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ОглавлениеAm Sonntagmorgen war der Jahrmarkt verschwunden. Vergessene Stahlheringe, wie eigenartige Blumen aus einer anderen Welt, die in der Erde wuchsen. Die Ratten waren mit ihm weitergezogen, wie es schien. Wir sahen keine einzige mehr, den Rattenkönig fanden wir allerdings einige Tage später tot in einem Bachlauf treibend. Etwas oder jemand hatte ihm den Kopf abgebissen.
Der tote Schausteller lag immer noch in der Leichenhalle, in einem billigen Sarg, und wartete. Es gab viele Geschichten über seinen Tod, niemand konnte sich einig werden, ob er erschlagen worden war oder ihn ein Blitz getroffen hatte.
Verbrannt über Nacht waren die giftgrünen Augenzettel an jeder Ecke, stattdessen hingen jetzt überall Bilder von Mathilda. Für einige Stunden dachten alle, das Mädchen sei einfach nur ausgerissen, hätte zu viel Geld auf dem Jahrmarkt ausgegeben und traue sich nicht mehr nach Hause. Doch Mathilda kam nicht wieder. Ein Loch im Boden hatte sie zum Mittelpunkt der Welt hin verschluckt. Kein Mensch hatte sie danach mehr gesehen.
Natürlich dachten viele hier, dass die Leute vom Jahrmarkt etwas damit zu tun haben mussten. Gestohlen und in einem der Holzwagen versteckt, unter den Brettern, den Mund verklebt, damit sie nicht schreien konnte. Gaukler und Reisende in diesem Gewerbe fraßen kleine Kinder, wenn sie Hunger hatten nach Leben. Aus den Töpfen über dem großen Feuer hatten sie vermutlich längst ihr Herz gegessen, tausend Flüche murmelnd.
Aber selbst, als am Samstag der Jahrmarkt geschlossen blieb und alle Buden, Wagen und Fahrzeuge von der Polizei durchsucht worden waren, blieb Mathilda inmitten der Welt verloren.
Das Schlimmste war geschehen, ein Kind nicht mehr nach Hause gekommen.
Berender blickte aus dem Fenster seines Zimmers. Er hörte die Kirchenglocken läuten für das Mädchen.
Hier gab es viele Geheimnisse, dunkle und helle zugleich.
Leibrand war eines davon.