Читать книгу Zweimal Morden lohnt sich - Robert Helm - Страница 13

Оглавление

9. Kapitel

Montag, 20. April 2009, Mailand

Rudolph steuerte seinen Panamera in eine private Tiefgarage. Er hatte einen Stellplatz vorgebucht. Dann ging er über ein tristes Treppenhaus nach oben Richtung Dom. Immer wieder beeindruckte ihn die majestätische Erscheinung dieser gewaltigen gotischen Kirche. Der große Vorplatz bot eine atemberaubende Bühne dafür. Die Mauern bestanden aus weißen Marmorblöcken. Zweitausend Skulpturen zierten die imposante Fassade. Doch in das Innere der wuchtigen Kirche zog es ihn nicht. Er hatte Emma jedoch versprechen müssen, dass er eine Kerze anzünden würde zum Gedenken an den verstorbenen Schwiegervater. Er reihte sich in die lange Schlange der Wartenden ein. Seine Frau hatte ihm abgenötigt auch ein Selfie mit Gedenkkerze zu schießen. Also wartete er geduldig bis er Einlass bekam. Überall Touristen. Die mächtige fünfschiffige Anlage mit über fünfzig Stützpfeilern wirkte im Dämmerlicht furchteinflößend. Nach längerem Suchen fand er die Gedenkkerzen, zündete eine an und schoss das Foto. Es war ihm peinlich. Lediglich sein Weigern die Kerze zu bezahlen, besänftigte ihn etwas. Zügig verließ er das Gotteshaus.

Er bog ab in die Galleria Vittorio Emanuele. Die mit Stahl und Glas überdachte Einkaufspassage war das Zentrum kulinarischer Köstlichkeiten. Er war zu angespannt, um seine Umgebung genießen zu können, obwohl er sich im Mittelpunkt italienischer Gaumenfreuden bewegte. Auch passierte er achtlos die Mailänder Scala, um fünf Minuten später das Grand Hotel zu erreichen. Er atmete tief durch und hoffte, dass Vitus seine Hausaufgaben gemacht hatte.

Er ließ sich an der Rezeption als Dr. Faustus melden und wurde nach oben gebeten, dritter Stock letzte Tür. Vitus öffnete sofort nach dem ersten Klingelton. Sie umarmten sich herzlich. Vitus konnte aber seine Anspannung nicht ganz verbergen. Auch er wusste um die Bedeutung dieses Treffens. Obwohl es erst auf Mittag zuging, genehmigte sich der Gastgeber bereits ein Glas hervorragenden Malt Whiskey. Auch er sagte nicht nein zu einem Glas exzellenten Champagner und nippte kurz.

„Geht es dir gut?“

„In Mailand fühle ich mich immer wohl. Ein wahrhaftes Einkaufsdorado. Ich liebe diese Stadt sehr.“

Rudolph nickte und dachte, dann sind ja die Grundlagen gelegt für den zweiten großen Schritt unseres Vorhabens. Er sagte mit ausgebreiteten Armen: „Ich beglückwünsche uns noch einmal zum neuen Familienstand. Das lief besser und schneller als ich es gedacht hätte. Ich bin stolz auf uns.“

„Mir hatte ich diese Aufgabe von Anfang an zugetraut, aber dass du Erfolg haben würdest, hätte ich nicht erwartet. Zumal mit diesem eigenwilligen Auswahlprozess.“

Rudolf nahm gelassen das unverschämte Grinsen seines Partners hin. Er brauchte ihn in einer guten psychischen Verfassung, damit er die Besprechung mit den tödlichen Abmachungen zum Erfolg führen konnte.

„Kann es sein, dass du mich unterschätzt?“

„Vielleicht habe ich wirklich keine Ahnung was sich hinter deiner breiten Stirn verbirgt. Ein Teufel? Ein charismatischer Beelzebub?

„Das weiß ich selbst nicht.“, antwortete Rudolph. Jedenfalls ein Teufel mit Mathematikkenntnissen und Macht- und Kontrollgelüsten, wie geschaffen für das Computerzeitalter. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

„Lass uns mit dem Vorspiel aufhören und die Aufführung des zweiten Aktes besprechen. Ich bin sehr neugierig auf deinen Vorschlag, wie dein endgültiger Familienstand erreicht werden soll.

„Caroline ist eine fanatische Mountainbikerin, sie fährt gerne im Gebirge. Sie hat sich einer Gruppe angeschlossen, die sich die Black Mountainbiker nennen. Sie suchen sich schwierige Strecken aus, die definitiv nicht für diese Sportart vorgesehen sind. Ja, sie sind eigentlich verboten. Aber dies erhöht nur den Reiz für diese Verrückten. Insbesondere wenn sie Nachtfahrten unternehmen.“

„Klingt gut.“

„In zwei Wochen will sie eine neue gefährliche Strecke allein ausprobieren. Erst am Tag und dann schließlich auch nachts. Ich habe dir die Fotokopien ihrer Aufzeichnungen mitgebracht. Da sind mehrere gut geeignete Stellen, um sie mit einem kräftigen Schubser talwärts zu befördern.“

„Klingt immer besser.“

Rudolph fragte sich, ob er seinen Freund unterschätzt hatte. Sein Vorschlag barg wirklich exzellentes Realisierungspotential.

„Bevor wir die Details besprechen, sag mir doch, was dir für mich eingefallen ist. Ich bin sehr gespannt. Fast ein wenig aufgeregt. Also sag es schon. Wie soll ich Schicksal spielen?“, fragte Vitus mit offensichtlicher innerer Anspannung.

„Du wirst mit dem Feuer spielen.“ Er machte eine Kunstpause.

„Ich bin kein Pyrotechniker.“

„Ich dachte eher an einen Feuerschlucker.“, erwiderte er und lächelte mit breitem Mund und blitzenden zusammengekniffenen Augen.

Er spürte, wie sich Vitus‘ anfängliche Verwirrung auflöste. Er schien wirklich in belastbarer Verfassung.

„Nein, es genügt ein kleines Feuerwerk. Du erstehst einen Satz hochwertiger bengalischer Fackeln oder Blitz-Türme. Emma ist eine passionierte Reiterin und Pferdeversteherin. Im Augenblick kümmert sie sich um einen Hengst, der beinahe Opfer eines Stallbrandes geworden wäre. Sie unternimmt aus therapeutischen Gründen zweimal in der Woche einen Ausritt mit dem verängstigten Tier, um es wieder an die Normalität zu gewöhnen. Und es gibt eine wunderschöne, schlecht einsehbare Stelle, wenn das Pferd dort in Panik ausbricht, ist das eine tödliche Falle für die Reiterin. Schon nächste Woche will sie Ausritte ohne Scheuklappen unternehmen.“

Rudolph sah förmlich am Gesichtsausdruck und an Vitus‘ Körpersprache, wie er überlegte, ob er sich das zutraute. „Du musst niemand anfassen und in den Tod stoßen, wie du das von mir verlangst.“

Der Angesprochene schenkte sich ein zweites Glas Whiskey ein und sprach sich Mut zu: “Eigentlich ist ja der verdammte Gaul schuld.“

Rudolf beobachtete ihn genau. Er wusste, sein Freund hatte nicht seine Kaltblütigkeit, aber Sinn für Inszenierungen und finanziell stand ihm das Wasser bis zum Hals. Schließlich nickte Vitus.

„Ich mach es.“

Rudolph schaute Vitus tief in die Augen. „Ich will noch einmal eine wichtige Sache ansprechen. Es gibt kein Zurück, insbesondere nicht nach dem ersten Unfalleinsatz. Das ist unbedingt notwendig, nicht nur hinreichend.“ Und sofort ärgerte er sich. Mit dieser Formulierung sprach der Mathematiker aus ihm. Er unternahm einen zweiten Versuch. „Wir müssen uns aufeinander verlassen können. Ein Abspringen oder Hintergehen gibt es nicht.“

„Versteht sich.“

„Dann lass uns losen, wer beginnt. Das Schicksal soll entscheiden. Wer verliert, beginnt.“

Vitus verschwand in der Küche unter dem Vorwand sich etwas zum Trinken zu besorgen. Er kehrte nach einer Minute zurück und holte einen fünfzig Euroschein aus der Brieftasche, glättete ihn sorgfältig und schrieb auf die eine Seite Rudolf und auf die andere Seite Vitus. Nachdem er auf seinen Stuhl gestiegen war, gestikulierte er theatralisch mit seiner freien rechten Hand und sagte: „Das Schicksal entscheidet! Wessen Name zu lesen sein wird, macht den Anfang. Wer nicht einverstanden mit diesem Procedere, möge sich jetzt äußern. Wer einverstanden ist auch.“

„Einverstanden.“ Fünfzig Prozent waren eine gute Wahrscheinlichkeit. Vitus warf den Schein in die Höhe. Er segelte unruhig dem Parkettboden entgegen, um so zum Liegen zu kommen, dass sein Name deutlich zu lesen war. Rudolph atmete auf. Diese Reihenfolge war ihm mit Abstand lieber. Er würde seine Aufgabe als zweiter mit Sicherheit durchziehen. Bei Vitus wäre er sich nicht so sicher gewesen. Auch Vitus schien über die Reihenfolge erleichtert zu sein. Sie vereinbarten, sich nächste Woche über ihren sicheren Internetzugang auszutauschen, was die Einzelheiten der Durchführung und die Termine betraf.

Zweimal Morden lohnt sich

Подняться наверх