Читать книгу Seewölfe Paket 5 - Roy Palmer - Страница 19
5.
ОглавлениеBoote lagen auf dem schmalen weißen Strandstreifen, einfache, offene Fischerboote, ausgebleicht von der Sonne. Ein Dutzend Hütten schmiegten sich in ein Halbrund aus hohen, schlanken Palmen, deren Federwipfel im leichten Wind tanzten. Netze trockneten in der Sonne, zwischen den Hütten bewegten sich die Schatten spielender Kinder.
Ben Brighton wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war mit von der Partie, weil man sich, wenn überhaupt, nur auf Spanisch mit den Indios würde verständigen können.
Neben ihm starrte Ed Carberry mit zusammengekniffenen Augen aufs Meer hinaus, wo sich die dünnen gelblichen Wolken immer höher über den Horizont schoben. Der Himmel hatte sich verändert und zeigte ein eigentümlich stählernes Blau. Opalisierende Schleier schienen über dem Wasser zu liegen. Die Männer beobachteten mißtrauisch die Entwicklung und registrierten jede noch so winzige Veränderung. Denn wenn sich das Sturmtief schneller aufbaute, als sie erwarteten, wenn das Wetter zu früh losbrach, dann konnten sie die hilflos festsitzende „Isabella“ abschreiben.
„Vorwärts“, sagte Ben Brighton.
Außer ihm und dem Profos setzten sich Ferris Tucker und Big Old Shane in Bewegung, Blacky und Batuti, Stenmark, Al Conroy, Jeff Bowie und Matt Davies. Die kräftigsten Kerle der Crew, die die mörderischen Strapazen des Urwaldmarsches am besten überstanden hatten, denn es würde keine Kleinigkeit werden, die drei benötigten Boote durch den Dschungel zurückzuschleppen.
Ben Brighton ging voran.
Er war überzeugt davon, daß die Indios sie schon vorher bemerkt hatten. Denn kaum hatten sie ihre Absicht offenbart, sich der kleinen Ansiedlung zu nähern, da verschwanden die Kinder blitzschnell in den Hütten, glitten braunhäutige Gestalten nach allen Seiten davon und legte sich eine lähmende Stille über das Fischerdorf. Irgendwo erklang ein knapper, kehliger Ruf, dann traten drei Männer langsam und zögernd aus dem Schatten.
Es waren friedliche Fischer, braune, kräftig gewachsene Männer, in deren Haltung ein natürlicher Stolz lag und deren Augen doch Furcht zeigten, die Furcht einer Rasse, die es gelernt hatte, von fremden weißen Eindringlingen nichts Gutes zu erwarten. Schweigend standen sie da.
Ben Brighton hob beide Hände zu einer Gebärde des Friedens, die überall verstanden wurde.
„Amigos – Freunde“, sagte er mit einer Geste, die die Gruppe der erschöpften, abgekämpften Männer hinter ihm einschloß.
Der älteste der drei Indios ließ den Blick über die Männer gleiten, prüfte ihre Gesichter und sah dann wieder Ben Brighton an.
„Ingles?“ fragte er nach einem langen Schweigen.
„Ingles“, bestätigte Brighton. „Engländer. Wir brauchen Boote.“
Das Gesicht des Fischers verschloß sich. Zorn und Erbitterung malten sich auf den Zügen seiner Begleiter. Sie waren es offenbar gewohnt, daß sich die weißen Männer nahmen, was sie haben wollten und nur mit Tod und Verderben bezahlten.
Ben Brighton lächelte, als er nach dem kleinen Lederbeutel in seiner Tasche griff. „Wir brauchen auch Vorräte. Ein Wasserfaß, wenn ihr es habt, vielleicht Waffen. Wir möchten diese Dinge gegen Perlen eintauschen.“
Der Fischer senkte verächtlich die Mundwinkel. „Perla de vidrio!“ Er spie die Worte förmlich aus.
„Nein“, sagte der Bootsmann ernst. „Keine Glasperlen.“ Er öffnete den Beutel und ließ ein paar von den herrlichen, sanft schimmernden Kugeln auf seine Handfläche rollen. Der Fischer starrte die Perlen an und sah dann wieder Ben Brighton in die Augen.
„Seid unsere Gäste, Ingles“, sagte er in seinem kehligen Spanisch. „Unsere Hütten sind die euren. Der Gast, der in Frieden kommt, bringt Glück in das Haus, dessen Schwelle er überschreitet.“
Ben bedankte sich und erklärte, daß sie buchstäblich keine Minute zu verlieren hätten, daß sie von den Spaniern gejagt würden, und ihre Kameraden nicht länger als unbedingt nötig warten lassen wollten. Der Fischer nickte verstehend. Auf ein paar knappe Worte in seiner Landessprache hin wurde es im Dorf wieder lebendig.
Es dauerte kaum länger als eine Viertelstunde, bis die Seewölfe alles hatten, was sie benötigten.
Die Fischer weigerten sich, eine Bezahlung anzunehmen, aber nach längerem Palaver akzeptierten sie schließlich einige Perlen als Geschenk.
Ihr Wortführer berührte mit der Hand eins der Boote, die mit Tragegriffen aus geflochtenen Seilen versehen worden waren.
„Unsere guten Wünsche sind mit euch“, sagte er leise. „Aber laßt euch warnen! Wenn ihr heute nacht aufs Meer fahrt, so achtet, daß ihr schnell zurückkehrt. Wenn die Sonne wieder aufgeht, werden die Wassergötter zürnen. Fordert nicht ihre Rache heraus! Sie vernichten den, der ihnen trotzt.“
Wenn die Sonne wieder aufgeht, wiederholte Ben Brighton in Gedanken. Daß die Wassergötter zürnten, mußte bedeuten, daß um diese Zeit der Sturm losbrechen würde. Die Indio-Fischer kannten das Wetter in ihrer Heimat, auf ihre Voraussage konnte man sich zweifellos verlassen.
Die Seewölfe wußten, daß sie Zeit hatten und auf jeden Fall nicht zu spät kommen würden. In der Nacht wollten sie aufbrechen und versuchen, sich an Bord der „Isabella“ zu schleichen. Wenn am frühen Morgen der Sturm losbrach, paßte das wie bestellt in ihre Pläne.
Schlagartig hatte sich ihre Stimmung gehoben. Daran änderte auch die Gewißheit nichts, daß der Rückweg mit den schweren Booten und dem Rest der Ausrüstung eine Plakkerei werden würde, gegen die sich der schweißtreibende Marsch bis zum Fischerdorf wie das Paradies ausnahm.
Um die Mittagszeit schien in den engen Gassen von Cayenne die Luft zu kochen.
Siri-Tong und der Boston-Mann hatten die Nacht in der Herberge verbracht. Dem angetrunkenen Wirt, der sich „zufällig“ in das Zimmer der schönen Fremden verirrt hatte, war das schlecht bekommen. Die Rote Korsarin kochte ohnehin vor Wut, und der arme Wirt bezog, sozusagen stellvertretend für den Soldaten Esteban Jerez, eine Tracht Prügel mit der flachen Klinge des Degens, die er im Leben nicht mehr vergessen würde.
Zähneknirschend hatte sich Siri-Tong am Morgen wieder in das Kleid der Spanierin gezwängt. Die Zeit bis zu dem Treffen verbrachten sie und der Boston-Mann damit, wenigstens der Form halber den Planwagen in einen Verkaufsstand zu verwandeln und ihre Waren anzubieten. Ziemlich verständnislos hörte die Rote Korsarin zu, wie der sonst so schweigsame Boston-Mann waschecht auf Spanisch feilschte. Der Gedanke, daß er das vielleicht tat, um die Besitztümer dieser Zierpuppe Agnessa nicht zu verschleudern, ließ Siri-Tongs Mandelaugen bedrohlich funkeln.
Esteban Jerez wartete bereits an der verabredeten Stelle, als die Korsarin erschien.
Das Pferdegesicht des Spaniers wirkte blaß und unschlüssig. Kein Zweifel, er war ein feiger Waschlappen. Aber Siri-Tong flog trotzdem in seine Arme und beglückte ihn mit einem heißen Kuß, um seine Bereitschaft zu Heldentaten rasch wieder anzuheizen.
„Nun?“ flüsterte sie mit gespielter Erregung. „Hast du alles für uns herausgefunden, Liebster?“
Der Spanier hatte innerlich schon wieder den Podest erklommen, auf den sie ihn manövriert hatte. Unmöglich, sich einer solchen Frau gegenüber unentschlossen zu zeigen, etwa gar so kleinliche Ängste zuzugeben wie die, erwischt, gefoltert, gevierteilt oder gehenkt zu werden. Esteban Jerez holte tief Atem und sprudelte hervor, was er, eigentlich recht mühelos, herausgebracht hatte.
Die Spanier wollten die „Isabella“ wieder flottmachen und nach Havanna schleppen. Sie hätten noch nie vorher einen Segler dieser Bauart gesehen, vor allem das Ruderhaus auf dem Achterdeck interessierte sie mächtig. Ganz davon abgesehen, daß jede Verstärkung ihrer Flotte ohnehin sehr wichtig für sie sei. Sie hätten Schiffe angefordert, um die „Isabella“ von der Untiefe herunterzuholen. Aber so lange, meinte der Soldat, würde man wahrscheinlich gar nicht warten müssen. Denn noch am selben Abend werde ein Geschwader von Kriegsgaleonen den Hafen anlaufen, um auf ein starkes Geleit zu warten, das von Süden heransegele.
„Du siehst, daß wir uns beeilen müssen“, schloß Esteban etwas atemlos. „Was wir tun wollen, müssen wir heute nacht tun. Morgen kann es zu spät sein!“
Morgen kann es zu spät sein!
Die Worte schienen in Siri-Tongs Kopf nachzuhallen wie eherne Glokkenschläge. Sie preßte die Lippen zusammen und brachte energisch Ordnung in ihre wirbelnden Gedanken. Dieser pferdegesichtige Narr von einem Spanier hatte recht. Wenn sie handeln wollten, durften sie jetzt nicht mehr warten. Denn Siri-Tong kannte den Seewolf. Ausgeschlossen, daß er und seine Crew die „Isabella“ aufgaben.
Ganz sicher waren sie noch in der Nähe und hatten Mittel und Wege gefunden, ebenfalls in Erfahrung zu bringen, was die Rote Korsarin jetzt wußte. Und genauso sicher würden sie nicht einfach hinnehmen, daß ihr Schiff den Spaniern in die Hände fiel, sondern mit allen Mitteln darum kämpfen.
Das hieß, daß sie noch heute nacht versuchen würden, die „Isabella“ wieder zurückzuerobern.
Aber heute nacht lag bereits das Geschwader der spanischen Kriegsgaleonen im Hafen von Cayenne. Ein Geschwader, gegen das die „Isabella“ keine Chance hatte, jedenfalls nicht unter den augenblicklichen Bedingungen, nicht in einer Lage, in der das Schiff erst flottgemacht und dann vermutlich auch noch gegen die Spanier von der Teufelsinsel verteidigt werden mußte. Es sei denn, daß dem spanischen Geschwader etwas zustieß, dachte Siri-Tong mit einem wilden Lächeln. Und den Galeonen würde etwas zustoßen!
„Du hörst mir gar nicht zu“, maulte Esteban Jerez. „Soll – soll ich es nun wirklich versuchen oder …“
„Natürlich! Versuch es“, sagte Siri-Tong, obwohl sie überhaupt nicht zugehört hatte.
„Und du wirst bei mir bleiben, wenn ich es schaffe? Du wirst diesen Kerl mit seinem verdammten Ohrring zum Teufel schicken? Schwörst du das?“
„Ich schwöre! Aber nun muß ich wirklich gehen. Wenn er zu früh etwas merkt, bringt er uns beide um.“
„Ja, sicher. Warte auf mich heute abend, ja?“
„Bestimmt, Esteban! Sei vorsichtig!“
Diesmal entzog sich Siri-Tong dem ungeschickten Zugriff des Spaniers, bevor er erneut versuchen konnte, sie zu küssen. Rasch eilte sie davon, und als sie wenig später wieder auf den Boston-Mann stieß, hatte sie Esteban Jerez und seine verschwommenen Pläne bereits vergessen.
Siri-Tongs Entschluß war schnell gefaßt.
Es gab keine Wahl mehr. Sie mußten handeln und so rasch wie möglich wieder an Bord des schwarzen Seglers zurückkehren, um das Schiff gefechtsklar machen zu lassen.
Denn spätestens im Morgengrauen würden sie den Hafen von Cayenne angreifen und mit allen Rohren unter Feuer nehmen.