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5.

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Hasard spürte, wie ihm der Schreck bis tief in die Knochen fuhr und seine Nerven zum Beben brachte. Die Rote Korsarin fort! Einfach so, ohne einen Schrei – da konnte etwas nicht stimmen.

Plötzlich dämmerte es ihm. „Teufel, wir sind zum Narren gehalten worden!“ schrie er.

Er senkte den Kopf und stürmte in das Dickicht zu ihrer Linken. In der rechten Hand hielt er die Radschloßpistole, in der anderen den Cutlass, den er nach dem Zwischenfall mit der Shushupe sofort wieder an sich genommen hatte.

„Hasard, zurück!“ schrie ihm Thorfin Njal nach. „Beim Odin, bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“

Hasard hörte nicht auf ihn. Er kämpfte sich durch das Dickicht, um nach dem zu suchen, der das dumpfe Grollen erzeugt hatte. Mit einem Mal war er überzeugt, daß etwas in dem verflixten Dschungel steckte, das bisher selbst Dan O’Flynns Aufmerksamkeit entgangen war.

Jemand.

Carberry fackelte nicht lange, er riß die Initiative an sich. „Los, Thorfin, nichts wie hinter Hasard her! Gruppe zwei – uns nach! Ferris, ihr schlagt euch mit eurer Gruppe nach rechts in die Büsche!“

„Vorwärts, Männer!“ brüllte Ferris.

Der Profos war ein rauhbeiniger, bärbeißiger Kerl, dem man manchmal nicht zutraute, er könne bis drei zählen. Aber wenn’s darauf ankam, bewies er zweierlei: daß er nämlich blitzschnell reagieren und außerdem fatale Situationen im Ansatz richtig beurteilen konnte.

So hatte er gut daran getan, die beiden Gruppen jetzt zu teilen. Siri-Tong konnte nicht – vor ihrer aller Nase – nach links in den Urwald verschwunden sein. Jemand mußte dorthin, wohin sie mutmaßlich verschleppt worden war – nach rechts.

Daß sie nicht freiwillig verschwunden war, daran zweifelte keiner der Männer auch nur einen Moment.

Carberry, die fünf Wikinger und die beiden Siri-Tong-Piraten stürmten unterdessen mit wildem Geschrei dem Seewolf nach. Wenn es galt, den Jaguar frontal anzugreifen, dann wollten sie auch nicht fehlen. Hasards Handeln war nicht nur tollkühn, es war selbstmörderisch. Er durfte unter keinen Umständen allein gelassen werden.

Hasard säbelte sich mit dem Cutlass durch das fest ineinander verschlungene Blatt- und Lianenwerk. Er war wie von Sinnen. Nach seiner Schätzung hätte er längst an dem Fleck angelangt sein müssen, an dem er das Rascheln des unbekannten Gegners zuletzt vernommen hatte. Er war es auch, nur hatte sich das, was ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, bereits zur Flucht gewandt.

Hasard glaubte immer weniger daran, daß es sich tatsächlich um einen Jaguar handelte. Es war ein Trick gewesen, ein verdammter, billiger Trick, dieses Grollen. Um sie abzulenken, zu täuschen, hereinzulegen!

Er entdeckte zerbrochenes Unterholz, kroch darüber weg, fand weitere Spuren dieser Art und pirschte ihnen nach. Den Cutlass brauchte er jetzt fast nicht mehr zu benutzen, denn vor ihm schlängelte sich ein Pfad durch das Dickicht. Man mußte ihn eben erst geschnitten haben, anders konnte es nicht sein, denn hier im Regenwald wucherte sofort alles wieder zu, jeder Versuch, auch nur ansatzweise so etwas wie einen Weg zu schaffen, mußte scheitern.

Das war der Beweis. Hasard hatte einen Menschen vor sich.

Und Siri-Tong war von dem oder den Komplicen dieses Burschen entführt worden! Kalte Wut trieb Hasard voran. Hinter sich hörte er die beiden Gruppen im Unterholz rumoren, aber er wartete nicht auf sie. Jede Sekunde war kostbar, jeden Augenblick konnte die Hilfe für Siri-Tong zu spät sein.

Der primitive Pfad schlug einen Bogen nach rechts, führte eine Weile genau geradeaus, dann nach links und dann wieder nach rechts. Kein Zweifel, der Kerl vor Hasard verwendete sein ganzes Können darauf, die Verfolger irrezuführen. Und er bewegte sich mit geradezu unheimlicher Geschwindigkeit voran.

Er konnte nur ein Ureinwohner dieser Gebiete sein, ein Indianer. Hasard verfluchte ihn und schwor ihm Rache für den Fall, daß man der Roten Korsarin etwas antat.

So war das also gelaufen: Der eine Schuft hatte im Dickicht den „Jaguar“ gemimt, der andere hatte sich in der Zwischenzeit von der entgegengesetzten Seite angeschlichen, hatte Siri-Tong gepackt und ihr sofort mit einer Hand den Mund zugehalten, während er sie lautlos ins Gebüsch gezerrt hatte. Nur ein Indianer konnte Derartiges vollbringen, hier, in seinem Element, im menschenfeindlichen Dschungel.

Und die Seewölfe und die Piraten der Roten Korsarin hatten wie die Narren zu der vermeintlichen Raubkatze im Dickicht geblickt.

So einfach und so unfaßbar war das.

Hasard konnte sich wegen seines Fehlverhaltens selbst verdammen. Wie hatte er nur so dumm sein können? Die ersten Schritte durch die grüne Hölle, und er ließ sich hereinlegen wie ein blutiger Anfänger, wie einer, der keinerlei Erfahrung im Auskundschaften fremder Gebiete hatte.

Gewiß, der Regenwald hatte seine ureigenen Gesetze, nach denen man sich richten mußte, wenn man nicht untergehen wollte, aber hatte er diese Lektion nicht bereits in der Fieberhölle von Guayana gelernt?

Sicher. Aber da war etwas anderes. Als nach dem Lärm, den sie schon auf dem Fluß veranstaltet hatten, keine Menschenseele im Busch aufgetaucht war, hatte er sich einfach unbeobachtet gewähnt. Das war der einzige Fehler gewesen, den er begangen hatte, aber er bezahlte ihn jetzt teuer.

Er war außer sich vor Zorn und Haß. Dieses Überschäumen seiner Empfindungen trieb ihn voran. Wie ein Berserker grub er sich durch den Busch. Er merkte dabei nicht, daß er sich immer weiter von seinen Kameraden entfernte.

Hasard glaubte, einen schwachen, erstickten Ruf vor sich zu vernehmen. Weiter, hämmerte es in seinem Kopf, nur weiter, nicht aufhören zu laufen, zu schwitzen, zu laufen …

Sie, die Seewölfe, kamen als Freunde der Indianer. Sie hatten Erfahrungen mit den Patagoniern und den Araukanern gesammelt, und, weiter nördlich auf dem neuen Kontinent, mit den Ureinwohnern von Peru, Kolumbien, den Inseln der Karibik – kurz, mit allen, die von den Spaniern geknechtet, ausgeraubt und mißhandelt wurden. Diese im Grunde ihres Herzens gutmütigen rothäutigen Menschen hatten mittlerweile gelernt, daß es auch eine andere Kategorie weißer Männer gab, nicht nur die grausamen „Viracocha“, die bärtigen Männer aus dem fernen Spanien.

Hasard hörte ein Rascheln, ein Keuchen und zwei, drei dumpfe Geräusche, die darauf schließen ließen, daß sich nicht allzu weit entfernt jemand auf dem Untergrund hin- und herwarf.

Er lief nicht mehr, er preschte durch das Dickicht und brach wie ein großer, sehniger Wolf durch das Gestrüpp, in dem man durch eine einzige nicht kalkulierte Bewegung hängenbleiben konnte.

Er konnte es nicht begreifen, daß ausgerechnet die, mit denen er sich bei anderen Gelegenheiten immer wieder verbündet hatte, sie ohne besonderen Anlaß angriffen.

Der Teufel sollte sie holen!

Wieder dieses Keuchen, diesmal ganz nah, und Hasard brachte sich mit einem einzigen gewaltigen Satz voran. Das Kreischen und Zetern der Tiere hatte längst wieder eingesetzt, es begleitete ihn.

Die beiden Gruppen der Männer streiften irgendwo weit hinter ihm durch den Busch und suchten und riefen nach ihm und Siri-Tong. Hasard antwortete nicht. Er wollte jetzt keinen zweiten Fehler begehen und den Gegner warnen.

Plötzlich stürmte er aus dem Dikkicht hervor auf eine winzige Lichtung. Etwas, irgendeine Pflanzenseuche, mußte diesen Kahlschlag hervorgerufen haben, etwas hatte den Wucherwuchs an dieser Stelle so weit unterbrochen, daß ein erwachsener Mensch sich ohne weiteres auf dem Boden ausstrecken konnte.

Siri-Tong lag auf dem Untergrund ausgestreckt, und alle fürchterlichen Ahnungen des Seewolfes bestätigten sich mit einem Schlag. Ja, es waren tatsächlich Indianer, die sie entführt hatten – zwei, kompakt gebaute Kerle mit brauner Haut, dichten schwarzen Haarschöpfen und den einbalsamierten Schädeln von Kaimanen auf den Häuptern. Die oberen Teile dieser Jagdtrophäen hatten sie sich auf den Schädelplatten befestigt, die Unterkiefer unter dem Kinn festgezurrt. Es war eine makabre Kostümierung und eine unheimliche Szenerie. Einzelheiten, die Hasard im Bruchteil einer Sekunde erfaßte.

Der eine Indianer kniete und hielt der Roten Korsarin den Mund zu. Gleichzeitig drückte er ihre beiden Arme so auf den Boden, daß er sie mit den Knien festpressen konnte.

Der andere hatte Siri-Tong die Kleidung vom Leib gerissen und traf soeben Anstalten, sich seines Lendenschurzes zu entledigen. Er beugte sich über sie und paßte auf, daß sie ihn mit ihren strampelnden Beinen nicht treffen konnte. Er gab einen tiefen, wilden Laut von sich.

Die beiden hatten sich hier in Sicherheit gewähnt, und nicht damit gerechnet, daß die weißen Eindringlinge sie jemals so schnell aufstöbern würden.

Ja, sie wollten ihrer Gier auf die schöne Frau freien Lauf lassen, und wahrscheinlich planten sie, sie anschließend umzubringen.

Dieser Gedanke schoß Hasard noch durch den Kopf, als er sich auf den ersten Indianer stürzte. Es war der, der gerade an seinem Lendenschurz herumnestelte.

Hasard erwischte ihn an den Schultern und riß ihn mit sich. Da er ihn von schräg links angriff, rollten sie nach rechts und nicht vornüber auf Siri-Tong.

Hasard hieb dem Indianer die Faust unters Kinn. Der Kerl stöhnte, verlor aber nicht das Bewußtsein. Er war hart im Nehmen, sehr hart. Verbissen klammerte er sich an Hasard fest und balgte sich mit ihm. Sie wälzten sich auf dem weichen Morastboden.

Der zweite Indianer fuhr hoch, ließ Siri-Tong los und griff nach seinen Waffen. Sie brachte sich als erstes aus seiner Reichweite, indem sie sich nach links wegrollte.

Der zweite Krokodilmann brachte geisterhaft schnell sein Blasrohr in Anschlag, führte einen Pfeil ein und setzte das Mundstück an die Lippen.

Hasard hatte ihn die ganze Zeit über nicht aus den Augen verloren, obwohl er genug mit dem ersten zu tun hatte. So war er auf der Hut. Er drehte sich so, daß er den ersten Gegner als eine Art lebenden Schutzschild über sich hatte.

„Hasard, Vorsicht!“

Das war Siri-Tong. Aber ihr Warnruf war eigentlich überflüssig. Der Seewolf rammte seinem Widersacher das rechte Knie in die Magengrube, stemmte ihn hoch und schleuderte ihn dann mit aller Kraft von sich. Bislang hatte der zweite Krokodilmann keine Chance gehabt, seinen tödlichen Giftpfeil auf Hasard abzuschießen, weil er dauernd den Stammesbruder vor der Mündung gehabt hatte.

Jetzt federte der Kumpan ihm entgegen. Der zweite Indianer stieß einen gurgelnden Laut aus und wollte ausweichen. Doch dazu war es zu spät. Sein Begleiter prallte mit voller Wucht gegen ihn. Beide ächzten und gingen zu Boden.

Hasard war wie ein Panther auf die Beine geschnellt. Er vollführte einen Satz, war wieder neben ihnen und trat dem zweiten Burschen das Blasrohr aus den Händen. Gleich darauf schloß er beide Hände zu Fäusten und ließ sie mit enormer Gewalt in den Nacken des ersten Indianers sausen.

Dieser streckte buchstäblich alle viere von sich, zuckte und blieb dann reglos auf seinem Kumpan liegen. Der zweite warf den Bewußtlosen ab, kroch rückwärts und raffte sich auf.

Die Rote Korsarin wollte eingreifen. Sie hatten sie ihrer Waffen beraubt, der Teufel mochte wissen, unter welchem Busch sie lagen. Aber die Schwarzhaarige war drauf und dran, ihre Fäuste und Krallen gegen den Krokodilmann einzusetzen.

„Siri-Tong, nicht!“ rief Hasard ihr zu. „Halt dich da ’raus!“

Er rückte auf den jetzt wieder aufrecht stehenden Indianer zu. Dieser wich ein Stück zurück, blieb dann stehen – und zückte ein Messer. Hasard stand breitbeinig, die Arme vorgestreckt.

Er hätte nur die Radschloßpistole zu ziehen brauchen, um auch diesen Kerl zu besiegen. Ein Warnschuß über den Kopf, und der Mann hätte ganz gewiß aufgegeben.

Aber Hasard hatte ein eingefleischtes Gefühl für Fairneß. Er ließ die Pistole im Gurt stecken, tat noch einen Schritt auf den Indianer zu und hielt ihm die rechte Hand hin.

„Gib das her.“ Er sagte es auf spanisch.

Der Indianer schüttelte den Kopf. Er hatte also verstanden.

„Hör zu“, sagte der Seewolf. „Du hast keine Chance mehr. Streich die Flagge, Bruder. Ich will dir nichts Böses, also gib das Messer her und hör auf, den wilden Mann zu spielen.“

Der Krokodilmann brüllte auf und unternahm jählings einen wilden Ausfall gegen ihn. Die Messerklinge zuckte vor, genau auf Hasards Unterleib zu. In diesem Moment stieg wieder die kalte Wut in Hasard auf. Er parierte, glitt nur ein Stück nach rechts, dann zuckte sein nackter Fuß hoch und knallte unter den Messerarm des Gegners.

Der Indianer gurgelte vor Entsetzen. Sein Arm war sekundenlang gelähmt, so heftig war der Tritt gewesen. Das Messer entglitt seinen kraftlosen Fingern.

Er wich zurück. Waffen – soviel konnte der Seewolf sehen – hatte er nicht mehr.

Hasard ging ihm nach. Siri-Tong hatte sich auch wieder in Bewegung gesetzt, um dem Burschen von links her den Rückzug in den Busch abzuschneiden. Hasard hatte es ihr zwar verboten, in die Auseinandersetzung einzugreifen, aber jetzt konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Sie mußten diesen Mann haben, er durfte nicht entwischen.

Hasard sagte zu dem Indianer: „Bleib stehen. Ich kriege dich so und so. Gib auf.“

Der Krokodilmann vollführte eine rasche Geste unter seinen Lendenschurz. Hasard duckte sich instinktiv. Besaß er doch noch mehr Waffen?

Der Krokodilmann riß aus einem kleinen Leibriemen, den er unter dem Schurz trug, einen Blasrohrpfeil hervor und drückte ihn sich in die Herzgegend. Sein Mund öffnete sich, seine Augen weiteten sich, er begann zu torkeln.

„Himmel, ist der verrückt?“ schrie Hasard.

Seewölfe Paket 5

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