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ОглавлениеWährend der junge Kurfürst von der Pfalz in seine Frau noch immer sehr verliebt war, erregte sie oft den Unwillen seiner Räte und Geistlichen durch ihr undeutsches und unbedachtsames Betragen. Sie bediente sich nur der französischen Sprache, zeigte auch keine Lust, das Deutsche zu lernen, was vielen, trotz der Vorliebe für französisches Wesen, einer deutschen Fürstin doch nicht ganz anständig schien. In der Bibel wollte sie nicht lesen, denn die kenne sie nun, begnügte sich auch nicht mit Virgil oder Horaz, sondern unterhielt sich mit französischen Romanen. Besonderen Anstoß erregte es, dass sie einmal während des Gottesdienstes spazieren gefahren war, ja man erzählte sich, sie habe einmal, als ihr der Finger geblutet habe, einen Wachsfinger in eine katholische Kirche geopfert, um zu versuchen, ob es helfe. Der Kurfürst ermannte sich nicht dazu, ihr deswegen Vorhalte zu machen, ja er ließ sich selbst, vorzüglich auf Reisen, mancherlei Mutwillen und Exzeß entschlüpfen. Als er bei Gelegenheit eines Unionstages in Nürnberg war, nahm er mit der Kurfürstin an einer Geschlechterhochzeit teil, und da er beim Dunkelwerden gerade mit der Braut tanzte, sagte er ihr, sie wollten miteinander um die Kirche tanzen, das sei pfälzische Sitte, und führte sie wirklich tanzend um die Lorenzkirche herum, nicht ohne einige Eifersucht des Bräutigams und der Kurfürstin.
In Nürnberg befand sich damals in einer angesehenen Familie ein weißer singender Fink, der als eine Rarität in der Stadt berühmt war, und da Elisabeth neugierig war, ihn zu sehen, und ihn zu besitzen wünschte, erhandelte ihn Friedrich. Sie wurde seiner bald überdrüssig, er hingegen brachte viele Stunden damit zu, ihn zu necken oder ihn pfeifen zu lassen, trug ihn auf der Hand oder Schulter mit sich herum und war untröstlich, als er starb. Sein Zimmer sei ihm ohne den Vogel verödet, sagte er, es sei ihm recht, wenn es nach Prag ginge, damit er eine andere Welt sähe.
Seine Mutter tadelte ihn, er könne wohl einen anderen Vogel bekommen, nicht aber ein anderes Fürstentum, wenn er das seine verließe.
Er bekomme ja im Gegenteil ein neues, meinte Friedrich, und als verlautete, der Herzog von Savoyen gehe ernstlich damit um, die böhmische Wahl anzunehmen, kam es ihm vor, als habe er sich etwas Kostbares aus der Hand gehen lassen. Der Herzog von Savoyen hatte ein ansehnliches Projekt über die österreichischen Erblande, die nach erfolgter Abschaffung der Habsburger verteilt werden sollten, und zwar so, dass das Elsaß und die österreichischen Vorlande, nämlich der Breisgau, an Pfalz kämen; aber während die pfälzischen Räte diesen Zuwachs viel wünschenswerter fanden als das entlegene Böhmen, verdross Friedrich das Anerbieten, das doch nur eine Lockspeise sei, um ihn von dem weit wichtigeren Böhmen abzulenken. Er wollte, dass die Böhmen vor dem unzuverlässigen, falschen und aufschneiderischen Savoyer gewarnt und ihnen hingegen die Vorzüge der pfälzischen Wahl eindringlich vorgestellt würden.
Er und Elisabeth ließen sich oft von Anhalt die Herrlichkeiten Prags schildern, namentlich was er von der berühmten Kunstkammer Kaiser Rudolfs, seinen Kleinodien und Juwelen gehört und gesehen hatte. Dazu drängen, sagten sie beide, wollten sie sich nicht; aber wenn die Wahl Friedrich träfe, wollten sie es als einen Fingerzeig Gottes ansehen und ihm folgen.
Die verwandten und verbündeten Fürsten, bei denen unter der Hand angefragt wurde, rieten ab und warnten, sogar Moritz von Hessen, welcher als einziger für die Annahme der böhmischen Krone stimmte, sprach sich nachdrücklich dahin aus, es könne nur geschehen, bevor Ferdinand von Österreich Kaiser sei, Friedrich müsse also zunächst dazutun, dass die Kaiserwahl verschoben werde oder, falls dies nicht möglich sei, dass Ferdinand nicht gewählt werde. Der Augenblick, sich der Habsburger zu entledigen, sei jetzt da, nie würde er vielleicht wiederkehren, die ihn jetzt nicht benützten, würden die Folgen zu tragen haben.
Unterdessen tat auch Ferdinand das Seinige, um zum Ziele zu kommen. Sowie Matthias im März, mitten aus den vergeblichen Versöhnungsversuchen mit den Böhmen heraus, gestorben war, schickte er einen seiner vertrautesten Diener, den Liechtenstein, nach Bayern und an die geistlichen Höfe, um für ihn zu werben. Der Gesandte führte eine Schrift mit, in der Ferdinands besondere Tauglichkeit zu einem römischen König und deutschen Kaiser auseinandergesetzt war, wie er nämlich vor allen anderen Fürsten mit den Tugenden der Sanftmütigkeit, Aufrichtigkeit, Holdseligkeit, Ehrbarkeit, Arbeitsamkeit, Erfahrenheit in Sprachen, Dexterität in Ratschlägen, Fazilität in Audienzen und vielen anderen ausgestattet sei. Dazu kamen mündliche Versprechungen, welche namentlich auf den Erzbischof von Trier, Lothar von Metternich, und seinen Familienanhang großen Eindruck machten, sodass dieser Fürst mit allem Nachdruck für die habsburgische Wahl eintrat. Viel schwieriger war es für Ferdinand, den Vetter von Bayern auf seine Seite zu bringen, der sogar, wenn er wollte, als ein Nebenbuhler und Mitbewerber auftreten konnte; denn diesem konnte er nicht, wie dem Metternich, ein halbes Hunderttausend Gulden oder ein Gütlein anbieten, sondern musste um vieles tiefer in die Tasche greifen, die noch dazu leer war. Mit einem guten Einfall trug sich Ferdinand schon seit längerer Zeit: dass er nämlich das schöne, einträgliche Land Oberösterreich an Maximilian, der schon ein Auge darauf geworfen hatte, verpfänden könne, indem er sich damit zugleich, da es wegen der Religion in vollem Aufruhr war, einer Sorge und Arbeit entledigte. Wenn er dann später mit Maximilians Hilfe Kaiser geworden wäre und Böhmen wieder unterworfen hätte, würde es ihm nicht an Mitteln fehlen, das Pfand wieder einzulösen, indem die Konfiskationen der Rebellengüter seine Kasse reichlich füllen würden. Dies Projekt musste allerdings in großer Heimlichkeit betrieben werden, denn die oberösterreichischen Stände, die nichts von der bayrischen Herrschaft wissen wollten, hätten es gegen ihn ausnützen können, wenn sie vor der Zeit davon erführen. Auf einen eigenhändigen Brief Ferdinands, in dem er Maximilian an ihre alte Freundschaft mahnte und ihn aufforderte, den Bund der Jugend neuerdings zu gegenseitigem Flor und Prosperieren zu bekräftigen, antwortete dieser, er wolle zunächst Oberösterreich als Pfand annehmen, sei auch bereit, Ferdinand in der böhmischen Sache zu helfen, wenn er sich dadurch auch Feinde im Reich machte, es müssten aber zuvor noch einige Punkte festgesetzt werden, über die er sich schriftlich nicht auslassen könne. Was die Kaiserwahl anbelange, so wolle er, Maximilian, sich ihm darin nicht in den Weg stellen.
Den in Heilbronn tagenden Abgeordneten der Union redete Pfalz zu, dass die Kaiserwahl, wenn denn schon die Habsburger in diesem Turnier wieder siegen sollten, wenigstens verschoben werden sollte, damit das Vikariat länger dauerte und der böhmische Streit vorher zur Entscheidung käme. Indessen namentlich die Städte äußerten sich dahin, dass sie eine längere Vakanz nicht gern sähen und dass, wenn denn an einen evangelischen Freier für die Krone nicht zu denken wäre, das Haus Habsburg sich immerhin durch die lange Gewohnheit empföhle. Auch eine Unterstützung von Kurpfalz in der böhmischen Sache lehnten die Städte ab, weil sie sich in die Fürstenhändel nicht mischen wollten, bei denen sie doch nur um das Ihrige kämen. Bei diesem üblen Stande der Dinge wurde durch den Herzog von Zweibrücken, dessen Bruder im Dienste des schwedischen Königs stand, auf diesen als auf einen heroischen jungen Fürsten hingewiesen, der, wenn er in den Bund einträte, wohl in der Lage wäre, die evangelische Sache tüchtig zu sekundieren. Derselbe habe im Kampfe mit den Moskowitern und Polen ausnehmenden Kriegsverstand und Tapferkeit gezeigt, dabei auch jene Mäßigung an den Tag gelegt, die die Größe des wahren Staatsmannes ausmache. Er, der Herzog, habe kürzlich in einem Flugblatt gelesen, wie eine Weissagung des berühmten kaiserlichen Astronomen Tycho de Brahe, die derselbe beim Erscheinen des Kometen im Jahre 1572 von sich gegeben habe, auf den König Gustav Adolf bezogen werde, dass nämlich, um die in jenem Jahre verübten Gräuel der Bartholomäusnacht zu rächen, ein Held im Norden erscheinen und nach zweimal dreißig Jahren untergehen werde.
Des weiteren erzählte der Herzog von Zweibrücken, dass ihm soeben Bericht von einer wunderbaren Begebenheit aus Schweden gekommen sei: Der junge König habe sich mit seinem Kanzler, dem durch seine Weisheit und Gelehrsamkeit bekannten Grafen Oxenstierna, in einem königlichen Schlosse aufgehalten, als am späten Abend Feuer ausgebrochen sei und nach Art dieses höllischen Elementes rasch um sich gegriffen habe, sodass alsbald das ganze Gebäude lichterloh gebrannt habe. Die beiden Herren hätten miteinander bei der Arbeit gesessen und der König daneben auf der Laute geklimpert, sie hätten keinen unzeitigen Schrecken gespürt, sondern sich schnurstracks aus dem Fenster geschwungen, wobei der König seinem Kanzler noch hilfreich beigestanden hätte. Nachdem sie so dem Feuer entronnen wären, hätten sie noch durch den Burggraben waten müssen, der voll Schmutz und Wasser gewesen sei, sodass es ihnen fast an den Hals gestiegen wäre, und als sie drüben angekommen wären, hätte der König auf sich selbst gescholten, weil er die Laute, die er bei der Flucht unwillkürlich in der Hand behalten, über sich zu heben vergessen hätte und sie nun durch die Nässe verdorben sei. Der Kanzler hätte einen Schnupfen davongetragen, der König aber sei ganz unversehrt geblieben, worüber die Prediger in Schweden viel gepredigt hätten, und auch sein, des Herzogs von Zweibrücken, Hofprediger hätte sich fein auf der Kanzel ausgelassen, wie der protestantische Held nunmehr durch Feuer und Wasser gegangen sei, um erprobt und geläutert, gleichsam als ein Erzengel, den abgöttischen katholischen Drachen zu zertreten.
Trotz des großen Eindrucks, den diese Berichte von dem jungen Schwedenkönig machten, fehlte es nicht an Bedenken gegen ein etwaiges Bündnis: so wollten die Städte gehört haben, dass der König statt mit gutem gemünztem Gelde mit Kupfer zu zahlen pflege, weil dies schlechte Metall in den schwedischen Bergen überflüssig zu finden sei; bemerkten auch, dass Bündnisse mit auswärtigen Potentaten nach der Goldenen Bulle verboten seien und also zwiespältig und skrupulös zu unternehmen wären. Die Fürsten wollten sich darauf weniger einlassen, deuteten aber an, dass der König von Schweden zurzeit noch mit Moskowitern und Polen engagiert sei, auch mit dem König von Dänemark überquer stehen solle, mit dem man es, als mit einem schwerreichen, gewalttätigen Monarchen, der mit vielen Reichsfürsten verschwägert und selbst Reichsglied sei, nicht verderben dürfe. Inzwischen wollte man den jungen Herrn von Schweden nicht aus den Augen lassen und empfahl dem Herzog von Zweibrücken wie auch dem Landgrafen Moritz von Hessen, welche beide zu seiner Verwandtschaft gehörten, ein gutes Vernehmen mit ihm zu erhalten.
Ungehindert wurde nun die Kaiserwahl ausgeschrieben, und Ferdinand begab sich, nachdem er mit vieler Mühe und nachdrücklichen Pressuren das nötige Geld zusammengeborgt hatte, prächtig ausgerüstet nach Frankfurt. Gleichzeitig schleppte sich über die nach Frankfurt führende Landstraße ein schwerer, mit vier Pferden bespannter und von vielen Bewaffneten geleiteter Wagen, in welchem sich nebst zwei Offizieren und zwei Ratspersonen eine auf 140.000 Gulden geschätzte Krone befand. Diesen bedeutungsvollen vergoldeten Wagen zu sehen, war überall ein großes Zusammenlaufen des Volkes, und in Rotenburg, wo die Kutsche bei einbrechender Dunkelheit einzog, fiel es müßigen Leuten ein, zu ihrer festlichen Begrüßung Raketen abzubrennen, welche gerade vor den Füßen der Pferde platzten und zischend in die Luft fuhren. Die erschrockenen Tiere scheuten und bäumten sich, worüber die Kutsche auf die Seite fiel, der Schlag sich öffnete und die Krone in einen neben der Straße hinlaufenden Graben sprang, ohne dass die selbst übereinandergeworfenen Beisitzer es hindern konnten; freilich konnte dieser Vorgang nicht deutlich wahrgenommen werden, weil die Eskorte sich sofort mit gezogener Waffe zum Schutze um das so elend entblößte und ausgesäte Reichskleinod aufstellte.
Dieser Unfall wurde zwar nach Möglichkeit verschwiegen, erregte aber bei denen, die davon hörten, großes Bedenken, wie auch mehrere andere Unzuträglichkeiten, die anlässlich der Kaiserwahl vorfielen, als üble Vorzeichen gedeutet wurden. So verfuhren die Quartiermeister, welche den Kurfürsten und ihrem Gefolge Herberge anzuweisen hatten, so grob und unbedacht, dass sie eine Wöchnerin, die erst vor wenigen Stunden geboren hatte, aus ihrem Zimmer schafften, worauf sie unaufhaltsam von ihrer wehklagenden Familie hinwegstarb. Dadurch wurde der Frankfurter Pöbel noch mehr aufgereizt, der sowieso kein Herz für die Kaisersache hatte, weil bei der letzten Rebellion des Volkes gegen das Patriziat der Kaiser für dieses Partei genommen und die Empörer grausam bestraft hatte. Ferner sollte Moritz von Hessen, der sich vorgenommen hatte, die Wahl des Erzherzogs Ferdinand auf irgendeine Art zu hintertreiben, als er zur Stadt hinaus musste (denn es war Gesetz, dass alle Fremden, mit Ausnahme der Kurfürsten und ihres Gefolges, an den Tagen der Kaiserwahl das Gebiet der Stadt Frankfurt verlassen mussten), bitterböse Drohworte ausgestoßen haben; dieses Fürsten notgedrungener Abzug erregte aber nicht Teilnahme, sondern Schadenfreude des Volkes, weil er sich damals gleichfalls der Rebellion nicht angenommen hatte.
Das größte Aufsehen gab es, als am Tage nach erfolgter Wahl der Erzbischof von Trier, Lothar von Metternich, indem er aus seiner Kutsche aussteigen wollte, von einem Hunde ins Bein gebissen wurde und als ein Schwerverletzter in sein Bett getragen werden musste. Er nahm es sich umso mehr zu Herzen, als er hauptsächlich die Wahl Ferdinands betrieben und zum Effekt gebracht hatte und ihm nun dieser unverhoffte Hundebiss wie ein strafendes Gotteszeichen vorkommen wollte, weil er etwa um persönlichen Vorteils willen das Wohl des geliebten Vaterlandes zurückgestellt hätte. Dass es mit dem Hunde eine besondere Bewandtnis hatte, darauf deutete die Natur der Wunde, die nicht zuheilen wollte, wie auch, dass man den Hund mit eingezogenem Schwanze davonlaufen und nachher gar nicht mehr gesehen hatte. Einige Ärzte äußerten die Befürchtung, der Hund möchte toll gewesen sein, was die Angst und Ratlosigkeit noch vermehrte. Nach allgemeiner Aussage befand sich ein gelehrter Jude in Frankfurt, der gegen den Biss toller Hunde ein geheimes Mittel kenne, aber der Kurfürst zweifelte, ob er sich von einem solchen dürfe behandeln lassen, und bot ihm viel Geld, falls er vorher zum Christentum übertreten wollte. Der Jude antwortete höhnisch, er sei dazu bereit, wenn der Kurfürst hernach aus Dankbarkeit den jüdischen Glauben annehmen wollte, so sei auf beiden Seiten nichts gewonnen und nichts verloren; Geld habe er genug, verlange auch keine Bezahlung für die Kur, die er nur vornehmen würde wegen des Vergnügens, einen so treuen Vasallen des Kaisers gesund zu machen. Hingegen gelang es, die Frau des Juden zu bestechen, dass sie ihrem Manne an dem betreffenden Tage ein geweihtes, mit allerlei Sprüchen und Amuletten hergerichtetes Hemd anpraktizierte, in welchem er den Erzbischof ohne Schaden untersuchte, einsalbte, mit heilsamen Tropfen versah und so weit wieder herstellte, dass er nach Hause reisen konnte. Doch wurde der einst so schöne, majestätische und heitere Fürst die schwermütigen Gedanken nicht wieder los, befürchtete auch immer den Ausbruch der Hundswut und strafte sich selbst, dass er aus Sorge um sein gemeines irdisches Leben sich von einem Juden hatte kurieren lassen, der den Heiland gekreuzigt hatte.
Großes Ärgernis gab ein Mann, der in Tracht und Gebärden eines Quacksalbers während der Wahltage allerlei Gegenstände an die Meistbietenden verkaufte, worunter eine aus Blech verfertigte und mit buntem Glas verzierte Krone war; dieselbe war so nett und künstlich gemacht, auch würzte der Mann den Handel mit so gefälligen Späßen, dass er eine große Summe Geld damit erzielte. Der, welchem sie zugeschlagen wurde, band die Krone einem schäbigen Pudel auf den Kopf, der damit durch die Straßen lief, bis der Rat dem Unfug ein Ende machte, ohne aber der Schuldigen habhaft werden zu können. Der Verdacht fiel auf die in Frankfurt ansässigen Niederländer, die auch die letzte Rebellion angezettelt haben sollten, weil die reichen Bürger und Handelsleute sie wegen des Wettbewerbs und anderer Missstände nicht leiden wollten.
Der nunmehrige Kaiser Ferdinand ließ sich alles dies nicht anfechten, sondern nahm die unter so großen Schwierigkeiten erfolgte Wahl als ein Zeichen Gottes, dass er wegen anererbter und angeborener Tugenden zum Weltregiment und namentlich zur Wiederherstellung der katholischen Religion auserlesen sei und ebenso wunderbar zum Siege über die Böhmen werde geführt werden. Zunächst reiste er zu besserer Befestigung der Freundschaft und Abmachung gegenseitiger Vertragsleistung nach München, wo der Herzog den hohen Gast ehrenvoll empfing, ihm seine Residenz und Kunstschätze zeigte, sich aber in Bezug auf die Geschäfte kaltherzig zurückhielt. Als Ferdinand ihm vertraulich sagte, wenn er nur wolle, so könnten sie miteinander das Unkraut der Ketzerei ausrotten, sie beide und sein Schwager in Spanien würden gleichsam eine irdische Dreieinigkeit bilden, der sich alles unterwerfen müsse, antwortete Maximilian, die Trinität sei ein himmlisches Mysterium, auf Erden habe jeder seinen eigenen Kopf und wolle seinen eigenen Futternapf. Auch Ferdinands weitere Erinnerungen, sie zwei hätten doch von jeher nur ein Herz und Haupt gehabt, auch hätten seine Mutter und Maximilians Vater sie oft ermahnt, wie Brüder zusammenzuhalten, veranlassten ihn nur zu einer gemessenen Erklärung, er werde sich allezeit freundvetterlich und nachbarlich erweisen. Die Verpfändung von Oberösterreich betreffend, ließ er sich endlich näher heraus, sei ihm wenig mit einem aufständischen Lande gedient, das er erst mit vielen Kosten zum Gehorsam bringen und wieder abtreten müsse, wenn es ihm gerade einen Profit abwerfen würde. Wenigstens müsse er für seinen Aufwand einen gewissen Ersatz bekommen, und den könne ihm Ferdinand ja in der Weise leisten, wenn Pfalz wirklich die böhmische Krone annähme und dadurch die Acht auf sich zöge, dass er ihm den Vollzug derselben auftrüge und außerdem die pfälzische Kurwürde von der Heidelberger Linie auf ihn und seine Nachkommen übertrüge.
So hoch hatte sich Ferdinand den Preis, den Maximilian fordern würde, doch nicht vorgestellt und hielt seinen Schrecken nicht zurück; nicht nur sämtliche evangelische Reichsfürsten würden sich dawidersetzen, meinte er, sondern auch alle Kurfürsten und vielleicht sogar der Papst und Spanien, denn ein solcher Besitzwechsel würde gemeinhin von niemandem gerne gesehen.
Dagegen sagte Maximilian, wenn der Kaiser es darauf ankommen lassen wollte, Böhmen zu verlieren, so sei das seine Sache, er könne seinem Lande die Lasten eines Feldzuges nicht aufbürden, wenn er nicht einer reichlichen Entschädigung sicher sei. Wollten die Reichsfürsten sich seines Vetters von der Pfalz wirklich annehmen, so sei ja er da, um sie zur Räson zu bringen, er befürchte es aber nicht, Worte wären heutzutage billig wie Sand, Taten aber selten und kostbar wie harte Edelsteine.
Von einer Jagd zurückkehrend, saßen die beiden Vettern in einer Nische des Schlosses zu Grünwald über der Isar, die ihre milchigen Wellen stürmisch zwischen den die steilen Ufer lockig krönenden, sanft hineinrauschenden Eichenwäldern hinführte. Ferdinand lobte die ausgedehnten Forste, die reiche Jagdgelegenheit und, zu einem gegenüberliegenden Fenster tretend, die weißen Gehöfte eines Kirchdorfs, die wie Inseln aus einem Meer golden wogender Äcker ragten; das Himmelsgewölbe stand rund wie eine tönende, kristallene Glocke über dem ebenen Hochland. »Der Boden ist steinig«, sagte Maximilian, »Obst und Wein trägt er nicht, aber Brot genug in Friedenszeiten.« Das könnte ihn die Pfalz leicht kosten, bemerkte Ferdinand, ohne Krieg würde es dabei nicht abgehen. »Der Krieg soll viele Länder der anderen fressen, ehe er an meines kommt«, sagte Maximilian stolz; »daraufhin wag ich es.« Recht habe er, sagte Ferdinand lachend, während sie sich zu einem Trunk Bier wieder in die Nische setzten; den Allzubedenklichen gerate nichts. Es möge immerhin ringsum ein wenig krachen, in diesen Fluren würden Rebhühner und Hasen nicht ausgehen noch ihnen die Lust, sie zu jagen. Sie hätten ein gutes Gewissen und wollten sich den frohen Tag nicht durch Sorgen um die Zukunft vergällen.
Nachdem die beiden Fürsten in der Hauptsache einig geworden waren, setzten die Räte einen Vertrag auf, in welchem der Handel mit Oberösterreich, der Pfalz und der Kurwürde einzeln festgesetzt wurde, nicht ohne gegenseitige Verpflichtung, die äußerste Heimlichkeit darüber zu bewahren.