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33.

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Wäh­rend der jun­ge Kur­fürst von der Pfalz in sei­ne Frau noch im­mer sehr ver­liebt war, er­reg­te sie oft den Un­wil­len sei­ner Räte und Geist­li­chen durch ihr un­deut­sches und un­be­dacht­sa­mes Be­tra­gen. Sie be­dien­te sich nur der fran­zö­si­schen Spra­che, zeig­te auch kei­ne Lust, das Deut­sche zu ler­nen, was vie­len, trotz der Vor­lie­be für fran­zö­si­sches We­sen, ei­ner deut­schen Fürs­tin doch nicht ganz an­stän­dig schi­en. In der Bi­bel woll­te sie nicht le­sen, denn die ken­ne sie nun, be­gnüg­te sich auch nicht mit Vir­gil oder Horaz, son­dern un­ter­hielt sich mit fran­zö­si­schen Ro­ma­nen. Be­son­de­ren An­stoß er­reg­te es, dass sie ein­mal wäh­rend des Got­tes­diens­tes spa­zie­ren ge­fah­ren war, ja man er­zähl­te sich, sie habe ein­mal, als ihr der Fin­ger ge­blu­tet habe, einen Wachs­fin­ger in eine ka­tho­li­sche Kir­che ge­op­fert, um zu ver­su­chen, ob es hel­fe. Der Kur­fürst er­mann­te sich nicht dazu, ihr des­we­gen Vor­hal­te zu ma­chen, ja er ließ sich selbst, vor­züg­lich auf Rei­sen, man­cher­lei Mut­wil­len und Ex­zeß ent­schlüp­fen. Als er bei Ge­le­gen­heit ei­nes Uni­ons­ta­ges in Nürn­berg war, nahm er mit der Kur­fürs­tin an ei­ner Ge­schlecht­er­hoch­zeit teil, und da er beim Dun­kel­wer­den ge­ra­de mit der Braut tanz­te, sag­te er ihr, sie woll­ten mit­ein­an­der um die Kir­che tan­zen, das sei pfäl­zi­sche Sit­te, und führ­te sie wirk­lich tan­zend um die Lo­renz­kir­che her­um, nicht ohne ei­ni­ge Ei­fer­sucht des Bräu­ti­gams und der Kur­fürs­tin.

In Nürn­berg be­fand sich da­mals in ei­ner an­ge­se­he­nen Fa­mi­lie ein wei­ßer sin­gen­der Fink, der als eine Ra­ri­tät in der Stadt be­rühmt war, und da Eli­sa­beth neu­gie­rig war, ihn zu se­hen, und ihn zu be­sit­zen wünsch­te, er­han­del­te ihn Fried­rich. Sie wur­de sei­ner bald über­drüs­sig, er hin­ge­gen brach­te vie­le Stun­den da­mit zu, ihn zu ne­cken oder ihn pfei­fen zu las­sen, trug ihn auf der Hand oder Schul­ter mit sich her­um und war un­tröst­lich, als er starb. Sein Zim­mer sei ihm ohne den Vo­gel ver­ödet, sag­te er, es sei ihm recht, wenn es nach Prag gin­ge, da­mit er eine an­de­re Welt sähe.

Sei­ne Mut­ter ta­del­te ihn, er kön­ne wohl einen an­de­ren Vo­gel be­kom­men, nicht aber ein an­de­res Fürs­ten­tum, wenn er das sei­ne ver­lie­ße.

Er be­kom­me ja im Ge­gen­teil ein neu­es, mein­te Fried­rich, und als ver­lau­te­te, der Her­zog von Sa­voy­en gehe ernst­lich da­mit um, die böh­mi­sche Wahl an­zu­neh­men, kam es ihm vor, als habe er sich et­was Kost­ba­res aus der Hand ge­hen las­sen. Der Her­zog von Sa­voy­en hat­te ein an­sehn­li­ches Pro­jekt über die ös­ter­rei­chi­schen Er­b­lan­de, die nach er­folg­ter Ab­schaf­fung der Habs­bur­ger ver­teilt wer­den soll­ten, und zwar so, dass das El­saß und die ös­ter­rei­chi­schen Vor­lan­de, näm­lich der Breis­gau, an Pfalz kämen; aber wäh­rend die pfäl­zi­schen Räte die­sen Zu­wachs viel wün­schens­wer­ter fan­den als das ent­le­ge­ne Böh­men, ver­dross Fried­rich das Aner­bie­ten, das doch nur eine Lock­spei­se sei, um ihn von dem weit wich­ti­ge­ren Böh­men ab­zu­len­ken. Er woll­te, dass die Böh­men vor dem un­zu­ver­läs­si­gen, falschen und auf­schnei­de­ri­schen Sa­voy­er ge­warnt und ih­nen hin­ge­gen die Vor­zü­ge der pfäl­zi­schen Wahl ein­dring­lich vor­ge­stellt wür­den.

Er und Eli­sa­beth lie­ßen sich oft von An­halt die Herr­lich­kei­ten Prags schil­dern, na­ment­lich was er von der be­rühm­ten Kunst­kam­mer Kai­ser Ru­dolfs, sei­nen Klein­odi­en und Ju­we­len ge­hört und ge­se­hen hat­te. Dazu drän­gen, sag­ten sie bei­de, woll­ten sie sich nicht; aber wenn die Wahl Fried­rich trä­fe, woll­ten sie es als einen Fin­ger­zeig Got­tes an­se­hen und ihm fol­gen.

Die ver­wand­ten und ver­bün­de­ten Fürs­ten, bei de­nen un­ter der Hand an­ge­fragt wur­de, rie­ten ab und warn­ten, so­gar Mo­ritz von Hes­sen, wel­cher als ein­zi­ger für die An­nah­me der böh­mi­schen Kro­ne stimm­te, sprach sich nach­drück­lich da­hin aus, es kön­ne nur ge­sche­hen, be­vor Fer­di­nand von Ös­ter­reich Kai­ser sei, Fried­rich müs­se also zu­nächst da­zu­tun, dass die Kai­ser­wahl ver­scho­ben wer­de oder, falls dies nicht mög­lich sei, dass Fer­di­nand nicht ge­wählt wer­de. Der Au­gen­blick, sich der Habs­bur­ger zu ent­le­di­gen, sei jetzt da, nie wür­de er viel­leicht wie­der­keh­ren, die ihn jetzt nicht be­nütz­ten, wür­den die Fol­gen zu tra­gen ha­ben.

Un­ter­des­sen tat auch Fer­di­nand das Sei­ni­ge, um zum Zie­le zu kom­men. So­wie Matt­hi­as im März, mit­ten aus den ver­geb­li­chen Ver­söh­nungs­ver­su­chen mit den Böh­men her­aus, ge­stor­ben war, schick­te er einen sei­ner ver­trau­tes­ten Die­ner, den Liech­ten­stein, nach Bay­ern und an die geist­li­chen Höfe, um für ihn zu wer­ben. Der Ge­sand­te führ­te eine Schrift mit, in der Fer­di­n­ands be­son­de­re Taug­lich­keit zu ei­nem rö­mi­schen Kö­nig und deut­schen Kai­ser aus­ein­an­der­ge­setzt war, wie er näm­lich vor al­len an­de­ren Fürs­ten mit den Tu­gen­den der Sanft­mü­tig­keit, Auf­rich­tig­keit, Hold­se­lig­keit, Ehr­bar­keit, Ar­beit­sam­keit, Er­fah­ren­heit in Spra­chen, Dex­te­ri­tät in Ratschlä­gen, Fa­zi­li­tät in Au­di­en­zen und vie­len an­de­ren aus­ge­stat­tet sei. Dazu ka­men münd­li­che Ver­spre­chun­gen, wel­che na­ment­lich auf den Erz­bi­schof von Tri­er, Lo­thar von Met­ter­nich, und sei­nen Fa­mi­li­enan­hang großen Ein­druck mach­ten, so­dass die­ser Fürst mit al­lem Nach­druck für die habs­bur­gi­sche Wahl ein­trat. Viel schwie­ri­ger war es für Fer­di­nand, den Vet­ter von Bay­ern auf sei­ne Sei­te zu brin­gen, der so­gar, wenn er woll­te, als ein Ne­ben­buh­ler und Mit­be­wer­ber auf­tre­ten konn­te; denn die­sem konn­te er nicht, wie dem Met­ter­nich, ein hal­b­es Hun­dert­tau­send Gul­den oder ein Güt­lein an­bie­ten, son­dern muss­te um vie­les tiefer in die Ta­sche grei­fen, die noch dazu leer war. Mit ei­nem gu­ten Ein­fall trug sich Fer­di­nand schon seit län­ge­rer Zeit: dass er näm­lich das schö­ne, ein­träg­li­che Land Ober­ös­ter­reich an Ma­xi­mi­li­an, der schon ein Auge dar­auf ge­wor­fen hat­te, ver­pfän­den kön­ne, in­dem er sich da­mit zu­gleich, da es we­gen der Re­li­gi­on in vol­lem Aufruhr war, ei­ner Sor­ge und Ar­beit ent­le­dig­te. Wenn er dann spä­ter mit Ma­xi­mi­lians Hil­fe Kai­ser ge­wor­den wäre und Böh­men wie­der un­ter­wor­fen hät­te, wür­de es ihm nicht an Mit­teln feh­len, das Pfand wie­der ein­zu­lö­sen, in­dem die Kon­fis­ka­tio­nen der Re­bel­len­gü­ter sei­ne Kas­se reich­lich fül­len wür­den. Dies Pro­jekt muss­te al­ler­dings in großer Heim­lich­keit be­trie­ben wer­den, denn die ober­ös­ter­rei­chi­schen Stän­de, die nichts von der bay­ri­schen Herr­schaft wis­sen woll­ten, hät­ten es ge­gen ihn aus­nüt­zen kön­nen, wenn sie vor der Zeit da­von er­füh­ren. Auf einen ei­gen­hän­di­gen Brief Fer­di­n­ands, in dem er Ma­xi­mi­li­an an ihre alte Freund­schaft mahn­te und ihn auf­for­der­te, den Bund der Ju­gend neu­er­dings zu ge­gen­sei­ti­gem Flor und Pro­spe­rie­ren zu be­kräf­ti­gen, ant­wor­te­te die­ser, er wol­le zu­nächst Ober­ös­ter­reich als Pfand an­neh­men, sei auch be­reit, Fer­di­nand in der böh­mi­schen Sa­che zu hel­fen, wenn er sich da­durch auch Fein­de im Reich mach­te, es müss­ten aber zu­vor noch ei­ni­ge Punk­te fest­ge­setzt wer­den, über die er sich schrift­lich nicht aus­las­sen kön­ne. Was die Kai­ser­wahl an­be­lan­ge, so wol­le er, Ma­xi­mi­li­an, sich ihm dar­in nicht in den Weg stel­len.

Den in Heil­bronn ta­gen­den Ab­ge­ord­ne­ten der Uni­on re­de­te Pfalz zu, dass die Kai­ser­wahl, wenn denn schon die Habs­bur­ger in die­sem Tur­nier wie­der sie­gen soll­ten, we­nigs­tens ver­scho­ben wer­den soll­te, da­mit das Vi­ka­ri­at län­ger dau­er­te und der böh­mi­sche Streit vor­her zur Ent­schei­dung käme. In­des­sen na­ment­lich die Städ­te äu­ßer­ten sich da­hin, dass sie eine län­ge­re Va­kanz nicht gern sä­hen und dass, wenn denn an einen evan­ge­li­schen Frei­er für die Kro­ne nicht zu den­ken wäre, das Haus Habs­burg sich im­mer­hin durch die lan­ge Ge­wohn­heit emp­föh­le. Auch eine Un­ter­stüt­zung von Kur­pfalz in der böh­mi­schen Sa­che lehn­ten die Städ­te ab, weil sie sich in die Fürs­ten­hän­del nicht mi­schen woll­ten, bei de­nen sie doch nur um das Ih­ri­ge kämen. Bei die­sem üb­len Stan­de der Din­ge wur­de durch den Her­zog von Zwei­brücken, des­sen Bru­der im Diens­te des schwe­di­schen Kö­nigs stand, auf die­sen als auf einen he­ro­i­schen jun­gen Fürs­ten hin­ge­wie­sen, der, wenn er in den Bund ein­trä­te, wohl in der Lage wäre, die evan­ge­li­sche Sa­che tüch­tig zu se­kun­die­ren. Der­sel­be habe im Kamp­fe mit den Mos­ko­wi­tern und Po­len aus­neh­men­den Kriegs­ver­stand und Tap­fer­keit ge­zeigt, da­bei auch jene Mä­ßi­gung an den Tag ge­legt, die die Grö­ße des wah­ren Staats­man­nes aus­ma­che. Er, der Her­zog, habe kürz­lich in ei­nem Flug­blatt ge­le­sen, wie eine Weis­sa­gung des be­rühm­ten kai­ser­li­chen Astro­no­men Ty­cho de Bra­he, die der­sel­be beim Er­schei­nen des Ko­me­ten im Jah­re 1572 von sich ge­ge­ben habe, auf den Kö­nig Gu­stav Adolf be­zo­gen wer­de, dass näm­lich, um die in je­nem Jah­re ver­üb­ten Gräu­el der Bar­tho­lo­mäus­nacht zu rä­chen, ein Held im Nor­den er­schei­nen und nach zwei­mal drei­ßig Jah­ren un­ter­ge­hen wer­de.

Des wei­te­ren er­zähl­te der Her­zog von Zwei­brücken, dass ihm so­eben Be­richt von ei­ner wun­der­ba­ren Be­ge­ben­heit aus Schwe­den ge­kom­men sei: Der jun­ge Kö­nig habe sich mit sei­nem Kanz­ler, dem durch sei­ne Weis­heit und Ge­lehr­sam­keit be­kann­ten Gra­fen Oxens­tier­na, in ei­nem kö­nig­li­chen Schlos­se auf­ge­hal­ten, als am spä­ten Abend Feu­er aus­ge­bro­chen sei und nach Art die­ses höl­li­schen Ele­men­tes rasch um sich ge­grif­fen habe, so­dass als­bald das gan­ze Ge­bäu­de lich­ter­loh ge­brannt habe. Die bei­den Her­ren hät­ten mit­ein­an­der bei der Ar­beit ge­ses­sen und der Kö­nig da­ne­ben auf der Lau­te ge­klim­pert, sie hät­ten kei­nen un­zei­ti­gen Schre­cken ge­spürt, son­dern sich schnur­stracks aus dem Fens­ter ge­schwun­gen, wo­bei der Kö­nig sei­nem Kanz­ler noch hilf­reich bei­ge­stan­den hät­te. Nach­dem sie so dem Feu­er ent­ron­nen wä­ren, hät­ten sie noch durch den Burg­gra­ben wa­ten müs­sen, der voll Schmutz und Was­ser ge­we­sen sei, so­dass es ih­nen fast an den Hals ge­stie­gen wäre, und als sie drü­ben an­ge­kom­men wä­ren, hät­te der Kö­nig auf sich selbst ge­schol­ten, weil er die Lau­te, die er bei der Flucht un­will­kür­lich in der Hand be­hal­ten, über sich zu he­ben ver­ges­sen hät­te und sie nun durch die Näs­se ver­dor­ben sei. Der Kanz­ler hät­te einen Schnup­fen da­von­ge­tra­gen, der Kö­nig aber sei ganz un­ver­sehrt ge­blie­ben, wor­über die Pre­di­ger in Schwe­den viel ge­pre­digt hät­ten, und auch sein, des Her­zogs von Zwei­brücken, Hof­pre­di­ger hät­te sich fein auf der Kan­zel aus­ge­las­sen, wie der pro­tes­tan­ti­sche Held nun­mehr durch Feu­er und Was­ser ge­gan­gen sei, um er­probt und ge­läu­tert, gleich­sam als ein Erz­en­gel, den ab­göt­ti­schen ka­tho­li­schen Dra­chen zu zer­tre­ten.

Trotz des großen Ein­drucks, den die­se Be­rich­te von dem jun­gen Schwe­den­kö­nig mach­ten, fehl­te es nicht an Be­den­ken ge­gen ein et­wai­ges Bünd­nis: so woll­ten die Städ­te ge­hört ha­ben, dass der Kö­nig statt mit gu­tem ge­münz­tem Gel­de mit Kup­fer zu zah­len pfle­ge, weil dies schlech­te Me­tall in den schwe­di­schen Ber­gen über­flüs­sig zu fin­den sei; be­merk­ten auch, dass Bünd­nis­se mit aus­wär­ti­gen Po­ten­ta­ten nach der Gol­de­nen Bul­le ver­bo­ten sei­en und also zwie­späl­tig und skru­pu­lös zu un­ter­neh­men wä­ren. Die Fürs­ten woll­ten sich dar­auf we­ni­ger ein­las­sen, deu­te­ten aber an, dass der Kö­nig von Schwe­den zur­zeit noch mit Mos­ko­wi­tern und Po­len en­ga­giert sei, auch mit dem Kö­nig von Dä­ne­mark über­quer ste­hen sol­le, mit dem man es, als mit ei­nem schwer­rei­chen, ge­walt­tä­ti­gen Mon­ar­chen, der mit vie­len Reichs­fürs­ten ver­schwä­gert und selbst Reichs­glied sei, nicht ver­der­ben dür­fe. In­zwi­schen woll­te man den jun­gen Herrn von Schwe­den nicht aus den Au­gen las­sen und emp­fahl dem Her­zog von Zwei­brücken wie auch dem Land­gra­fen Mo­ritz von Hes­sen, wel­che bei­de zu sei­ner Ver­wandt­schaft ge­hör­ten, ein gu­tes Ver­neh­men mit ihm zu er­hal­ten.

Un­ge­hin­dert wur­de nun die Kai­ser­wahl aus­ge­schrie­ben, und Fer­di­nand be­gab sich, nach­dem er mit vie­ler Mühe und nach­drück­li­chen Pres­su­ren das nö­ti­ge Geld zu­sam­men­ge­borgt hat­te, präch­tig aus­ge­rüs­tet nach Frank­furt. Gleich­zei­tig schlepp­te sich über die nach Frank­furt füh­ren­de Land­stra­ße ein schwe­rer, mit vier Pfer­den be­spann­ter und von vie­len Be­waff­ne­ten ge­lei­te­ter Wa­gen, in wel­chem sich nebst zwei Of­fi­zie­ren und zwei Rats­per­so­nen eine auf 140.000 Gul­den ge­schätz­te Kro­ne be­fand. Die­sen be­deu­tungs­vol­len ver­gol­de­ten Wa­gen zu se­hen, war über­all ein großes Zu­sam­men­lau­fen des Vol­kes, und in Ro­ten­burg, wo die Kut­sche bei ein­bre­chen­der Dun­kel­heit ein­zog, fiel es mü­ßi­gen Leu­ten ein, zu ih­rer fest­li­chen Be­grü­ßung Ra­ke­ten ab­zu­bren­nen, wel­che ge­ra­de vor den Fü­ßen der Pfer­de platz­ten und zi­schend in die Luft fuh­ren. Die er­schro­cke­nen Tie­re scheu­ten und bäum­ten sich, wor­über die Kut­sche auf die Sei­te fiel, der Schlag sich öff­ne­te und die Kro­ne in einen ne­ben der Stra­ße hin­lau­fen­den Gra­ben sprang, ohne dass die selbst über­ein­an­der­ge­wor­fe­nen Bei­sit­zer es hin­dern konn­ten; frei­lich konn­te die­ser Vor­gang nicht deut­lich wahr­ge­nom­men wer­den, weil die Es­kor­te sich so­fort mit ge­zo­ge­ner Waf­fe zum Schut­ze um das so elend ent­blö­ßte und aus­ge­sä­te Reichs­klein­od auf­stell­te.

Die­ser Un­fall wur­de zwar nach Mög­lich­keit ver­schwie­gen, er­reg­te aber bei de­nen, die da­von hör­ten, großes Be­den­ken, wie auch meh­re­re an­de­re Un­zu­träg­lich­kei­ten, die an­läss­lich der Kai­ser­wahl vor­fie­len, als üble Vor­zei­chen ge­deu­tet wur­den. So ver­fuh­ren die Quar­tier­meis­ter, wel­che den Kur­fürs­ten und ih­rem Ge­fol­ge Her­ber­ge an­zu­wei­sen hat­ten, so grob und un­be­dacht, dass sie eine Wöch­ne­rin, die erst vor we­ni­gen Stun­den ge­bo­ren hat­te, aus ih­rem Zim­mer schaff­ten, wor­auf sie un­auf­halt­sam von ih­rer weh­kla­gen­den Fa­mi­lie hin­wegstarb. Da­durch wur­de der Frank­fur­ter Pö­bel noch mehr auf­ge­reizt, der so­wie­so kein Herz für die Kai­ser­sa­che hat­te, weil bei der letz­ten Re­bel­li­on des Vol­kes ge­gen das Pa­tri­zi­at der Kai­ser für die­ses Par­tei ge­nom­men und die Em­pö­rer grau­sam be­straft hat­te. Fer­ner soll­te Mo­ritz von Hes­sen, der sich vor­ge­nom­men hat­te, die Wahl des Erz­her­zogs Fer­di­nand auf ir­gend­ei­ne Art zu hin­ter­trei­ben, als er zur Stadt hin­aus muss­te (denn es war Ge­setz, dass alle Frem­den, mit Aus­nah­me der Kur­fürs­ten und ih­res Ge­fol­ges, an den Ta­gen der Kai­ser­wahl das Ge­biet der Stadt Frank­furt ver­las­sen muss­ten), bit­ter­bö­se Droh­wor­te aus­ge­sto­ßen ha­ben; die­ses Fürs­ten not­ge­drun­ge­ner Ab­zug er­reg­te aber nicht Teil­nah­me, son­dern Scha­den­freu­de des Vol­kes, weil er sich da­mals gleich­falls der Re­bel­li­on nicht an­ge­nom­men hat­te.

Das größ­te Auf­se­hen gab es, als am Tage nach er­folg­ter Wahl der Erz­bi­schof von Tri­er, Lo­thar von Met­ter­nich, in­dem er aus sei­ner Kut­sche aus­stei­gen woll­te, von ei­nem Hun­de ins Bein ge­bis­sen wur­de und als ein Schwer­ver­letz­ter in sein Bett ge­tra­gen wer­den muss­te. Er nahm es sich umso mehr zu Her­zen, als er haupt­säch­lich die Wahl Fer­di­n­ands be­trie­ben und zum Ef­fekt ge­bracht hat­te und ihm nun die­ser un­ver­hoff­te Hun­de­biss wie ein stra­fen­des Got­tes­zei­chen vor­kom­men woll­te, weil er etwa um per­sön­li­chen Vor­teils wil­len das Wohl des ge­lieb­ten Va­ter­lan­des zu­rück­ge­stellt hät­te. Dass es mit dem Hun­de eine be­son­de­re Be­wandt­nis hat­te, dar­auf deu­te­te die Na­tur der Wun­de, die nicht zu­hei­len woll­te, wie auch, dass man den Hund mit ein­ge­zo­ge­nem Schwan­ze da­von­lau­fen und nach­her gar nicht mehr ge­se­hen hat­te. Ei­ni­ge Ärz­te äu­ßer­ten die Be­fürch­tung, der Hund möch­te toll ge­we­sen sein, was die Angst und Rat­lo­sig­keit noch ver­mehr­te. Nach all­ge­mei­ner Aus­sa­ge be­fand sich ein ge­lehr­ter Jude in Frank­furt, der ge­gen den Biss tol­ler Hun­de ein ge­hei­mes Mit­tel ken­ne, aber der Kur­fürst zwei­fel­te, ob er sich von ei­nem sol­chen dür­fe be­han­deln las­sen, und bot ihm viel Geld, falls er vor­her zum Chris­ten­tum über­tre­ten woll­te. Der Jude ant­wor­te­te höh­nisch, er sei dazu be­reit, wenn der Kur­fürst her­nach aus Dank­bar­keit den jü­di­schen Glau­ben an­neh­men woll­te, so sei auf bei­den Sei­ten nichts ge­won­nen und nichts ver­lo­ren; Geld habe er ge­nug, ver­lan­ge auch kei­ne Be­zah­lung für die Kur, die er nur vor­neh­men wür­de we­gen des Ver­gnü­gens, einen so treu­en Va­sal­len des Kai­sers ge­sund zu ma­chen. Hin­ge­gen ge­lang es, die Frau des Ju­den zu be­ste­chen, dass sie ih­rem Man­ne an dem be­tref­fen­den Tage ein ge­weih­tes, mit al­ler­lei Sprü­chen und Amu­let­ten her­ge­rich­te­tes Hemd an­prak­ti­zier­te, in wel­chem er den Erz­bi­schof ohne Scha­den un­ter­such­te, ein­salb­te, mit heil­sa­men Trop­fen ver­sah und so weit wie­der her­stell­te, dass er nach Hau­se rei­sen konn­te. Doch wur­de der einst so schö­ne, ma­je­stä­ti­sche und hei­te­re Fürst die schwer­mü­ti­gen Ge­dan­ken nicht wie­der los, be­fürch­te­te auch im­mer den Aus­bruch der Hunds­wut und straf­te sich selbst, dass er aus Sor­ge um sein ge­mei­nes ir­di­sches Le­ben sich von ei­nem Ju­den hat­te ku­rie­ren las­sen, der den Hei­land ge­kreu­zigt hat­te.

Gro­ßes Är­ger­nis gab ein Mann, der in Tracht und Ge­bär­den ei­nes Quack­sal­bers wäh­rend der Wahl­ta­ge al­ler­lei Ge­gen­stän­de an die Meist­bie­ten­den ver­kauf­te, wor­un­ter eine aus Blech ver­fer­tig­te und mit bun­tem Glas ver­zier­te Kro­ne war; die­sel­be war so nett und künst­lich ge­macht, auch würz­te der Mann den Han­del mit so ge­fäl­li­gen Spä­ßen, dass er eine große Sum­me Geld da­mit er­ziel­te. Der, wel­chem sie zu­ge­schla­gen wur­de, band die Kro­ne ei­nem schä­bi­gen Pu­del auf den Kopf, der da­mit durch die Stra­ßen lief, bis der Rat dem Un­fug ein Ende mach­te, ohne aber der Schul­di­gen hab­haft wer­den zu kön­nen. Der Ver­dacht fiel auf die in Frank­furt an­säs­si­gen Nie­der­län­der, die auch die letz­te Re­bel­li­on an­ge­zet­telt ha­ben soll­ten, weil die rei­chen Bür­ger und Han­dels­leu­te sie we­gen des Wett­be­werbs und an­de­rer Miss­stän­de nicht lei­den woll­ten.

Der nun­meh­ri­ge Kai­ser Fer­di­nand ließ sich al­les dies nicht an­fech­ten, son­dern nahm die un­ter so großen Schwie­rig­kei­ten er­folg­te Wahl als ein Zei­chen Got­tes, dass er we­gen an­e­rerb­ter und an­ge­bo­re­ner Tu­gen­den zum Welt­re­gi­ment und na­ment­lich zur Wie­der­her­stel­lung der ka­tho­li­schen Re­li­gi­on aus­er­le­sen sei und eben­so wun­der­bar zum Sie­ge über die Böh­men wer­de ge­führt wer­den. Zu­nächst reis­te er zu bes­se­rer Be­fes­ti­gung der Freund­schaft und Ab­ma­chung ge­gen­sei­ti­ger Ver­trags­leis­tung nach Mün­chen, wo der Her­zog den ho­hen Gast eh­ren­voll emp­fing, ihm sei­ne Re­si­denz und Kunst­schät­ze zeig­te, sich aber in Be­zug auf die Ge­schäf­te kalt­her­zig zu­rück­hielt. Als Fer­di­nand ihm ver­trau­lich sag­te, wenn er nur wol­le, so könn­ten sie mit­ein­an­der das Un­kraut der Ket­ze­rei aus­rot­ten, sie bei­de und sein Schwa­ger in Spa­ni­en wür­den gleich­sam eine ir­di­sche Drei­ei­nig­keit bil­den, der sich al­les un­ter­wer­fen müs­se, ant­wor­te­te Ma­xi­mi­li­an, die Tri­ni­tät sei ein himm­li­sches Mys­te­ri­um, auf Er­den habe je­der sei­nen ei­ge­nen Kopf und wol­le sei­nen ei­ge­nen Fut­ter­napf. Auch Fer­di­n­ands wei­te­re Erin­ne­run­gen, sie zwei hät­ten doch von je­her nur ein Herz und Haupt ge­habt, auch hät­ten sei­ne Mut­ter und Ma­xi­mi­lians Va­ter sie oft er­mahnt, wie Brü­der zu­sam­men­zu­hal­ten, ver­an­lass­ten ihn nur zu ei­ner ge­mes­se­nen Er­klä­rung, er wer­de sich al­le­zeit freund­vet­ter­lich und nach­bar­lich er­wei­sen. Die Ver­pfän­dung von Ober­ös­ter­reich be­tref­fend, ließ er sich end­lich nä­her her­aus, sei ihm we­nig mit ei­nem auf­stän­di­schen Lan­de ge­dient, das er erst mit vie­len Kos­ten zum Ge­hor­sam brin­gen und wie­der ab­tre­ten müs­se, wenn es ihm ge­ra­de einen Pro­fit ab­wer­fen wür­de. We­nigs­tens müs­se er für sei­nen Auf­wand einen ge­wis­sen Er­satz be­kom­men, und den kön­ne ihm Fer­di­nand ja in der Wei­se leis­ten, wenn Pfalz wirk­lich die böh­mi­sche Kro­ne an­näh­me und da­durch die Acht auf sich zöge, dass er ihm den Voll­zug der­sel­ben auf­trü­ge und au­ßer­dem die pfäl­zi­sche Kur­wür­de von der Hei­del­ber­ger Li­nie auf ihn und sei­ne Nach­kom­men über­trü­ge.

So hoch hat­te sich Fer­di­nand den Preis, den Ma­xi­mi­li­an for­dern wür­de, doch nicht vor­ge­stellt und hielt sei­nen Schre­cken nicht zu­rück; nicht nur sämt­li­che evan­ge­li­sche Reichs­fürs­ten wür­den sich da­wi­der­set­zen, mein­te er, son­dern auch alle Kur­fürs­ten und viel­leicht so­gar der Papst und Spa­ni­en, denn ein sol­cher Be­sitz­wech­sel wür­de ge­mein­hin von nie­man­dem ger­ne ge­se­hen.

Da­ge­gen sag­te Ma­xi­mi­li­an, wenn der Kai­ser es dar­auf an­kom­men las­sen woll­te, Böh­men zu ver­lie­ren, so sei das sei­ne Sa­che, er kön­ne sei­nem Lan­de die Las­ten ei­nes Feld­zu­ges nicht auf­bür­den, wenn er nicht ei­ner reich­li­chen Ent­schä­di­gung si­cher sei. Woll­ten die Reichs­fürs­ten sich sei­nes Vet­ters von der Pfalz wirk­lich an­neh­men, so sei ja er da, um sie zur Rä­son zu brin­gen, er be­fürch­te es aber nicht, Wor­te wä­ren heut­zu­ta­ge bil­lig wie Sand, Ta­ten aber sel­ten und kost­bar wie har­te Edel­stei­ne.

Von ei­ner Jagd zu­rück­keh­rend, sa­ßen die bei­den Vet­tern in ei­ner Ni­sche des Schlos­ses zu Grün­wald über der Isar, die ihre mil­chi­gen Wel­len stür­misch zwi­schen den die stei­len Ufer lo­ckig krö­nen­den, sanft hin­ein­rau­schen­den Ei­chen­wäl­dern hin­führ­te. Fer­di­nand lob­te die aus­ge­dehn­ten Fors­te, die rei­che Jagd­ge­le­gen­heit und, zu ei­nem ge­gen­über­lie­gen­den Fens­ter tre­tend, die wei­ßen Ge­höf­te ei­nes Kirch­dorfs, die wie In­seln aus ei­nem Meer gol­den wo­gen­der Äcker rag­ten; das Him­mels­ge­wöl­be stand rund wie eine tö­nen­de, kris­tal­le­ne Glo­cke über dem ebe­nen Hoch­land. »Der Bo­den ist stei­nig«, sag­te Ma­xi­mi­li­an, »Obst und Wein trägt er nicht, aber Brot ge­nug in Frie­dens­zei­ten.« Das könn­te ihn die Pfalz leicht kos­ten, be­merk­te Fer­di­nand, ohne Krieg wür­de es da­bei nicht ab­ge­hen. »Der Krieg soll vie­le Län­der der an­de­ren fres­sen, ehe er an mei­nes kommt«, sag­te Ma­xi­mi­li­an stolz; »dar­auf­hin wag ich es.« Recht habe er, sag­te Fer­di­nand la­chend, wäh­rend sie sich zu ei­nem Trunk Bier wie­der in die Ni­sche setz­ten; den All­zu­be­denk­li­chen ge­ra­te nichts. Es möge im­mer­hin rings­um ein we­nig kra­chen, in die­sen Flu­ren wür­den Reb­hüh­ner und Ha­sen nicht aus­ge­hen noch ih­nen die Lust, sie zu ja­gen. Sie hät­ten ein gu­tes Ge­wis­sen und woll­ten sich den fro­hen Tag nicht durch Sor­gen um die Zu­kunft ver­gäl­len.

Nach­dem die bei­den Fürs­ten in der Haupt­sa­che ei­nig ge­wor­den wa­ren, setz­ten die Räte einen Ver­trag auf, in wel­chem der Han­del mit Ober­ös­ter­reich, der Pfalz und der Kur­wür­de ein­zeln fest­ge­setzt wur­de, nicht ohne ge­gen­sei­ti­ge Ver­pflich­tung, die äu­ßers­te Heim­lich­keit dar­über zu be­wah­ren.

Der Dreißigjährige Krieg

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