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VII. In dubio pro reo

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Der strafverfahrensrechtliche Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ ist weder in der Strafprozessordnung noch im Grundgesetz ausdrücklich niedergelegt. Obwohl das Bundesverfassungsgericht diesen Grundsatz seinen Entscheidungen zugrunde legt, hat es dessen verfassungsrechtlichen Rang bislang offengelassen.[584] Da das Prinzip in dubio pro reo letztlich aus einem Zusammentreffen von materiellem Schuldgrundsatz und prozeduraler Unschuldsvermutung folgt und diese beiden Grundsätze jeweils Verfassungsrang genießen, liegt es freilich nahe, auch dem in dubio-Grundsatz gewohnheitsrechtlichen Verfassungsrang zuzusprechen.[585] In der Sache ist der Grundsatz allerdings eng auszulegen. So ist er nicht schon dann verletzt, wenn der Richter hätte zweifeln müssen, sondern nur dann, wenn er verurteilt, obgleich er tatsächlich zweifelt.[586] Eine fehlerhafte Beweisaufnahme oder -würdigung verletzt deshalb nur dann spezifisches Verfassungsrecht, wenn sich das Gericht von rechtsstaatlichen Grundsätzen so weit entfernt hat, dass der rationale Charakter der Entscheidung verlorengeht und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehende Strafe sein kann. Der Zweifelssatz bezieht sich außerdem nicht auf einzelne Beweiselemente, sondern erst auf die abschließende Gewinnung der Überzeugung aufgrund der gesamten Beweissituation; er ist also keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel.[587] Allerdings können bestimmte Geheimhaltungsinteressen der Exekutive im Strafverfahren durchaus in dubio pro reo wirken.[588]

1. Abschnitt: Das Strafrecht im Gefüge der Gesamtrechtsordnung§ 2 Verfassungsrechtliche Vorgaben für das Strafrecht › E. „Strafverfassungsrecht“ und verfassungsgerichtliche Kontrolle einfachgesetzlicher Gewährleistungen

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