatz fehl­te. In der ers­ten Nacht brach aber nicht weit vom Schlos­se eine große Feu­ers­brunst aus, die sich so ge­fähr­lich an­ließ, dass der alte Her­zog sei­nen Sohn, der sich eben mit sei­ner jun­gen Frau zu Bet­te be­ge­ben woll­te, her­aus­klopf­te, da­mit er sich auch wie die an­de­ren Her­ren am Lösch- und Ret­tungs­werk be­tei­li­ge. Hier tat sich na­ment­lich Prinz Au­gust, Wolf­gang Wil­helms jün­ge­rer Bru­der, rühm­lich her­vor, und man sah mit großer Be­wun­de­rung sei­nen hoch­ge­wach­se­nen Kör­per und sein blon­des Haupt un­er­schro­cken zwi­schen Rauch und Flam­men auf- und un­ter­tau­chen. Phil­ipp Lud­wig und sei­ne zur Schwer­mut nei­gen­de Frau stan­den un­ter­des­sen im Schlos­se am Fens­ter, wo sie durch die kah­len Ge­bü­sche, denn es war No­vem­ber, die schwar­zen Do­nau­wel­len im düs­te­ren Glut­schein auf­blin­ken se­hen konn­ten, und be­te­ten nicht ohne trü­be Vorah­nun­gen.

Von Neu­burg führ­te Wolf­gang Wil­helm sei­ne Frau nach Düs­sel­dorf und hät­te sich der neu­en Wür­de un­ein­ge­schränkt freu­en kön­nen, wenn sein Beicht­va­ter ihn nicht ge­drängt hät­te, nun­mehr sei­ne Zu­ge­hö­rig­keit zur ka­tho­li­schen Kir­che of­fen zu be­ken­nen, weil dies zum Heil sei­ner Un­ter­ta­nen, die sich ihm an­schlie­ßen wür­den und müss­ten, not­wen­dig sei. Wolf­gang Wil­helm wag­te kei­nen Ge­gen­grund zu äu­ßern und ord­ne­te, da es ein­mal sein muss­te, die Ze­re­mo­nie fest­lich an, da­mit das vor­aus­zu­se­hen­de Mur­ren des Vol­kes durch einen be­deu­ten­den Ein­druck über­wäl­tigt wer­de.

An den Hof von Neu­burg wa­ren zu­wei­len Gerüch­te von ei­ner großen Ver­än­de­rung ge­drun­gen, die in Düs­sel­dorf im Schwan­ge sei; aber Phil­ipp Lud­wig hat­te es nicht laut wer­den las­sen und sich ein­zu­re­den ge­sucht, dass ein sol­cher Ver­rat sei­nes Soh­nes un­mög­lich sei. End­lich ließ er den Heil­brun­ner zu sich ru­fen und frag­te ihn, in­dem er ihn scharf an­sah, ob er glau­be, dass Wolf­gang Wil­helm sei­nen Gott und sei­nen Va­ter zu­gleich ver­ra­ten habe? Heil­brun­ner schwieg eine Wei­le mit nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen; dann sag­te er: »Weil Euer Gna­den es mir be­feh­len, so will ich ant­wor­ten. Ich habe mich lan­ge ge­sträubt, es zu glau­ben, und mit Gott des­we­gen ge­strit­ten. Abra­ham hat Isaak un­schul­dig ge­op­fert und Da­vid Ab­sa­lom schul­dig, und bei­de wa­ren treue Knech­te Got­tes. Wir müs­sen kämp­fen und aus­har­ren bis ans Ende: das von Euer Gna­den und mei­nes sind nicht mehr fern.« Hier­auf setz­te sich Phil­ipp Lud­wig an sei­nen Schreib­tisch und for­der­te von sei­nem Soh­ne eine run­de, of­fe­ne Er­klä­rung, die denn auch er­folg­te. Wolf­gang Wil­helm und Mag­da­le­na schrie­ben zu­sam­men in höf­li­chen, ent­schie­de­nen Wor­ten, dass es so sei und nicht an­ders sein kön­ne und dass sie hoff­ten, der Va­ter wer­de es ihm, Wolf­gang Wil­helm, nicht ver­ar­gen, dass er nach sei­ner Über­zeu­gung ge­han­delt habe.

Das Blatt zit­ter­te in den Hän­den des al­ten Man­nes, wäh­rend er las, und die Trä­nen be­gan­nen ihm lang­sam über das Ge­sicht zu lau­fen. Sein Herz war so hart ge­schla­gen, dass er nicht ein­mal in der Bi­bel Trost fin­den konn­te. Nicht nur der Ab­fall sei­nes Soh­nes war es, der ihn be­küm­mer­te, son­dern der Ge­dan­ke an die bit­te­ren Fol­gen, die für sei­ne ar­men Un­ter­ta­nen dar­aus er­wach­sen muss­ten, wenn der Ab­trün­ni­ge ih­nen sei­nen Irr­glau­ben auf­zwin­gen wür­de. Vie­le Stun­den ver­brach­te er in lei­sem Ge­spräch mit sei­ner Frau, lan­ge saß er aber auch al­lein, von ei­nem dro­hen­den Schwall teuf­li­scher Zwei­fel ge­ängs­tigt. Wa­rum ließ Gott es zu, dass die Ar­beit sei­nes Le­bens zu­nich­te ge­macht wer­de, sein Gärt­lein, in dem er das Un­kraut des Un­glau­bens und des Las­ters aus­ge­jä­tet, wo er Fröm­mig­keit, Ord­nung und Tu­gend ge­sät und auf­ge­hen ge­se­hen hat­te, von sei­nem ei­ge­nen Soh­ne ver­wüs­tet wur­de? Er hat­te ge­glaubt, der Se­gen Got­tes ruhe auf sei­nem Ta­ge­werk, und nun soll­te sein bre­chen­des Auge es schei­tern se­hen. War es eine ihm auf­er­leg­te Prü­fung, wie konn­te Gott den Ver­lust so vie­ler See­len da­mit ver­bin­den?

Den ernst­li­chen Vor­stel­lun­gen Heil­brun­ners, man müs­se sich dem Ver­häng­nis Got­tes auch dann un­ter­wer­fen, wenn man es nach sei­nem schwa­chen mensch­li­chen Ver­stan­de nicht be­grei­fe, füg­te er sich, in­so­fern er nicht laut klag­te; an­statt des­sen be­schäf­tig­te er sich in großer Un­ru­he da­mit, das Un­heil, so viel an ihm war, von sei­nem Lan­de ab­zu­wen­den. Nach­dem er dem Soh­ne in erns­ten Wor­ten sein Un­recht vor­ge­hal­ten hat­te, for­der­te er von ihm ein bün­di­ges Ver­spre­chen, in sei­nem vä­ter­li­chen Er­b­lan­de die Augs­bur­gi­sche Kon­fes­si­on nicht an­tas­ten noch aus­län­di­sche Be­am­te dort ein­füh­ren zu wol­len, wel­ches Wolf­gang Wil­helm nach lan­gem Zö­gern auch gab, da­bei die Un­ver­brüch­lich­keit ei­nes Fürs­ten­wor­tes be­to­nend. Dann band er sei­nem zwei­ten und sei­nem drit­ten Soh­ne, Au­gust und Jo­hann Fried­rich, aufs Herz, dem rei­nen Glau­ben, in dem sie auf­er­zo­gen wä­ren, un­er­schüt­ter­lich an­zu­han­gen, sich durch kei­nen ir­di­schen Vor­teil, Be­dro­hung oder Ver­lo­ckung ab­wen­dig ma­chen zu las­sen, auch stets für ihre Un­ter­ta­nen, wenn die­se etwa trotz al­ler Ver­trä­ge von Wolf­gang Wil­helm be­drängt wer­den soll­ten, vä­ter­lich zu sor­gen und ein­zu­sprin­gen, da Gott die See­len der Un­ter­ta­nen von den Fürs­ten for­dern wer­de. Au­gusts auf­rich­ti­ger Blick und treu­es Wort be­ru­hig­ten ihn über des­sen Zu­kunft, für den schwa­chen und et­was ver­gnü­gungs­süch­ti­gen Jo­hann Fried­rich da­ge­gen muss­te der äl­te­re Bru­der die Verant­wor­tung mit über­neh­men. Heil­brun­ner und die üb­ri­gen Geist­li­chen er­hiel­ten den Auf­trag, an je­dem Sonn­tag die Ge­mein­de auf die be­vor­ste­hen­de Ge­fahr auf­merk­sam zu ma­chen und sie zur Glau­ben­streue zu ver­mah­nen. Es herrsch­te im gan­zen Länd­chen Be­trüb­nis und Sor­ge, und aus frei­en Stücken be­te­ten alle täg­lich, Gott möge ih­ren from­men Fürs­ten er­hal­ten und das Übel von ih­nen ab­wen­den.

Nichts­de­sto­we­ni­ger ging das Le­ben des schon lan­ge gicht­lei­den­den al­ten Fürs­ten schnell zur Nei­ge. Er än­der­te nichts in sei­ner Le­bens­füh­rung, stand in der Mor­gen­frü­he auf, aß zur Mit­tags­zeit sei­nen Brei, ob­wohl er ihm fast zu­wi­der war, ar­bei­te­te mit sei­nen Rä­ten und las zur be­stimm­ten Stun­de in der Bi­bel; aber sei­ne An­ge­hö­ri­gen sa­hen ihn oft mit­ten in der Be­schäf­ti­gung ein­schla­fen oder leer vor sich hin stie­ren, wäh­rend ihm Trä­nen aus den Au­gen schli­chen. In den ers­ten Ta­gen des Au­gust ließ er die Frömms­ten und Red­lichs­ten aus der Bür­ger­schaft, wie die Pre­di­ger sie vor­schlu­gen, zu sich auf das Schloss for­dern, um ih­nen Maß­re­geln für ihr Ver­hal­ten nach sei­nem Tode zu ge­ben. Sie wür­den nun bald, re­de­te er sie an, eine Her­de ohne Hir­ten sein und könn­ten leicht den Wöl­fen, die je­der­zeit um­gin­gen, zur Beu­te fal­len. Zwar wür­den sei­ne Söh­ne ih­nen fürst­lich und ge­treu­lich vor­ste­hen, und Heil­brun­ner wür­de ih­nen nach wie vor Got­tes Wort aus­le­gen und sie zum Gu­ten an­hal­ten, aber sie wüss­ten ja­wohl auch, wie böse die Zeit­läuf­te wä­ren, wel­che Macht der Teu­fel auf Er­den be­sä­ße und wie weit der päpst­li­che An­ti­christ sei­ne Sch­lin­gen wür­fe. Da müss­ten sie denn auch selbst mit Be­stän­dig­keit ge­wapp­net sein, wenn sie die Prü­fung be­ste­hen und der­einst den Him­mel ge­win­nen woll­ten. Da­nach frag­te er vie­le von ih­nen ein­zeln, wie sie sich ver­hal­ten wür­den, wenn sie mit Ge­walt zur Mes­se ge­zwun­gen wer­den soll­ten, ob sie sich fü­gen oder Hab und Gut preis­ge­ben, aus­wan­dern und ihre ir­di­sche Zu­kunft Gott an­heim­ge­ben woll­ten. Ei­ni­ge Män­ner sag­ten, sie hoff­ten das Bes­te, aber lands­frem­de Bett­ler wür­den nir­gends gern ge­se­hen, man müs­se auch für Weib und Kind Sor­ge tra­gen; ei­ni­ge Frau­en, sie wür­den sich nach dem Wil­len ih­rer Män­ner ver­hal­ten; aber ein paar alte Män­ner und alte Wit­wen sag­ten, von Got­tes Wort wür­den sie nicht las­sen, soll­ten sie auch dar­über Leib und Gut ver­lie­ren müs­sen, und sie wür­den dem Her­zog gleich die Hand dar­auf ge­ben.

Er wis­se wohl, dass die Prü­fung hart sei, sag­te Phil­ipp Au­gust, aber himm­li­scher Lohn har­re des Über­win­ders, und er wol­le auch hier und dort für sie be­ten. Dann präg­te er ih­nen ein, sei­nen Söh­nen Ge­hor­sam zu leis­ten, wenn er bald nicht mehr sein wer­de, und sag­te ih­nen Le­be­wohl, wor­auf alle un­ter herz­zer­bre­chen­dem Schluch­zen aus­ein­an­der­gin­gen.

Ei­ni­ge Tage spä­ter fiel der alte Her­zog beim Auf­ste­hen in Ohn­macht, er­hol­te sich aber wie­der und ließ sich vollends an­klei­den, wenn­schon die Ärz­te Be­den­ken äu­ßer­ten und Fa­mi­lie und Die­ner­schaft sich kopf­schüt­telnd dar­an er­in­ner­ten, dass man den 12. Au­gust schrieb, also ge­ra­de drei Mo­na­te nach dem Über­tritt Wolf­gang Wil­helms in Düs­sel­dorf ver­flos­sen wa­ren. Wie all­täg­lich nahm er dann an ei­ner Sit­zung der Räte teil und ließ sich von Heil­brun­ner ein Ka­pi­tel aus der Bi­bel er­klä­ren, um doch für alle Fäl­le auf das Ende vor­be­rei­tet zu sein. Beim Mit­ta­ges­sen, das bald nach zehn Uhr statt­fand und an dem sei­ne Ge­mah­lin, sei­ne Söh­ne, Heil­brun­ner und ein Arzt teil­nah­men, leg­te er plötz­lich den Löf­fel aus der Hand und schlief ein, um nicht mehr zum Le­ben zu er­wa­chen.

Der To­des­fall rief un­end­li­chen Jam­mer im neu­bur­gi­schen Lan­de her­vor; nun, hieß es im Vol­ke, wür­de man das Schick­sal des be­nach­bar­ten Do­nau­wörth er­lei­den, wo die Schlech­ten, die ih­ren Glau­ben ver­rie­ten, An­stel­lun­gen und Äm­ter er­hiel­ten und straf­los die Bes­se­ren quä­len und un­ter­drücken dürf­ten. Es wa­ren in den letz­ten Jah­ren vie­le Do­nau­wör­ther nach Neu­burg ge­zo­gen, und die­se sa­hen nun kom­men, dass ih­res Blei­bens auch hier nicht wäre, son­dern dass sie wei­ter­wan­dern müss­ten, är­mer und hoff­nungs­lo­ser als zu­vor.

Im Fe­bru­ar des fol­gen­den Jah­res, näm­lich 1615, hielt Wolf­gang Wil­helm sei­nen Ein­zug in Neu­burg und er­klär­te rund­weg, von sei­nem Erbrecht nichts auf­ge­ben zu wol­len, wor­auf sich Au­gust und Jo­hann Fried­rich, um nur et­was zu be­kom­men, zu ei­nem Ver­tra­ge be­quem­ten, der je­den von ih­nen mit ei­nem klei­nen Ge­biet ab­fand, Au­gust mit Sulz­bach und Jo­hann Fried­rich mit Hil­polts­heim, so aber, dass dem Äl­tes­ten, Wolf­gang Wil­helm, auch über die­se Lan­des­tei­le die Ober­ho­heit zu­stand. Trau­rig ver­lie­ßen die ver­wit­we­te Her­zo­gin und ihre Söh­ne das Neu­bur­ger Schloss, de­nen bald auch Ja­kob Heil­brun­ner, von der neu­en Re­gie­rung ver­ab­schie­det, folg­te.

Der Dreißigjährige Krieg

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