Читать книгу Seewölfe Paket 5 - Roy Palmer - Страница 22
8.
Оглавление„Himmel, Kreuz und Haifischkotze“, stieß Carberry durch die zusammengebissenen Zähne.
„Himmel, Arsch!“ fluchte Stenmark.
„… und Wolkenbruch!“ Blacky verschaffte sich ebenfalls Luft.
Besser wurde dadurch nichts. Die Spanier marschierten weiter auf die „Isabella“ zu, und sie sahen immer noch so aus, als ob sie etwas ganz Bestimmtes vorhätten. Carberrys zusammengepreßter Kiefer erinnerte an einen Amboß. Er starrte die Kerle an, als könne er sie mit seinen Blikken harpunieren.
„Köpfe ’runter“, sagte Hasard leise. „Ed, wenn sie was von dir wollen, sagst du einfach ‚Marche a Diablo‘! Verstanden?“
„Und was heißt das?“ flüsterte der Profos. „Geh zum Teufel!“
Carberry schluckte. „He, Mann! Ich werde ja wohl noch fragen dürfen, was ich den Kerlen an den Kopf werfen soll, oder? Dir scheinen allmählich die Nerven zu flattern, was, wie?“
Hasard grinste. Dan kriegte einen puterroten Kopf, weil er das Lachen unterdrücken mußte.
„Geh zum Teufel!“ Er kicherte. „Genau das ist es doch, was du den Dons sagen sollst! Marche a Diablo! Hättest du besser spanisch gelernt, wüßtest du das!“
„Marche a Diablo, du Wanze!“ fauchte der Profos. „Wenn wir erst mal von dieser verdammten Sandbank herunter sind, wickle ich dich um den Großmast. Oder ich sag Will Thorne, er soll dir dein Schandmaul mit der Lieknadel zunähen, damit du endlich mal deine Klappe hältst, du Affen …“
„Ruhe!“ sagte Hasard nur.
Der Profos verstummte. Es wurde auch Zeit. Die beiden Spanier blieben in einiger Entfernung von der „Isabella“ stehen, weil sie sich keine nassen Füße holen wollten.
„Manuel!“ brüllte einer von ihnen durch die hohlen Hände.
Die Seewölfe hatten keine Ahnung, welcher der beiden Wachtposten Manuel hieß. Da es wenig sinnvoll war, den Männern dort unten schon jetzt mitzuteilen, sie möchten sich zum Teufel scheren, übernahm Dan die Antwort.
„Que?“ schrie er zurück.
„Manuel meine ich, diesen verrückten Riesenaffen! He, Manuel!“
„Den „verrückten Riesenaffen“, verstand Carberry nicht, deshalb war er auch nicht beleidigt.
„Marche a Diablo!“ grollte er trotzdem im Brustton der Überzeugung.
„Bastardo! Jijo de puta!“ Der Spanier war im Fluchen auch nicht unbegabt. „Du sollst ins Lager kommen, verdammt noch mal! Es gibt Sturm. Der Capitan braucht dich, um irgend etwas zu reparieren, sagt er.“
Hasard biß die Zähne zusammen.
Das durfte doch nicht wahr sein! Mußte ausgerechnet dieser Manuel über besondere handwerkliche Fähigkeiten verfügen, die man jetzt brauchte? Auf alles Mögliche waren sie gefaßt gewesen, aber das da hätte kaum vertrackter sein können.
„Entert auf und trinkt erst mal ’nen Schluck Rum, Amigos!“ rief Dan geistesgegenwärtig. Dabei winkte er auffordernd und nutzte die Gelegenheit, um Carberry im Flüsterton zu erklären, welch hoher Wertschätzung er sich bei dem spanischen Capitan erfreue.
„Scheiß auf den Rum!“ fauchte der Wortführer der Soldaten. „Beweg jetzt endlich deine Knochen, Manuel! Wird’s bald?“
„Marche a Diablo!“ wiederholte Ed Carberry mit Todesverachtung seinen einzigen spanischen Satz.
„Manuel! Der Capitan wird dich auspeitschen, vierteilen, an den Füßen aufhängen!“
„Na, meinetwegen, du verlauster Sohn einer schwanzlosen Steppensau“, brummte Carberry fast unhörbar. „Ich komm ja schon. Reiß ruhig weiter die Schnauze auf, damit ich dir besser was ’reinschlagen kann, du abgetakelter Kakerlake, du dreimal um den Großmast gewickeltes Bilgengespenst, du …“
„Fluch auf Spanisch oder halt die Klappe!“ zischte Hasard, als der Profos an ihm vorbeistampfte.
„Caramba!“ gab Carberry zum besten. Dann hielt er wirklich die Klappe, weil er nur diesen einen spanischen Fluch kannte. Was er tat, was das einzige, was jetzt vielleicht noch helfen konnte: der Versuch, nahe genug an die beiden Spanier heranzukommen, um auch sie lautlos zu überwältigen.
Viel würde auch das nichts nutzen. Sie gewannen Zeit, das war alles. Schon die Wachtposten, die Manuel und der zweite Mann abgelöst hatten, waren nicht ins spanische Lager zurückgekehrt. Wenn jetzt auch diese beiden ausblieben, samt dem fabelhaften Manuel, mußten die Dons einfach mißtrauisch werden. Hasard biß die Zähne zusammen und widerstand der Versuchung, über das Schanzkleid zu spähen, um mitzukriegen, was geschah.
Ed Carberry war über die Jakobsleiter abgeentert. Er drückte das Rammkinn auf die Brust, als er sich umwandte. In dem flackernden, unruhigen Licht der Öllampe war es durchaus möglich, daß die Kerle ihn nicht erkannten. Das dachte er wenigstens. Aber er hatte vergessen, daß er eben doch noch etwas größer und breiter gebaut war als der „Riesenaffe“ Manuel.
„He!“ zischte einer der Spanier. „Das ist er doch gar nicht!“
„Caramba! Ciele, infierno y diablo!“
Ed Carberry verstand weder die Flüche noch ihren Anlaß, aber er verstand die Wut und den Schrecken in der Stimme des Spaniers. In dieser Tonlage wurde in jeder Sprache geflucht. Außerdem griff der Soldat mit einer bezeichnenden Bewegung zu seiner Pistole.
Der eisenharte Profos explodierte förmlich. Mit einem einzigen Satz sprang er auf die verblüfften Spanier zu.
Ehe sie auch nur halbwegs begriffen, hatte er sie schon gepackt und donnerte ihre Schädel gegeneinander. Es gab ein auffallend hohles Geräusch, die Burschen verdrehten die Augen und fielen schlaff in den Sand, als Carberry losließ.
„So, ihr verlausten Hurensöhne“, sagte er laut und zufrieden.
Im selben Augenblick schnellte am Fuß der Felsen ein dritter Mann hoch, warf sich mit einem erschrokkenen Schrei herum und sauste wie ein geölter Blitz über den Pfad davon.
Einen Moment stand Ed Carberry wie erstarrt.
Dann hob er binnen einer halben Minute mindestens ein Dutzend völlig neuer Flüche aus der Taufe, aber das konnte den Lauf der Dinge nun auch nicht mehr aufhalten.
Zwanzig Minuten später pirschte sich der aufgescheuchte Capitan mit einem Aufklärungstrupp über den Pfad zum Strand.
In der tintenschwarzen Nacht war die „Isabella“ nur als Schattenriß vor der bewegten See zu erkennen. Kein Licht war an Bord zu sehen, keine Haarspitze von den beiden Wachtposten und den Soldaten, die den hünenhaften Manuel hatten abholen sollen. Das Schiff schien verlassen und wirkte geradezu unheimlich, aber der Capitan war um die Lösung des Problems nicht lange verlegen.
Er schickte einfach zwei Mann zum Nachsehen an Bord.
Die Kerle sahen aus, als ob sie Bauchschmerzen hätten, aber sie mußten wohl oder übel aufentern. Undurchdringlicher Schatten verschluckte sie. Nichts passierte, jedenfalls nichts, das sicht- oder hörbar gewesen wäre. Der Capitan nahm das als gutes Zeichen.
Fünf Minuten lang!
Dann wurde ihm klar, daß etwas nicht stimmen konnte. Er wies seinen Sargento an, nach den beiden Männern zu rufen. Der Erfolg blieb aus, und deswegen schickte der Capitan gleich sechs Soldaten los.
Die Burschen wollten nicht recht. Erst als der Capitan die Pistole zog, bequemten sie sich. Auf halbem Wege zögerten sie noch einmal – und die Waffe des Capitans entlud sich donnernd.
Sand spritzte.
Die sechs Männer sprangen. Sie kannten ihren Vorgesetzten. Was sie auf der „Isabella“ erwartete, wußten sie nicht, aber eine Kugel in den Hinterkopf war auf jeden Fall tödlich.
Die Soldaten enterten über die Jakobsleiter auf.
Alle sechs waren der Panik nahe. Sie erwarteten jeden Augenblick irgendeinen höllischen Dämon zu sehen, und in dieser Stimmung äußerster Wachsamkeit und Fluchtbereitschaft waren sie nicht mehr so leicht zu überrumpeln.
Zwei Mann schwangen sich über das Schanzkleid und verschwanden.
Der dritte fuhr mit einem irren Aufschrei zurück, trat seinem Hintermann auf die Finger und fiel von der Jakobsleiter. Unten landete er im Schlick, rollte blitzartig herum und sprang auf, während seine Kameraden ebenfalls überstürzt den Rückzug antraten.
Was der Bursche brüllte, konnten die Seewölfe nicht verstehen. Aber der Reaktion der restlichen Soldaten nach brüllte er bestimmt nichts von Engländern, sondern eher von Gespenstern, Wassermännern oder dem leibhaftigen Satan.
Der Capitan wußte nicht recht, ob er an den leibhaftigen Satan glauben sollte.
Oder vielmehr: er glaubte sehr wohl an ihn, aber er sah nicht ein, wieso sich der Satan ausgerechnet das Schiff des Seewolfs zum Domizil ausgesucht haben sollte. Dagegen sah er noch sehr lebhaft vor sich, welche Hölle diese elenden Engländer bei ihrer letzten Stippvisite auf der Teufelsinsel losgelassen hatten. Wenn sie an Bord waren, mit dieser unheimlichen Waffe, die kein Mensch je vorher gesehen hatte …
Der Capitan dachte an seine Haut. Vor allem an die Löcher, die das regnende Feuer, von dem die Augenzeugen erzählt hatten, vielleicht hineinbrennen würde.
Als erstes befahl er den strategischen Rückzug zwischen die Felsen, als zweites schickte er einen Kurier los, um sämtliche Streitkräfte auf der Insel zum Großangriff zu mobilisieren. Und beide Befehle wurden an Bord der „Isabella“ sehr genau verstanden.
„Caramba“, knirschte der Profos.
„Donnerwetter heißt das“, sagte Dan O’Flynn. „Jetzt kannst du wieder englisch fluchen.“
„Ich kann fluchen, wie ich will, du Wanze! Wenn’s mir paßt, fluche ich auf Schwedisch oder …“
„Ha! Als ob du Schwedisch könntest.“
„Askslag!“ fauchte Carberry. „Död och djävul!“ Das hatte er von Stenmark gelernt, der sich eins grinste.
Hasard grinste auch. Daß die allgemeine Lage keinen Anlaß dazu bot, wußte er genau wie die anderen, aber so leicht verging ihnen das Lachen denn doch nicht. Galgenhumor, dachte der Seewolf mit einem Blick in die feixenden Gesichter. Was jetzt kam, war ein höllisches Spiel um den höchsten Einsatz. Ein Spiel, das am Ende weder sie noch die Spanier entscheiden würden, sondern die Natur in Gestalt des Sturms, der allein die „Isabella“ aus ihrer aussichtslosen Lage befreien konnte.
„Sollen wir den Kerlen schon mal eins verplätten?“ erkundigte sich Al Conroy, der Stückmeister.
Hasard zog die Unterlippe zwischen die Zähne, überlegte und witterte in den Wind. Sie konnten Zeit gewinnen, wenn sie den Spaniern Gelegenheit gaben, erst mal ausgiebig zu beraten, wer sich wohl auf der „Isabella“ verschanzt hatte: Meergeister, der Satan oder der Seewolf.
Andererseits war Andrès Catalina, der Inselkommandant, nicht der Mann, der sich lange überlegte, ob er Engländer oder Gespenster zusammenschießen ließ. Vielleicht würde es doch mehr Zeit einbringen, wenn man den Capitan und seine Leute zu Paaren trieb, damit sie dem Kommandanten nicht sofort Bericht erstatten konnten.
„Gut“, sagte Hasard. „Verplätten wir ihm eins!“ Und mit leiser, scharfer Stimme: „Klar bei Backbordkanonen! Stückpforten auf! Fertigmachen zum Feuern!“
Die Stückpforten der „Isabella“ öffneten sich von einer Sekunde zur anderen – wie aus heiterem Himmel.
Für die Spanier zwischen den Felsen war es ein gespenstischer Anblick. Ein paar Männer bekreuzigten sich. Der Capitan zuckte zusammen und schnellte hoch wie ein Kastenteufel. Aber er konnte sich nicht schnell genug entscheiden, in welche Richtung er laufen sollte.
Eine Sekunde danach war es zum Laufen zu spät.
An der Backbordseite der „Isabella“ blühten rotglühende Feuerblumen auf. Acht Siebzehnpfünder-Culverinen spuckten Tod und Verderben. Pfeifend und orgelnd flogen die Kugeln durch die Luft und krachten in die Felsen.
Unter den Spaniern, denen ohnehin die Angst im Nacken saß, brach Panik aus.
Sie reagierten so, wie Hasard erwartet hatte – mit kopfloser Flucht nach allen Seiten.
Der Capitan rannte besonders schnell. Er nahm den Pfad, der hinauf in die Felsen führte. Unglücklicherweise rannte er genau der anrückenden Verstärkung in die Arme.
Zehn Minuten später griffen die Spanier mit allem an, was sie hatten.
Die Kanonen der „Isabella“ spuckten Feuer. Flaschenbomben explodierten am Strand und stifteten heilloses Chaos. Immer neue Wellen von Angreifern wehrten die Seewölfe ab, sie verteidigten ihr Schiff wie eine Festung, aber sie wußten nur zu gut, daß diese Festung nicht uneinnehmbar war.
Zwei Stunden dauerte es, bis die Spanier ein Dutzend schwerer Geschützte in Stellung gebracht hatten.
Jetzt wurde es ernst. Denn jetzt lief alles auf die Frage hinaus, wer was zuerst in Fetzen schießen würde: die Dons die „Isabella“ oder die Seewölfe die Kanonen der Dons.
„Feuer!“ gellte Hasards Stimme durch den Kampflärm.
Und dann, in der Sekunde, die zwischen seinem Befehl und dem Krachen der Waffen verstrich, stutzte er jählings.
Die Luft schien zu zittern.
Zuerst glaubte er, sich geirrt zu haben. Das Brüllen der Culverinen, die Einschläge der Kugeln, das wilde Geschrei verschluckten jedes andere Geräusch. Eine der spanischen Kanonen stürzte polternd die Klippen hinunter. Zwei andere spuckten ihre todbringende Ladung aus, ohne die „Isabella“ zu treffen. Für die Dauer eines Atemzugs wurde es verhältnismäßig still – und jetzt war der Seewolf sicher, daß er sich nicht verhört hatte.
Gewaltiger Kanonendonner rollte über die See.
Drüben in Cayenne mußte in diesem Augenblick die Hölle los sein, und Philip Hasard Killigrew hegte nicht den geringsten Zweifel darüber, wer es war, der diese Hölle entfesselt hatte.
Der schwarze Segler!
Thorfin Njal und die Rote Korsarin!
Jetzt brauchte nur noch der Sturm loszubrechen.