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In der Mit­te des Mo­nats März weh­te der Wind aus Sü­den und schi­en die Son­ne so warm, dass die Ärz­te dem Kai­ser Matt­hi­as eine Aus­fahrt emp­fah­len, von wel­cher er je­doch statt er­hei­tert bit­ter­bö­se zu­rück­kam, so­dass sei­ne dün­nen, von fal­ti­ger Haut um­schlot­ter­ten Hän­de hin und her zit­ter­ten. Er pfleg­te näm­lich bei Aus­fahr­ten Zucker­werk un­ter die Kin­der aus­zu­tei­len, die sei­nem Wa­gen nach­lie­fen, und als er nun aus dem Sack, den man ihm hin­ge­legt hat­te, ein Stück her­aus­nahm, um dar­an zu lut­schen, merk­te er, dass es ein Kie­sel­stein war und dass die gan­ze Tüte nur von sol­chen voll war. Es ent­stand ein Lau­fen un­ter der Die­ner­schaft, ein Koch schob die Schuld auf den Kon­di­tor, der es wie­der auf sei­ne Aus­läu­fer ab­lud, und end­lich wur­de dem Kai­ser ge­mel­det, es habe ge­ra­de an Geld ge­man­gelt, und da sei der Ge­würz­koch auf den Ein­fall mit den Kie­sel­stei­nen ge­kom­men, weil es oh­ne­hin nur für die heil­lo­sen Gas­sen­bu­ben sei; er bit­te nun aber de­mü­tig um Ver­zei­hung und wol­le so­gleich aus sei­ner Ta­sche gu­tes ech­tes Zucker­werk un­ter die lie­be Ju­gend ver­tei­len las­sen. Das klei­ne zu­sam­men­ge­schnurr­te Ge­sicht des Kai­sers nahm wie­der einen freund­li­chen Aus­druck an, in­dem er sich zu­frie­den er­klär­te, doch klag­te er noch ein we­nig über die böse Welt, mit der es nun schon so weit ge­kom­men sei, dass man so­gar die schuld­lo­sen Kind­lein be­trö­ge.

Am fol­gen­den Tage blies der Föhn so stark, dass der Kai­ser kei­ne Aus­fahrt wa­gen konn­te, und er lag kläg­lich von Schmer­zen ge­plagt in sei­nem Bet­te, von den Ärz­ten ver­trös­tet, dass sie mit dem ver­derb­li­chen wel­schen Win­de wie­der ver­ge­hen wür­den. Zwei Räte stat­te­ten ihm Be­richt von den Ge­schäf­ten ab, wie sich der Kö­nig Chris­ti­an von Dä­ne­mark be­schwe­re, dass der Graf von Schau­en­burg zum Reichs­fürs­ten er­nannt sei und sich oben­drein Fürst zu Hol­stein nen­ne, was eine un­leid­li­che Pro­vo­ka­ti­on für ihn als Her­zog von Schles­wig-Hol­stein sei. Fer­ner hielt sich der Kö­nig über das Reichs­kam­mer­ge­richt auf, wel­ches ent­schie­den hat­te, dass die Stadt Ham­burg eine freie Reichs­stadt sei, und er­mahn­te den Kai­ser, den Über­mut und die An­maß­lich­keit der han­si­schen Städ­te nicht auf­kom­men zu las­sen, wel­che sich als eine selbst­stän­di­ge Kör­per­schaft ge­bär­de­ten und schwei­ze­ri­sche und hol­län­di­sche Grund­sät­ze ins Reich ein­füh­ren woll­ten, wo­nach man denn die Fürs­ten aus­stop­fen und in die Ra­ri­tä­ten­kam­mer stel­len könn­te. Es wäre auch spött­lich für den Kai­ser, dass sie sich hin­ter den ed­len und hoch­be­rühm­ten Reichs­ad­ler wie hin­ter ei­nem Me­du­sen­schil­de ver­steck­ten, ihn her­nach aber gleich­sam in den Hüh­ner­stall sperr­ten, ihm die Fe­dern aus­rupf­ten und kaum ein ma­ge­res Fut­ter­korn gönn­ten.

An­de­rer­seits be­klag­te sich die Stadt Ham­burg, dass der Kö­nig ihr un­ge­wohn­te Zöl­le ab­for­de­re, dass er in öf­fent­li­chen Er­las­sen den gu­ten alt­deut­schen Elbstrom als den sei­ni­gen un­ge­scheut be­zeich­net habe und dass er schließ­lich ihr ge­gen­über eine neue Stadt ge­grün­det und mit großen Be­güns­ti­gun­gen aus­ge­steu­ert, ihr also gleich­sam als eine Fal­le auf die Nase ge­setzt habe, um ihr das Fut­ter weg­zu­schnap­pen. Die Stadt Ham­burg hof­fe, dass der Kai­ser sie nicht so jäm­mer­lich wer­de ver­schrump­fen und aus­sau­gen las­sen, umso mehr, als sie Tür­ken- und an­de­re Reichs­steu­ern stets pünkt­lich be­zahlt habe und nicht ein­mal ein Bau­er sei­ner Kuh das Heu aus­ge­hen las­se.

Der Kai­ser sag­te schmun­zelnd, da wä­ren zwei En­ten, die an ei­nem Frosch schluck­ten, und das bes­te wäre, kei­ne be­käme ihn, da sie bei­de schon frech ge­nug wä­ren. Die Räte lach­ten und wa­ren der­sel­ben An­sicht, doch mein­ten sie, dass der Däne als hoch­mü­ti­ger und un­ter­neh­men­der Fürst ganz be­son­ders zu fürch­ten sei; sie hat­ten ein Mahn­schrei­ben an ihn auf­ge­setzt des In­halts, der Kai­ser ver­wun­de­re sich höch­lich, dass der Kö­nig von Dä­ne­mark so im­per­ti­nent sein wol­le, sich et­wel­cher Ver­ach­tung des hei­li­gen Rei­ches zu un­ter­ste­hen und den nor­di­schen Meer­städ­ten die ur­al­te Han­dels­frei­heit zu ver­kür­zen, wel­chen Scha­den er ver­hof­fent­lich bald ab­stel­le, da der Kai­ser sonst zu sol­chen Mit­teln grei­fen müss­te, die der Kö­nig nicht gern se­hen wür­de. Den Schau­en­bur­ger be­tref­fend wür­de der Kai­ser die­sen ein­dring­lich er­mah­nen, sich un­ge­bühr­li­cher frem­der Ti­tel zu ent­hal­ten, sich viel­mehr in die­ser und an­de­rer Hin­sicht wie ein ehr­lie­ben­der deut­scher Reichs­fürst er­fin­den zu las­sen.

Dass Kö­nig Chris­ti­an sich des Gra­fen von Ol­den­burg an­nahm, der den Erz­bi­schof Fried­rich Adolf von Bre­men ver­klag­te, weil er seit vie­len Jah­ren mit sei­ner Schwes­ter ver­lobt sei, aber die Hei­rat zu ef­fek­tu­ie­ren sich be­harr­lich wei­ge­re, wo­durch er und sei­ne Schwes­ter vor al­ler Welt ver­ächt­lich ge­macht wür­den, be­trach­te­ten die kai­ser­li­chen Räte nur als einen Um­schweif des Kö­nigs, um den Erz­bi­schof von sei­nem Erz­bis­tum zu brin­gen, in wel­ches er be­kannt­lich sei­nen ei­ge­nen Sohn ein­schlüp­fen las­sen woll­te. Er habe den­sel­ben über und über mit Gold be­schmiert, da­mit er de­sto bes­ser durch das Pfört­lein ein­gin­ge, aber die Dom­her­ren, wenn sie auch da­von ab­grif­fen, so viel sie könn­ten, hiel­ten ihn doch sorg­lich auf der Sei­te, weil ih­nen der dä­ni­sche Hir­ten­stab zur­zeit noch et­was fremd vor­käme.

Vi­el­leicht, sag­te der Kai­ser, in­dem er über das gan­ze Ge­sicht lach­te, wä­ren dem Kö­nig von Dä­ne­mark die Wei­ber aus­ge­gan­gen, er sol­le ja ein Her­ku­les in der Lie­be sein, und wol­le sich ein neu­es Jagd­ge­biet im Rei­che grün­den.

Ja, sag­ten die Räte un­ter an­hal­ten­dem Ge­läch­ter, der Kö­nig sei sehr amo­ros und hal­te sich auch für einen Ado­nis, sehe auch der­glei­chen aus auf den Bil­dern, die sein Ge­sand­ter bei sei­nem letz­ten Be­such in Wien ver­teilt habe. Das Frau­en­zim­mer in Dä­ne­mark sol­le üb­ri­gens aus­neh­mend schön sein, nicht fett wie das hie­si­ge, son­dern zart und blond, dazu ver­lieb­ter Na­tur und treu­los, weil sie in ih­rer Un­mä­ßig­keit mit ei­nem Man­ne nicht ge­nug hät­ten.

Wenn Dä­ne­mark nicht so weit ent­fernt und nicht ket­ze­ri­sches Land wäre, möch­te er wohl ein­mal da­hin rei­sen und dem Kö­nig zu Hil­fe kom­men, sag­te der Kai­ser, wäh­rend die bei­den vor sich nie­der­sa­hen und kaum das La­chen ver­bei­ßen konn­ten.

Hier­auf soll­te der Kai­ser noch die Mans­fel­di­sche Achts­er­klä­rung un­ter­schrei­ben; aber er war müde ge­wor­den und sag­te ver­drieß­lich, es habe kei­nen Zweck, den Ba­stard und Ha­be­nichts noch zu äch­ten, mit dem müs­se Bu­quoy auch ohne das fer­tig wer­den, wozu be­kom­me er denn das vie­le Geld, und so wei­ter. Die Räte hin­ge­gen sag­ten, das Pa­tent müs­se durch­aus mor­gen an­ge­schla­gen wer­den, ba­ten fle­hent­lich, der Kai­ser möge doch un­ter­schrei­ben, und lie­ßen ein Süpp­lein kom­men, um ihn wie­der zu er­fri­schen. ›Wir set­zen ihn aus dem Frie­den in den Un­frie­den und er­lau­ben sei­nen Leib, Hab und Gut Je­der­män­nig­li­chem‹, las der eine, wäh­rend der an­de­re dem Kai­ser eine Fe­der in die Hand gab und ihm die Stel­le be­zeich­ne­te, wo­hin er sei­nen Na­mens­zug set­zen soll­te. In­dem der Kai­ser schrieb, dem vor Schläf­rig­keit die Au­gen zu­fal­len woll­ten, lief et­was Spei­chel und Sup­pe über sei­ne her­ab­hän­gen­de Un­ter­lip­pe auf die Ur­kun­de; er blick­te er­rö­tend um sich, wisch­te schnell und ver­stoh­len mit dem Är­mel sei­ner wol­le­nen Nacht­ja­cke dar­über und sag­te kläg­lich, die Sup­pe sei wie­der so schlecht ge­we­sen, nie­mand sor­ge für ihn, seit dem Tode der Kai­se­rin habe er kei­ne ein­zi­ge gute Schüs­sel mehr be­kom­men. Noch ehe die Räte sich ent­fernt hat­ten, war der Kai­ser ein­ge­schla­fen und in sei­nen schwe­ren Kis­sen und Fe­der­bet­ten fast ver­lo­ren. An­ge­sichts sei­ner Schwä­che wur­de sein Ab­le­ben stünd­lich er­war­tet, aber es ver­gin­gen noch zwei Tage, bis er wirk­lich, das un­ge­dul­di­ge War­ten Fer­di­n­ands und sei­ner An­hän­ger end­lich krö­nend, verstarb.

Der Dreißigjährige Krieg

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