Читать книгу Zweimal Morden lohnt sich - Robert Helm - Страница 7

Оглавление

3. Kapitel

Sonntag, 12. Oktober 2008, München

Blecher saß in seiner Eigentumswohnung in Bogenhausen in einer der schönsten Straßen, nach dem Maler Holbein benannt. Ein Altbau aus der vorletzten Jahrhundertwende bestehend aus fünf Zimmern auf hundertfünfzig Quadratmeter verteilt. Mäanderbänder aus Stuck als verspielte Wandabschlüsse in knapp vier Meter Höhe und Stuckrosetten an der Deckenmitte, die die modernen Zimmerleuchten einrahmten. Breite wuchtige Dielen, die ihre Risse und Astanteile als Alterswürde trugen. Er hatte sich ein Bibliothekszimmer eingerichtet und hier saß er mit allen fünf Bänden der Ripley Romane. Tom war ein böser gesellschaftsfähiger Bube, den eine geniale Schriftstellerin zum Leben erweckt hatte. Das Lesezimmer ließ sich in ein veritables Heimkino umwandeln. Die Leinwand maß zwei mal drei Meter. Zwei seiner absoluten Lieblingsfilme hatte er angeschaut. Nur die Sonne war der Zeuge mit Alain Delon als Tom Ripley und Der talentierte Mr. Ripley mit Matt Damon als sympathischem Bösewicht. Diese beiden Schauspieler waren sein Vorbild. Im Grunde glaubte er, dass er den beiden Männern in ihrer Virilität und ihrem Charme durchaus ebenbürtig war.

Tom wurde in Ripleys Game von John Malkovich verkörpert. Mit ihm konnte und wollte er sich nicht identifizieren. Da sah er Rudolf eher als fleischgewordene Verkörperung.

Neben dieser Stimulierung, um Rudolfs Idee als durchführbar zu akzeptieren, traf ihn noch ein anderer Gedanke mit Wucht, der ihn weiterbringen sollte zu seinem Entschluss, der Idee seines seltsamen Freundes zu folgen.

Er hatte noch eine Rechnung offen mit Caroline Falkenberger. Sie war im Internat eine Mitschülerin gewesen. Das Mädchen in der Klasse, von der neunzig Prozent der pubertierenden männlichen Mitschüler träumten und einer es wagte, es ihr zu sagen. Er bedauerte zutiefst, den Mut dazu gehabt zu haben. Jahre später hätte man von einem Shitstorm gesprochen. Sie erzählte jedem, dass ein kleiner Romantiker um sie werben würde mit peinlichen Liebesbriefen und kleinen Geschenken. Eines Tages lagen alle seine Liebesbriefe und Geschenke vor der Haupttreppe zu den Klassenzimmern mit einem Schild versehen: Flohmarkt - jedes Angebot ein Euro. In einer Pappschachtel lagen schon drei Euros. Er wechselte das Internat, und Caroline bekam einen strengen Verweis. Ihre Eltern sorgten dafür, dass dieser annulliert wurde.

Caroline war eine erfolgreiche Hedgefonds-Managerin geworden und ließ sich ausgiebig in der Fachpresse und in Internetforen feiern, dass sie die Krise an den Finanzmärkten hatte kommen sehen und ihre Fonds dementsprechend bestückte, damit sie bei fallenden Kursen schnell an Wert zulegen konnten. Ihre kühne Strategie ging auf, ihre Kunden hatten viel Geld verdient und sie am meisten. Letzte Woche wurde sie zur Königin der Finanzbranche ausgerufen, da sie auch den historischen Verlust von mehr als zwanzig Prozent mit kräftigen Gewinnen überstanden hatte. Ihr attraktives Aussehen hatte durch ihren Erfolg nicht gelitten, hatte sich aber gewandelt. Die Endzwanzigerin bevorzugte nicht mehr blond, sondern braun als Haarfarbe und eine Kurzhaarfrisur. Früher trug sie mehr als schulterlanges Haar. Rock oder Kleid mussten dem dezenten Hosenanzug weichen. Geschminkt war sie fast gar nicht. Lediglich die blauen Augen betonten ein dünn aufgetragener schwarzer Lidstrich. Und sie schien viel Sport zu treiben. Sie wirkte durchtrainierter und kräftiger als früher. Blecher tippte auf täglichen Besuch im Fitnessstudio.

Diese Beobachtungen und Überlegungen machte er als interessierter Besucher einer Buchpräsentation am Abend. Die junge Autorin war anwesend. Caroline Falkenberger schien über einen reichen Fundus an Talenten zu verfügen. Sie präsentierte professionell mit der Botschaft: Wer an diesen schwierigen Märkten Geld verdienen wollte, der bräuchte nur den Erkenntnissen ihres Finanzbuches folgen. Am Ende der Präsentation bildete sich eine lange Schlange von Autogrammjägern, denen sich Blecher anschloss, nachdem er ein Exemplar des Buches erworben hatte.

Nur noch ein älterer Herr war vor ihm, der schüchtern um eine Widmung bat, die dann doch sehr länglich und persönlich ausfiel. Mit einem glücklichen Gesichtsausdruck und schwebendem Gang verließ der Herr die Schlange, und Blecher war an der Reihe.

„Auch eine Widmung?“, fragte die Buchautorin ohne aufzuschauen.

„Aber ja, schreib doch: Ich bitte um Verzeihung.“

Verwirrt und mit einem Anflug von Ärger im Gesicht schaute Caroline Falkenberger hoch und erkannte den ehemaligen gedemütigten Mitschüler. Er strahlte sie offen an und vertraute ganz auf seine mittlerweile gefestigte Wirkung auf Frauen.

„Du lieber Himmel“, stieß sie hervor und wurde rot, was ihr sichtlich unangenehm war. Sie holte tief Luft, dann nahm sie den Füller in die Hand und schrieb: „Lieber Vitus, ich bitte um Verzeihung für meine mit Abstand schlimmste Jugendsünde. Deine Caroline.“

Sie händigte ihm mit einem verlegenen Lächeln das Buch aus, Blecher reagierte mit einem spitzbübischen Lächeln. Seine Grübchen wurden tief und tiefer.

„Ich bin bald fertig. Wartest du auf mich für einen Kaffee?“

„Stets zu Diensten. Ich warte in der Bücherecke christlicher Vergebungsliteratur.“ Sie stutzte erst, dann schmunzelte sie unsicher.

„War ein Scherz. Gegenüber ist ein nettes Café. Dort warte ich.“

Nach einer halben Stunde tauchte Caroline Falkenberger auf. Befriedigt stellte Blecher fest, dass sie einen kleinen aber auffälligen kosmetischen Update vorgenommen hatte.

„Was für eine nette Überraschung. Ich hätte nicht erwartet, dass du immer noch zu meinen Fans gehörst.“ Sie wurde erneut rot und murmelte: “Das war jetzt unbeabsichtigt und nicht wirklich nett von mir.“

Blecher wunderte sich, wie gut er seine Wut kontrollieren konnte. Er wirkte selbst für einen aufmerksamen Betrachter ruhig und freundlich. Sie tauschten sich über ihren beruflichen Werdegang aus, wobei Frau Falkenberger erstaunlich zurückhaltend war und der freigestellte Consultant etwas dicker auftrug, als es insbesondere seiner aktuellen Situation entsprach. Sie kamen auf ihre schönen Altbauwohnungen zu sprechen und stellten fest, dass sie fast Nachbarn waren. Er war am Ziel, als sie ein Abendessen für den übernächsten Tag im Restaurant Acquarello, einen standesgemäßen Italiener in der Mühlbaurstraße, verabredeten.

Zweimal Morden lohnt sich

Подняться наверх