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19.

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Der Krieg zwi­schen Ve­ne­dig und dem Kai­ser lock­te vie­le be­rühm­te Feld­her­ren und jun­ge Her­ren von Adel nach Gra­dis­ca, der die große grü­ne fri­au­li­sche Ebe­ne be­herr­schen­den Fes­tung, um die der Kampf haupt­säch­lich sich dreh­te. Wäh­rend Ve­ne­dig sich des be­rühm­ten Gi­us­ti­nia­ni rühm­te, glänz­te auf ös­ter­rei­chi­scher Sei­te na­ment­lich Trautt­mans­dorff, der sei­ne Lauf­bahn in den Kriegs­zü­gen des Matt­hi­as ge­gen Ru­dolf be­gon­nen hat­te (den von Ramée hat­te Erz­her­zog Leo­pold schon vor ei­ni­gen Jah­ren ge­schwind und laut­los pro­zes­sie­ren und köp­fen las­sen). Ne­ben Trautt­mans­dorff mach­ten sich der Loth­rin­ger Dam­pi­er­re, Mar­ra­das, Me­lan­der, be­son­ders aber Al­brecht von Wald­stein oder Wal­len­stein be­merk­bar, ein etwa drei­ßig Jah­re al­ter böh­mi­scher Edel­mann, der als Va­sall des nun­meh­ri­gen Kö­nigs von Böh­men Fer­di­nand ins Feld ge­zo­gen war. Zog Wal­len­stein die Scha­ren der Söld­ner an, so war er doch bei den Ka­me­ra­den nicht be­liebt, wenn man ihm auch zu­ge­stand, dass sein Re­gi­ment in auf­fal­lend gu­ter Ord­nung, tüch­tig und leis­tungs­fä­hig sei; aber er schreck­te durch zu­rück­hal­ten­des und hoch­fah­ren­des We­sen ab, nahm an den ge­mein­sa­men Ban­ket­ten sel­ten teil, be­trank sich nie­mals und schi­en sich über­haupt mit an­de­ren nicht ge­mein ma­chen zu wol­len. Sein Reich­tum er­mög­lich­te ihm, prunk­voll ge­klei­det zu er­schei­nen und sich mit ei­nem Tross reich aus­staf­fier­ter Die­ner zu um­ge­ben. Man wuss­te, dass er dies Ver­mö­gen sei­ner Frau, ei­ner ver­wit­we­ten böh­mi­schen Edel­frau, ver­dank­te, die kürz­lich ge­stor­ben war, ohne Kin­der ge­bo­ren zu ha­ben. Sie war meh­re­re Jah­re äl­ter als er und nicht schön, aber lei­den­schaft­li­cher Na­tur und in ih­ren ernst­haf­ten und tief­sin­ni­gen Mann sehr ver­liebt ge­we­sen. Das Gerücht war von ihr im Um­lauf, um sich sein Herz zu­zu­wen­den, habe sie ihre Zuf­lucht zu ei­ner al­ten Frau ge­nom­men, die sich auf Arz­nei­en und al­ler­lei ver­bor­ge­ne Küns­te ver­stan­den habe, und ihm einen von der­sel­ben zu­sam­men­ge­koch­ten Lie­bes­trank ein­ge­flö­ßt, der aber kei­ne Lie­be, son­dern eine ge­fähr­li­che Krank­heit in ihm er­zeugt habe. Nach sei­ner Ge­ne­sung sei er noch käl­ter als zu­vor ge­gen sie ge­we­sen, wor­über jene alte Frau sehr er­schro­cken ge­we­sen sei und ge­sagt habe, er kön­ne kein fleisch­li­ches Herz ha­ben, wenn es die­sem Zau­ber un­zu­gäng­lich sei. Selbst Tie­re wür­den durch dies Mit­tel zur Lie­bes­brunst an­ge­facht, er müs­se au­ßer­halb der Na­tur und mit feind­li­chen Geis­tern im Bun­de ste­hen. Die arme Frau ver­such­te in from­men Übun­gen Trost zu fin­den, ver­moch­te es aber nicht, sich der hoff­nungs­lo­sen Lie­be zu ent­rei­ßen, und er­gab sich trau­rig in den Tod. Zur zwei­ten Ge­mah­lin wähl­te der jun­ge Wit­wer die ös­ter­rei­chi­sche Grä­fin Har­rach, die nicht reich war, ihn aber durch ihre an­ge­se­he­ne Fa­mi­lie in nahe Ver­bin­dung mit dem Erz­hau­se brach­te.

Trautt­mans­dorff, der den Ober­be­fehl hat­te, war ein Mann, der sich we­ni­ger durch Feld­herrn­ga­be als durch Kühn­heit und Selbst­be­wusst­sein aus­zeich­ne­te, auch durch sei­ne hel­den­haf­te Ge­stalt und sei­nen stolz ge­tra­ge­nen blon­den Kopf Ein­druck mach­te. Um einen ge­lun­ge­nen Aus­fall zu fei­ern, lud er ei­nes Ta­ges die Of­fi­zie­re zu ei­nem Gast­mahl ein, das im ge­räu­mi­gen Schloss­hof auf­ge­rüs­tet wur­de. Der von Mau­ern ein­ge­schlos­se­ne Platz war schat­tig kühl; jen­seit der­sel­ben sah man das blaue Meer und die röt­li­chen Ber­ge in der schwir­ren­den Luft ko­chen.

Gleich beim Be­ginn des Es­sens ent­spann sich ein Streit, in­dem Trautt­mans­dorff die Ge­sund­heit des Kai­sers aus­brach­te und sein Glas dar­auf leer­te, wel­chem Bei­spiel alle mit Aus­nah­me Wal­len­steins folg­ten. Von Trautt­mans­dorff dar­über zur Rede ge­stellt, ant­wor­te­te Wal­len­stein kurz, dass er das Wein­trin­ken bei der Hit­ze nicht ver­tra­gen kön­ne, wo­ge­gen Trautt­mans­dorff mit Schär­fe ein­wand­te, er habe Wal­len­stein kürz­lich trin­ken se­hen, als das Wohl des Erz­her­zogs von Stei­er­mark aus­ge­bracht wor­den sei. Der Erz­her­zog von Stei­er­mark sei Kö­nig von Böh­men und sein Herr, ent­geg­ne­te Wal­len­stein. Das sei nicht wahr, rief Trautt­mans­dorff, an­noch habe Matt­hi­as die Ober­herr­schaft in Böh­men, wenn er auch Fer­di­nand schon habe krö­nen las­sen. Und ob Wal­len­stein Matt­hi­as nicht als sei­nem Kai­ser Ge­hor­sam vor al­lem schul­de? In­dem er sich dro­hend von sei­nem Sitz er­hob, frag­te Wal­len­stein, ob Trautt­mans­dorff ihn der Lüge zei­hen wol­le und ob er be­haup­ten wol­le, er, Wal­len­stein, sei kein treu­er Un­ter­tan des Kai­sers?

Die­ser ge­fähr­li­che Zwist wur­de durch die üb­ri­gen glück­lich bei­ge­legt, und Trautt­mans­dorff wie Wal­len­stein ver­si­cher­ten, dass sie we­der dem Kai­ser noch dem Kö­ni­ge von Böh­men, noch sich ge­gen­sei­tig dies zum Schimpf ge­meint hät­ten. Bald je­doch ent­stand ein neu­er Wort­wech­sel, in­dem Trautt­mans­dorff die Hoff­nung aus­sprach, der nächs­te Krieg wer­de ge­gen die ket­ze­ri­schen Re­bel­len im Reich ge­hen; der Um­stand näm­lich, dass die hol­län­di­schen Staa­ten der Re­pu­blik Ve­ne­dig ein Hilfs­heer un­ter dem Ge­ne­ral Gra­fen Jo­hann Ernst von Nassau ge­sen­det hat­ten, in dem zahl­rei­che Pro­tes­tan­ten aus dem Rei­che dienten, wur­de als eine un­ge­bühr­li­che Her­aus­for­de­rung auf­ge­fasst und hat­te eine ge­reiz­te Stim­mung im ös­ter­rei­chi­schen Heer er­zeugt. Da­ge­gen sag­te Wal­len­stein in ei­ner Art, als ob sei­ne Mei­nung bes­ser be­grün­det sei als die der an­de­ren, es wer­de zu­nächst ge­gen die Tür­ken ge­hen, erst wenn die­se gänz­lich nie­der­ge­wor­fen wä­ren, kön­ne die Ord­nung im Reich her­ge­stellt wer­den. Trautt­mans­dorff war Mit­glied ei­ner kürz­lich ge­grün­de­ten hoch­ade­li­gen Ge­sell­schaft, de­ren Ziel aus­drück­lich die Be­kämp­fung der Hei­den war, von der man aber wuss­te oder mut­maß­te, dass sie ge­gen die Evan­ge­li­schen ge­rich­tet und zu­nächst zur Un­ter­stüt­zung des Kö­nigs von Po­len ge­gen Schwe­den be­stimmt sei. Wal­len­stein schei­ne gründ­lich un­ter­rich­tet zu sein, sag­te Trautt­mans­dorff spöt­tisch; er hät­te selbst den Tür­ken ge­gen­über­ge­stan­den und wis­se, dass sie nicht son­der­lich mehr zu fürch­ten wä­ren; einst­wei­len hät­te man mit ih­nen auf­ge­räumt. »Die Tür­ken sind so mäch­tig wie je«, sag­te Wal­len­stein mit küh­ler Be­stimmt­heit, »und so­lan­ge die Tür­ken in Eu­ro­pa sind, wird nie­mals ein si­che­res Gleich­ge­wicht bei den christ­li­chen Staa­ten herr­schen.« Ob er eine Welt­mon­ar­chie grün­den wol­le? frag­te Trautt­mans­dorff höh­nisch. Das kom­me wohl aus sei­nem Blu­te, denn so viel er wis­se, sei At­ti­la ein Böh­me ge­we­sen.

Noch ein­mal leg­ten sich die Of­fi­zie­re zwi­schen die Strei­ten­den mit dem Vor­schlag, die Wür­fel soll­ten ent­schei­den, wer recht habe. Un­ter lau­tem Ju­bel tat Trautt­mans­dorff den höchs­ten Wurf, wo­mit es für be­wie­sen galt, dass der nächs­te Krieg ge­gen die Ket­zer ge­hen wer­de. Als dann der Wür­fel­be­cher un­ter al­len um­ging, und zwar un­ter der Ab­ma­chung, dass der Sie­ger im Spiel den nächs­ten großen Sieg da­von­tra­gen sol­le, ge­wann es Trautt­mans­dorff wie­der mit der größ­ten Zahl. Ein paar von den be­die­nen­den Mäd­chen bra­chen Zwei­ge von den Lor­beer­bäu­men, die an der Mau­er wuch­sen, ban­den sie zu­sam­men und setz­ten den Kranz auf sei­nen blon­den Kopf; sein schon er­hitz­tes Ge­sicht wur­de noch dunk­ler rot, er um­fass­te die Mäd­chen, küss­te sie, zog sie auf sei­ne Knie und er­wi­der­te das Zu­trin­ken der üb­ri­gen. Wal­len­stein setz­te sein Glas an die Lip­pen, dann stand er auf und ent­fern­te sich, in­dem er sich mit der Hit­ze ent­schul­dig­te. Es sei gut, dass er ge­gan­gen sei, sag­te Dam­pi­er­re auf­at­mend; sei­ne Ge­gen­wart las­se kei­ne rech­te Fröh­lich­keit auf­kom­men. »Er hat et­was an sich, das mir nicht ge­fällt«, sag­te Trautt­mans­dorff; »wenn er ein Ka­va­lier ist, so hat er ge­wiss den Bocks­fuß im Wap­pen.«

Drei Tage spä­ter wur­de Trautt­mans­dorff, als er die Wäl­le be­such­te und sich da­bei zu sehr aus­setz­te, von ei­ner Gra­na­te ge­trof­fen und starb ei­ni­ge Stun­den spä­ter. Auch der ve­ne­zia­ni­sche Feld­herr Gi­us­ti­nia­ni fiel in die­sem Krie­ge, der auf bei­den Sei­ten mit großer Tap­fer­keit, aber ohne ent­schei­den­de Er­geb­nis­se, fast wie ein glän­zen­des Tur­nier ge­führt wur­de. Nach wech­seln­dem Kriegs­glück kam im Herbst 1617 der Frie­de da­durch zu­stan­de, dass auf Khlesls Be­trei­ben der Kai­ser der Re­pu­blik Ve­ne­dig güns­ti­ge Be­din­gun­gen zu­ge­stand, an­statt Fer­di­n­ands In­ter­es­sen, wie die­ser ge­wünscht hät­te, bis zum äu­ßers­ten zu ver­tre­ten.

Der Dreißigjährige Krieg

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