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Suzanne kam in die Stadt, als das Unwetter den Ort erreicht hatte und der Rattenkönig vom Rücken des Elefanten in die Dunkelheit sprang. Zusammen mit ihren Eltern besuchte sie Verwandte, die sie nicht einmal ausstehen konnte. Wir zählten vor unserem Haus die Blitze, als das fremde Auto im Regen zum Stehen kam. Ein Mann rief etwas, Leibrand rannte barfuß los. Sagte etwas, nickte, zeigte auf das Haus der Bergers. Hob seine Hand und kam wieder zurück, völlig durchnässt.

»Feuerrote Haare«, sagte Leibrand.

»Wer?«

»Das Mädchen. Das Mädchen hat feuerrote Haare«, sagte Leibrand. Es blitzte, Sekunden später Donnergrollen. Der Regen machte kalte Pfützen auf dem schlechten Asphalt.

»Kennst du sie?«, fragte ich ihn.

Leibrand sah ihnen nach, der Wagen kam zum Stehen, zwei Erwachsene und ein Kind rannten zum Haus. Einen Augenblick sah ich die roten, langen Haare.

»Leibrand? Kennst du das Mädchen?«

»Ich hab von ihr geträumt, als ich gestern Nacht im Schrank saß, weißt du«, sagte Leibrand, blickte zum Himmel, und ich sah einen Blitz niederfahren in seinen Pupillen.

Natürlich wusste ich von Leibrands Schrank. Immer wenn sein Vater zu viel getrunken hatte, und das passierte vier, fünf Mal die Woche, war der Schrank Leibrands Versteck. Während sein Vater unten in der Küche so laut schrie, dass man es noch bei uns klar und deutlich hören konnte, verschwand Leibrand in dem schweren Holzkasten und ging fort – schloss die Augen und träumte sich weg von diesem schrecklichen Ort. Wann die Sache mit dem Schrank und dem Verstecken vor dem Monstrum unten in der Küche begonnen hatte, daran konnte sich Leibrand nicht mehr erinnern.

Sein Vater hatte ihn nie gefunden, und er war nie so schlau gewesen, in dem Kleiderschrank neben Leibrands Bett nachzusehen. Vermutlich war er die meiste Zeit dafür einfach auch zu betrunken.

Natürlich wusste ich auch von den Zeichnungen in dem Schrank, ich hatte sie schließlich mit eigenen Augen gesehen. Leibrand hatte an die Rückwand Papier geklebt und angefangen, es zu bemalen. Ein riesiges Kunstwerk.

»Ich glaube, es wird eine Stadt. Häuser und so«, flüsterte Leibrand eines Tages, als wir beide in dem Schrank saßen. Er hatte immer eine Taschenlampe dabei; der Lichtkegel streifte geheimnisvoll über das Papier.

»Hohe Häuser. Gibt’s bei uns nicht«, flüsterte ich.

»Die gibt’s überall. Du musst sie nur suchen.«

Ich dachte darüber nach, und wer weiß, vielleicht hatte Leibrand sogar recht.

In der Küche knallte eine Tür zu. Sein Vater, ein stämmiger Mann mit dunklen Augen, übergab sich im Garten. Leibrand schloss seine Augen und sagte: »Willst du eine Schrankgeschichte hören? Ich hab davon geträumt, genau hier.«

Leibrand fing an zu erzählen.

Ich fand die erste Schrankgeschichte, die mir Leibrand erzählt hatte, in einem seiner Notizbücher wieder. Er muss sie um 1990 niedergeschrieben haben, als die Dinge längst nicht mehr aufzuhalten waren. Natürlich erzählte er sie mir damals ein wenig anders, als wir beide elf Jahre alt waren, das Erbrechen seines Vaters im Garten hörend. Dann wieder das Schreien und das Weinen seiner Mutter. Ich las die Geschichte an einem Herbsttag, während es draußen regnete, und erinnerte mich an damals – damals, als ich glaubte, es wäre nur eine Geschichte. Aber das stimmte nicht. Alle Menschen, über die Leibrand geschrieben hatte, gab es tatsächlich. Natürlich auch Albert Sterner; ich habe ihn selbst viele Jahre später einmal getroffen. Heute glaube ich, Leibrand hat ihre Türen geöffnet. Türen, von denen sie selbst nicht einmal wussten, dass es sie gab. Ich weiß nicht, was er tatsächlich sah, wenn er in seinem Schrank saß, aber er gab ihnen allen eine Geschichte.

Hier erzähle ich sie so, wie ich sie in einem schwarzen Notizbuch gefunden habe, denn ich denke, Leibrand hätte ein Schriftsteller werden können. Aber die Kunst kommt weit nach dem Leben, wie es heißt.

ALBERT STERNER UND DIE WARTENDEN

(Die erste Schrankgeschichte Leibrands)

Albert Sterner tanzte nicht auf ihrer Hochzeit, wenn man es so sagen möchte. Manche Leute behaupteten, Sterner sei ein ziemlich verschrobener, eigenartiger Vogel, und einige waren sogar fest davon überzeugt, dass er nicht alle Tassen im Schrank hatte. Der alte Mann hatte davon schon mehrmals gehört, aber es interessierte ihn nicht sonderlich. Der sonderbare Kauz hatte es geschafft, siebenundsechzig Jahre alt zu werden – und diese Zeit mit dem zu füllen, was er liebte. Zwei große Geschichten waren noch in seinem Kopf, zwei Bücher, die noch Seite für Seite geschrieben werden mussten. Eines für ihn, eines für den Teufel. So war der Handel. Schließlich hatte er ihn bei dem Wettrennen am Grünen See geschlagen, und es mochte schon etwas heißen, den Teufel bei einem Wettlauf hinter sich zu lassen. Vor langer Zeit, gewiss, aber für einige Dinge des Lebens ist Zeit nicht wirklich wichtig.

Mit sieben Jahren hatte Albert Sterner angefangen, in leere Flaschen Geschichten hineinzusprechen und zu hoffen, dass er sie wieder hören könnte, wenn er nur nahe genug sein Ohr daran halten würde. Mit acht Jahren ging er in die einzige Bücherei der Stadt und schrieb in einige Bücher, die ihm gefielen, einen neuen Schluss auf die letzte leere Seite. Als er neun Jahre alt war, traf er schließlich den Teufel zufällig unten am Fluss. Der Teufel war dort, um pechschwarze Steine hineinzuwerfen, Albert war dort, um einen Frosch zu fangen. Da ihm der Junge nicht glaubte, rülpste der Teufel, öffnete seinen Mund und gebar zwischen schneeweißen Zähnen eine riesige, scheußliche Kröte. Er würde den Anblick niemals wieder vergessen können, selbst wenn er die Kröte nicht ausgespien hätte. Ein sehr alter Mann mit den Händen eines Kindes. Er trug einen schwarzen Anzug mit einer schwarzen Krawatte und glänzend schwarze Schuhe, in denen sich der Junge und der Sommer spiegelten.

»Wie wär’s mit einer kleinen Wette, weil so ein schöner Tag ist, Junge?«, fragte der alte Mann und lächelte.

»Ich weiß nicht, ich finde Wetten ziemlich blöde«, antwortete Albert, und es war wirklich so. Die meisten Wetten, die er jemals mit anderen Kindern abgeschlossen hatte, waren wahrhaftig sehr blöde gewesen.

»Ein kleines Rennen. Ein alter Mann gegen einen jungen Mann. Von hier nach dort, zum Flussende, zur Gabelung.« Er deutete zum Wald, der den Grünen See in sich verschluckte.

»Ist nicht weit«, sagte Albert, legte seine Hand über die Augen und sah zum Ende der staubigen Straße, die viel mehr ein Weg als eine Straße war.

»Ich bin alt, du hast noch das ganze Leben in den Beinen. Du hast schon so gut wie gewonnen, finde ich.« Der Teufel nickte, während er sprach.

»Und wenn ich verliere?«, fragte Albert.

»Du kannst nicht verlieren, mein Junge.«

»Und wenn doch?«

»Sagen wir mal, wenn du verlierst, was ja sehr unwahrscheinlich ist, dann bekomme ich deine Beine. Natürlich erst, wenn du tot bist, versteht sich.«

»Meine Beine?«

»Ja, aber erst, wenn du tot bist, darauf gebe ich dir mein Wort.«

Albert überlegte eine ganze Weile, und obwohl er nicht im Geringsten wusste, was der Teufel mit seinen Beinen wollte, war er nicht uninteressiert an diesem Geschäft.

»Und wenn ich gewinne?«

»Such’s dir aus. Ich meine, außer Geld – so ein niedriger Wunsch würde mich sehr beschämen.«

»Zwölf Bücher«, sagte Albert.

»Ich verstehe nicht ganz.«

»Zwölf Bücher für meinen Kopf, neue Bücher. Romane, die ich schreiben kann. Ich schreibe gern«, schlug Albert vor.

»Natürlich sollen sie auch gedruckt werden, nicht wahr?«

»Natürlich«, sagte Albert, und beide nickten.

»Ein wahrlich ungewöhnlicher Wunsch, ja. Du bist nicht dumm, Junge. Nein, das bist du wohl ganz und gar nicht.«

»Und tanzen. Ich möchte tanzen können«, sagte Albert und lächelte.

»Oh, tanzen. Sicher. Ein guter Handel, das lässt sich machen.« Der Teufel ließ die restlichen schwarzen Kieselsteine in seine Jackentasche gleiten. Für einen Augenblick lang glaubte Albert, ein Stöhnen der Steine zu hören, aber vermutlich hatte er sich nur getäuscht. Eine Krähe kreischte im Waldstück hinter ihnen, während sich ihre Schatten auf dem trockenen Boden berührten.

Die Welt ging unter, der Himmel füllte sich mit zahlreichen Gewittern. Albert rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her – was in der Tat auch so war –, und er drehte sich nicht um und versuchte, nicht auf den Boden zu sehen. Hunderte von Kröten, eine scheußlicher als die andere, über die er hinwegflog, als hätte er Flügel bekommen. Hinter ihm die schweren Schritte des alten Mannes und das scheußliche Atmen, das sich anhörte, als würde er bei jedem Schritt den Namen des Jungen fluchend ausstoßen. Gierige Finger, die an seinem T-Shirt zerrten, aber es nicht zu fassen bekamen. Geister und Ungeheuer, durch die der Junge hindurchlief und die er noch Tage später auf seiner Haut riechen konnte. Visionen in seinem Kopf – er sah seine Eltern sterben und seinen einzigen Bruder, sah sich selbst als alten, gebrochenen Mann, einsam und zurückgeblieben. Aber dennoch rannte er mit den Raketenschuhen schneller als der Teufel selbst.

Die Raketenschuhe, jedenfalls hatte sein Großvater sie so genannt, waren merkwürdige Schuhe. Sie sahen wie Sonntagsschuhe aus, das Leder war aber nach all den Jahren durchgewetzt und schäbig geworden. Alberts Mutter hatte schon mehrmals versucht, sie wegzuwerfen, doch er hatte sie immer wieder aus dem Mülleimer retten können.

Sein Großvater hatte ihm die Schuhe geschenkt, als Albert sechs Jahre alt war.

»Es sind Zauberschuhe, merk dir das. Ich habe sie bei einer Wette gewonnen, mit dem Teufel, ob du es glaubst oder nicht. Als ich noch ein Kind war, kam er oft in die Stadt, um die Sterbenden zu besuchen. Wir kannten ihn alle. Aber versprich mir eines – erzähl deinen Eltern ja nicht, was ich dir gerade erzählt habe. Sie würden uns alle beide für vollkommen verrückt halten.«

Albert ging weit vor dem Teufel durch das Ziel, und als er sich umdrehte, war der Teufel nicht mehr da. Die Gewitter zogen sich über dem Jungen zusammen, und die ersten Regentropfen berührten sein Gesicht. Ein Blitz fuhr nahe in den Wald, und Albert roch verbrannte Erde.

Die Geschichten kamen in seinen Träumen. Am Anfang nur brüchige Bilder, unscharf und ausgebleicht. Im Winter seines zehnten Geburtstages wachte er eines Nachts auf und konnte sich an die Geschichte seines Traumes klar und deutlich erinnern. Es war die Geschichte des Wettrennens, doch im Traum war der Teufel noch hinter ihm, keuchend jenen Satz wiederholend, den Albert ein Leben lang nicht vergessen sollte:

Wir werden uns wiedersehen, Junge, und dann wirst du alt sein und das Rennen verlieren.

Albert war überzeugt, dass er ihm eines Tages wieder begegnen würde. Er wusste sogar ziemlich sicher, wann dieser Tag sein würde. Wenn alle Bücher geschrieben und sein Kopf leer sein würde. Wenn der Tag seines Sterbens so nahe sein würde, dass man ihn riechen konnte, wie man den Winter riechen kann, wenn man die Augen schließt und an die eigene Kindheit denkt.

In den letzten vierzig Jahren hatte Albert fünf seiner Bücher veröffentlicht, und sie hatten sich gut verkauft. Weitere fünf hatte er an Abenden und in Nächten geschrieben, überarbeitet, und sie in leere Flaschen hineingesprochen, um danach das Manuskript in seinem Küchenofen zu verbrennen. Für jedes Buch brauchte er zehn bis fünfzehn leere Weinflaschen, die nun an den Fensterbrettern und auf dem Boden seines Hauses standen. Er wusste, dass es dieses Mal funktionieren konnte. Nachts, wenn das Haus ganz still geworden war, hörte er seine eigenen Geschichten, so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. Er war glücklich – ein glücklicher alter Mann.

Als Albert die Schmerzen in seinem rechten Bein bekam, fing er gerade an, sein elftes Buch zu schreiben. Er wusste, dass das sicher nichts Gutes zu bedeuten hatte. Dabei war er seit einigen Monaten dabei, einige neue Tanzschritte zu lernen. Manchmal besuchten ihn junge Frauen, die seine Töchter hätten sein können, und tanzten mit ihm in der kleinen Küche von einem Ende zum anderen. Er mochte es sehr gerne, sie zu berühren und den Duft ihrer Haut einzuatmen. Einige von ihnen waren sehr gute Tänzerinnen, und die Küche war keine Küche mehr, sondern ein vergessener Platz in Paris. Es war die Liebe zwischen den Menschen, die nichts mit sexuellen Abenteuern zu tun hatte. Für solche Dinge war er viel zu alt und viel zu verschroben geworden, aber wenn sie seine Schultern berührten, war es, als wäre noch jeder Sommerregen für dieses Jahr offen. Sie trafen sich heimlich mit dem alten Mann, saßen bei ihm und hörten seine Geschichten. Streiften sein Leben, um die Schatten der Nacht verstehen zu können. Gingen nach Hause, um wieder das zu tun, was tun zu müssen sie für richtig hielten. Aber mit der Gewissheit in ihrem Herzen, dass es immer zwei Seiten der Straße gab. Den Mädchen schenkte er manches Mal eine seiner Flaschen, die Geschichten darin wie ein Geheimnis. Die meisten Ehemänner und Freunde verstanden von Geheimnissen nicht sonderlich viel, es interessierte sie auch einen feuchten Dreck, welche Ungeheuer der Nacht an ihre Fenster klopften, um Einlass zu erbitten. Vielleicht erst durch die Enttäuschung wurden die Mädchen zu den Verlorenen, die ihn aufsuchten, die mit ihm lachten und weinten. Die mit ihm tanzten und ihn liebten, auf eine sehr bescheidene Weise.

Albert wusste, dass er das verdammte Rauchen längst hätte aufgeben sollen. Zwei Schachteln Overstolz pro Tag ließen ihn nun zu einem humpelnden alten Mann werden, der sich an einigen Tagen nicht einmal mehr die Schuhe anziehen konnte.

In den Wochen, in denen er nicht zum Arzt ging, konnte er kaum an seinem Buch arbeiten. Kritzelte sporadisch Wörter in sein Notizbuch und genoss nur die Besucher zur späten Stunde. Las ihnen vor oder hörte ihnen einfach nur zu, während es im Haus immer dunkler wurde und nur noch vereinzelt Kerzen brannten und flackerten. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, und die ersten kalten Regenschauer erzählten vom Herbst. Albert spürte, dass sich die Dinge verändern würden. Kinder fingen an, ihn zu besuchen. Aßen mit ihm frisch gebackenen Käsekuchen, tranken Tee und diskutierten über Fahrradfahren, Blaubeerpflücken und die ganzen anderen Dinge, die so wunderbar klein sind, kaum der Rede wert, und doch so mächtig. Ein zwölfjähriger Junge brachte ihm einige Gedichte vorbei, die er geschrieben hatte. Albert brachte ihm bei, wie man Wörter in eine Flasche sprechen konnte, und vor allem, wie die Wörter auch darin blieben.

Als der Herbst begann, wurden die Schmerzen so groß, dass Albert einen Arzt kommen ließ, der ihm mitteilte, dass man das Bein, jedenfalls wie es aussah, vermutlich nicht mehr retten konnte. Man würde es amputieren müssen, vielleicht nur bis zum Knie, vielleicht ganz. Natürlich konnte Albert dem Arzt nicht sagen, dass es unmöglich sei, auf einem Bein den Teufel in einem letzten Rennen zu schlagen. Dachte an den Schriftsteller Cornell Woolrich, dem man die Beine abnehmen wollte, und der sich in einem Hotel versteckte, aus Angst vor der Operation. Jetzt war er ein wirklich sehr alter Mann geworden, krank und dem Tod näher als je zuvor, auch wenn sein Herz das eines Kindes war. Aufbegehrend gegen Frühzubettgehen, den Unsinn, keine Schokolade essen zu dürfen oder immer wissen zu müssen, was aus einem werden sollte.

Der Regen kam, und mit dem Regen die dunkleren Traumepisoden.

Je kälter der Herbst wurde, desto öfter verbrachte Albert die Tage im Bett; den alten Plattenspieler in der Nähe, und immer, wenn Besuch hereintrat, wurden die Schallplatten gewechselt. Das Fieber kam wie ein Vampir. Leute, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, betraten sein Haus und setzten sich auf den Stuhl an seinem Bett. Manche von ihnen sagten kein Wort, aber das ist oft auch nicht sonderlich wichtig. Zündeten ihm eine Zigarette an und ließen ihn daran ziehen. Sprachen von seinen Büchern und den Geschichten darin oder sahen sich nur die Fotografien an, die an den Wänden hingen. Manches Mal wenden sich die Dinge erst am Schluss zum Besseren, und manches Mal verschwindet erst am Schluss die Einsamkeit eines Menschen. Vielleicht muss im Leben erst ein Sturm zeigen, wie gut es ist, in Sicherheit zu sein, und wie wertvoll es ist, jeden Tag seine eigene Zeit neu zu bemessen. Erst das Sterben zeigt einem, wie kläglich der Versuch ist, erwachsen zu sein.

Albert Sterner starb an einem vierten Oktober nach Mitternacht. An seinem Bett saßen die Mädchen, mit denen er getanzt und denen er gezeigt hatte, jemanden zu lieben, wie man einen Bruder oder eine Schwester liebt. Denen er die Angst genommen hat vor den nächsten Stunden und Tagen, denen er gezeigt hatte, wie es ist, ohne Flugapparat und Flügel zu fliegen. Sein elftes Buch wurde während der nächsten drei Jahre zu Ende geschrieben; Brenner und die Hoffnung, so hieß es. Beinahe jeden Tag kamen Menschen in Alberts Haus, setzten sich auf einen seiner Stühle und schrieben dort weiter, wo er selbst aufgehört hatte, zu schreiben. Sein zwölftes Buch wurde mit ihm in seinem Garten vergraben, hieß es. Der Teufel hatte Alberts Beine nicht bekommen, das letzte Rennen hatte nie stattgefunden. Aus seinem Haus kann man, viele Jahre nach seinem Tod, immer noch die leise Musik von Charlie Parker und Glenn Miller hören, und manches Mal sogar Alberts Stimme aus den Flaschen.

Sie nennen ihn heute Wonderboy, und auf seinem Grab stehen leere Flaschen, als wollten sie noch eine Geschichte hören.

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