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Achaz von Bismarck – Die Brigg „Vesta“ sticht in Hamburg in See

Der Kapitän der „Vesta“ ließ es sich am 26. Februar 1820 nicht nehmen, seinen ehrenwerten Gästen persönlich einen herzlichen Willkommensgruß zu entbieten. Schließlich war man in den nächsten Monaten so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft, und die Ankunft in Westindien lag noch in relativ weiter Ferne. Wie würden sich die Schiffsreisenden, dieses Sammelsurium unterschiedlichster Lebensbiographien und Charaktere, miteinander arrangieren? Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass Ben Siegert eine ärztliche Ausbildung genossen hatte. Jedenfalls sollte Bismarck später eher belustigt und süffisant als ernsthaft darüber berichten.

Elbabwärts passierte die Brigg noch bei Tageshelle die Sandbänke bei Blankenese, und die Amerikafahrer ließen sich allmählich in ihre Hängematten sinken, erwachten aber am nächsten Morgen auf ihrer im Hafen von Glückstadt ruhenden Brigg. Es stellte sich nämlich heraus, dass das Schiff in der Nacht durch das junge Eis Schaden an der Böschung genommen hatte und zur Ausbesserung mehrere Tage in der dänischen Festung still liegen musste. Bismarck und seinen Mitstreitern kam dies nicht gerade ungelegen, hatten sie doch Gelegenheit, mit in Glückstadt garnisonierenden Offizieren nähere Bekanntschaft zu machen und die paar Tage „ein recht gemütliches Leben“ zu führen.31 Bismarck berichtet in seiner Autobiografie auch noch über die ereignisreichen, geradezu dramatischen Tage vor der Abkunft per Schiff:

„Noch muß ich einschalten, daß ich von Hamburg aus einen Abstecher nach Berlin machte, um nochmals vor meiner Abreise nach Amerika meine geliebte J.E. zu sehen und zugleich noch ein Abfindungsquantum von meinem Vetter in Schönhausen für Entsagung meiner Lehnsrechte in Empfang zu nehmen. Ich hatte aber die Torheit, um mich meiner Geliebten zu zeigen, in der noch unbekannten venezuelaschen (sic!) Uniform ins Theater zu gehen, worauf sogleich, wie ich später gehört, von der Polizei auf mich vigiliert4 wurde und wodurch ich wahrscheinlich Unannehmlichkeiten gehabt hätte, wenn ich am anderen Morgen nicht sehr früh nach Hamburg zurückgekehrt wäre.“32

Vorbei an Wangerooge und der ostfriesischen Insel Norderney segelten die illustren Zeitgenossen zunächst zur Isle of Wight, um dann Kurs auf die Kanarischen Inseln, genauer Funchal auf Madeira zu nehmen, wo sie einige Stunden verweilten.

Auf der Weiterfahrt in die Karibik war es bei Überquerung des Äquators üblich, alle Passagiere, die denselben noch nicht passiert hatten, einer Wassertaufe zu unterziehen, von der man sich jedoch durch ein angemessenes Trinkgeld loskaufen konnte. Wer das nicht wollte, wurde „von dem Adjutant(en) … eingeseift, mit einem großen, hölzernen Messer rasiert und alsdann in einen mit Seewasser gefüllten Kübel gesetzt und von oben bis unten begossen. Wir alle kauften uns von dieser Prozedur los, bis auf den Doktor (Ben Siegert, R.W.), der schon von Anfang der Reise an die Zielscheibe unseres Witzes gewesen war. Dieser Doktor war ein Barbier aus einem kleinen Orte in der Gegend von Halberstadt. Diesen sogenannten Doktor hatte der General, wahrscheinlich um sich ein Relief zu geben, als Regimentsarzt eingestellt; ich für meinen Teil hätte wahrlich nicht meinen Hund diesem Doktor zur Kur übergeben. Da er gänzlich von allem entblößt war, so schossen wir andern für ihn zusammen, um ihm die nötigste Wäsche und Kleidungsstücke zu beschaffen, doch muß ich zu seiner Ehre sagen, er hat sich späterhin gegen alle die, die von uns nach dem Kontinent von Amerika übergesiedelt waren, und sich in einer traurigen Lage befanden, sehr dankbar erwiesen, ja selbst sich des Generals, der dort an dem Maleditos starb, in dieser schrecklichen Krankheit auf das tätigste angenommen. Er ist der einzige von uns allen, der dort in pekuniärer Hinsicht sein Glück gemacht hat (Hervorhebung R.W.) was auf folgende Weise zuging. Eine freie Schwarze, die in einer schweren Krankheit dem Tode nahe war, nahm zuletzt ihre Zuflucht zu ihm und Gott weiß, durch welchen Zufall, sie genas. Aus Dankbarkeit heiratete sie ihn und brachte ihm ein Vermögen von 400.000 spanischen Piastern zu.“33


St. Thomas (Dänische Insel in Westindien)

In St. Thomas angekommen, traf Bismarck zwar einen Magdeburger namens Ursinus, der in den Diensten des aus Münster gebürtigen Handelsherrn und preußischen Konsuls Röttger34 stand, jedoch nicht den venezolanischen Agenten, der die versprochenen Auslagen beglichen hätte. Dieser hatte nach Heinrich Achaz „wegen Schwindelei und Betrügerei bei Nacht und Nebel St. Thomas verlassen“. Der Preuße mit dem großen Namen nahm jedenfalls später die Gelegenheit wahr, nach Martinique zu segeln, um von dort wieder europäische Gefilde anzusteuern. Klar also: Auch wenn Bismarck schon die bolivarianische Uniform trug: er betrat nie venezolanischen Boden, ganz im Unterschied zu jenem, von dem er nicht einmal seinen Hund hätte behandeln lassen wollen, also von Ben Siegert, dem „Doktor“, der sich an Bord der Wassertaufe unterzog.

4 Vigilieren: wachsam sein, fahnden, aufpassen.

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