Читать книгу Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 26

2.

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Roger Brighton hatte sich auf einen der Gegner geworfen und war mit ihm zu Boden gegangen. Sie wälzten und balgten sich, dann mußte Roger einen gewaltigen Hieb gegen sein Brustkreuz hinnehmen, der ihm vorerst die Luft und die Widerstandskraft raubte.

Sein Widersacher löste sich von ihm, sprang auf und trat Old O’Flynn, der gerade hilfreich eingreifen wollte, voll gegen die linke Krücke und dann gegen das Holzbein. Der Alte ächzte, geriet aus dem Gleichgewicht und ging neben Roger zu Boden.

Der Kerl tänzelte weiter zu Edwin Carberry und rammte ihm die Faust mit größter Wucht in den Magen, doch diesmal hatte er weniger Glück. Es war, als hätte er überhaupt nicht zugeschlagen.

„So“, sagte der Profos. Er sprach auffallend gedämpft, was bei ihm immer ein Anzeichen für schweren Sturm war. „Du findest dich wohl besonders witzig, du Läuseknacker, was, wie?“

Der Kerl sagte etwas Lästerliches, dann knallte er dem Narbenmann die Faust geradewegs unter das mächtige Rammkinn. Oder besser, er hatte es treffen wollen, hieb jedoch vorbei, weil der Profos seinen Kopf mit ungeahnter Gewandtheit zur Seite nahm. Verblüfft riß der Kerl den Mund auf, aber er klappte ihn gleich wieder zu, denn Carberry schlug mit beiden Fäusten zu. Die eine traf den Gegner in die Seite, die andere erwischte seine Kinnlade, dann flog er bis zur nächsten Hauswand, prallte mit dem Rücken dagegen und sank daran zu Boden.

Er hörte noch, wie Carberry verächtlich „Witzbold“ sagte, dann schwanden ihm die Sinne.

Der Mann, der von Hasard aufs Pflaster geschickt worden war, hatte sich inzwischen jedoch wieder aufgerappelt, und so waren es immer noch fünf, die den Seewölfen einen erbitterten Kampf lieferten.

Aber auch Roger Brighton und Old O’Flynn waren wieder auf den Beinen. Big Old Shane warf gerade einen der Angreifer, den er bei den Armen gepackt hatte, mit Schwung über seinen breiten Rücken hinweg ab, der Alte nahm ihn in Empfang und knallte ihm das Holzbein gegen den Schädel.

Das genügte jedoch immer noch nicht, der Kerl überrollte sich, sprang wieder auf und wollte sich erzürnt auf Old O’Flynn stürzen. Jetzt aber war Roger mit wutentbrannter Miene zur Stelle und landete mit beiden Fäusten einen Schlag im Nacken des Gegners, daß dieser nur noch einen keuchenden Laut von sich gab und dann endgültig zusammenbrach.

Ferris Tucker war in die Knie gegangen, einer der Wegelagerer war über ihm und traktierte ihn mit gezielten Hieben. Plötzlich aber schoß Ferris’ linkes Bein hoch, der Fuß traf die Schulter des Kerls und ließ ihn zurücktaumeln.

Er prallte mit dem Rücken gegen Ben Brighton, und der sagte: „Na, das ist ja wohl die Höhe.“

Während er noch sprach, griffen auch seine harten Hände in die Sache ein. Er gab dem Kerl zunächst eine schallende Ohrfeige und anschließend einen Kinnhaken, und auch dieser versank in tiefer Bewußtlosigkeit.

Jetzt waren nur noch drei der Angreifer aktiv. Sie hatten sich an Hasard herangepirscht und setzten ihm gefährlich zu. Der eine hatte bereits den linken Arm des Seewolfs gepackt, ein anderer versuchte, den rechten Arm zu fassen, und der dritte schickte sich an, den Rest zu besorgen und ihn niederzuschlagen.

Mit einemmal aber war Dan O’Flynn mitten zwischen ihnen und trieb sie auseinander. Seine Fäuste wirbelten, und Hasard kriegte wieder Luft. Er riß den Mann zu sich heran, der seinen einen Arm umzudrehen trachtete, verpaßte ihm einen trockenen Haken und jagte ihn dann auf Carberry zu, der mit Shane, Ferris, den beiden Brightons und Old O’Flynn zusammen anrückte.

Carberry sagte mit grunzender Stimme etwas, das wie „stinkende Kanalratte“ klang, dann schlug er kurz zu und beförderte den Kerl zu dem anderen, den er bereits erledigt hatte.

Dan O’Flynn hatte einen weiteren Angreifer durch vier, fünf prasselnde Fausthiebe außer Gefecht gesetzt, und so stand plötzlich der eine Kerl allein der Übermacht von acht Männern gegenüber.

Er erkannte seine hoffnungslose Lage und versuchte sein Heil in der Flucht, doch Ben stoppte ihn. Er hielt ihn fest und stellte ihn gegen eine Hausmauer.

„Wer bist du?“ fragte er mit drohender Stimme. „Wer hat dich geschickt? Burton? Bromley? John Killigrew?“

„Ich heiße Reeves“, antwortete der andere keuchend. „Zum Teufel, laß mich endlich los.“

Hasard und die anderen waren nähergetreten.

Der Seewolf sagte: „Das könnte dir so passen. Wer ist dein Auftraggeber, Reeves?“

„Bist du Hasard Killigrew?“

„Ja. Woher weißt du das?“

Reeves versuchte zu grinsen. „Eine Möwe hat’s mir gezwitschert. Beim Henker, warum seid ihr Narren über uns hergefallen?“

„Gib ihn mal her, Ben“, sagte Carberry, und seine Stimme hatte immer noch den gefährlichen, dumpfen Klang. „Ich will ihm ein bißchen was verbiegen, diesem total verlausten Satansbraten.“

„Augenblick, Ed“, sagte der Seewolf und trat dicht vor den Mann, der angeblich Reeves hieß. „Mein Bootsmann und ich haben dich was gefragt, Reeves.“ Er fixierte den Mann, aber dieser hielt seinem bohrenden Blick stand. „Willst du dich vielleicht bequemen, darauf zu antworten?“

„Ja. Seine Lordschaft Gerald Cliveden schickt uns, und ihr tut gut daran, euch nicht wie die Idioten zu benehmen.“

„Wer ist dieser Cliveden?“ erkundigte sich Hasard.

„Das kann ich dir hier nicht sagen.“

„Ach. Das wird ja immer spannender. Für wie dämlich hältst du uns eigentlich?“

„Folgt mir“, keuchte der Mann. „Dann werdet ihr sehen, daß wir euch nicht hereinlegen wollen. Wir haben daran nicht das geringste Interesse.“

„Das kann ich mir vorstellen“, höhnte Ferris Tucker. „Wo warten denn Seine Lordschaft mit dem Rest der Bande? Dort hinten, bei den Lagerhäusern? An einer stillen, abgelegenen Pier?“

„Sag die Wahrheit, Bursche, oder es geht dir schlecht!“ stieß Ben Brighton zornig hervor, und diese Worte gaben den eigentlichen Anlaß zu Reeves’ nächster Reaktion.

Völlig unerwartet schüttelte er Bens Hände ab, tauchte weg und nahm Reißaus, denn er rechnete fest damit, daß die Seewölfe jetzt auch ihn zusammenschlugen. Old O’Flynn stellte ihm gedankenschnell sein Holzbein, Reeves strauchelte und fiel hin. Er stöhnte, sprang wieder auf, wurde aber von Shane gestoppt, der ihn mit einem einzigen Hieb fällte.

„Lord Cliveden“, brummte der graubärtige Riese. „Das schlägt dem Faß den Boden aus. Genausogut hätte er sagen können, die königliche Lissy sei erschienen, um mit uns zu sprechen.“

„Wieso?“ fragte Carberry. „Kennst du diesen Cliveden?“

„Ich? Nein. Du vielleicht?“

Carberry kratzte sich verwirrt an seinem riesigen Kinn und brummelte schon wieder einen saftigen Fluch. Sir John, der karmesinrote Aracanga, der die ganze Zeit über durch die benachbarten Gassen geflattert war und jetzt wärmesuchend zu seinem Herrn zurückkehrte, wollte sich mit einem schmeichlerischen Gackern auf seiner Schulter niederlassen, doch der Profos scheuchte ihn weg wie eine lästige Fliege.

Erst mal mußte Carberry sich darüber klarwerden, was eigentlich gespielt wurde. Die Angelegenheit war total verfahren, ein Buch mit sieben Siegeln. Je mehr er herumgrübelte, desto undurchschaubarer wurde sie, und diese Tatsache versetzte ihn erst richtig in Wut.

„Sir“, sagte Dan. „Könnte nicht wirklich was Wahres an der Sache sein? Wegen der ‚Hornet“, meine ich?“

„Falls hier in Plymouth ein Lord aufgetaucht wäre, der uns eine Botschaft zu überbringen hat oder uns in irgend etwas einweihen will, würde er sich bestimmt nicht einer Handvoll Galgenstricke bedienen, um uns zu sich zu rufen“, erwiderte der Seewolf, und diese Feststellung genügte seinen Männern, um sie vollends davon zu überzeugen, was für eine haarsträubende Lügengeschichte dieser Reeves ihnen aufgetischt hatte.

„Was machen wir mit diesem Lumpengesindel?“ wollte Old O’Flynn mit einem Fingerzeig auf die immer noch bewußtlosen sechs Gegner wissen.

„Durchsuchen“, ordnete der Seewolf an, und sie beugten sich über die reglosen Gestalten.

Bei dieser Leibesvisitation förderten sie aber nur Waffen zutage, ein wenig Munition und eine Handvoll Münzen, sonst nichts. Hasard deutete zu den Piers und nickte seinen Männern zu. Sie packten die sechs Kerle, schleppten sie über den Kai zu den Piers und beförderten sie einen nach dem anderen ins Hafenwasser.

Mit einem lauten Klatscher verschwand der erste in den schwärzlichen Fluten, dann die nächsten beiden. Der vierte kam plötzlich zu sich, riß die Augen weit auf und blickte abwechselnd Shane und Carberry an, die gerade Anstalten trafen, auch ihn ins Wasser zu werfen.

„Aufhören!“ stieß er entsetzt aus. „Seid ihr wahnsinnig?“

„Paß auf, wie du sprichst, du Affe“, sagte der Profos grimmig. „Sonst hänge ich dir zusätzlich noch einen Stein ans Bein.“

„Ich – ich kann euch alles erklären!“

„Interessant“, brummte Shane. „Aber nimm jetzt erst mal ein Bad, es scheint ein Jahr her zu sein, daß du den letzten Dreck von dir abgekratzt hast. O Jesus, du stinkst ja, Junge.“

Old O’Flynn kicherte, Dan und Roger lachten. Ben und Ferris schwiegen.

Hasard trat auf den fremden Mann zu und sagte nur ein einziges Wort: „Name?“

„Hoback. Ray Hoback.“

„Kennst du Reeves?“

Hobacks Blick irrte zu Reeves’ regloser Gestalt auf der Pier, die noch darauf wartete, dem Wasser übergeben zu werden. Vorsichtshalber schüttelte er den Kopf, aber es war seinem Gesicht deutlich abzulesen, daß dies eine Lüge war.

„Wer schickt euch, Hoback?“ fragte der Seewolf ärgerlich.

„Lord Gerald Cliveden“, entgegnete der Mann leise. „Aber das ist ein Geheimnis, keiner außer euch darf es erfahren.“

„Ab in den Teich mit ihm“, sagte Hasard. Shane und Carberry hoben gleichzeitig die Füße und versetzten Hoback je einen Tritt, so daß dieser wie von einem Katapult geschnellt von der Pier flog und in den Fluten landete. Hier tauchte er zunächst unter und gleich darauf wieder auf. Dann gesellte er sich zu seinen Kumpanen, die jetzt ebenfalls die Köpfe aus dem Wasser erhoben hatten und heftig prusteten.

Auch mit dem fünften und dem sechsten Mann fackelten die Seewölfe nicht lange, dann wandten sie sich ab und setzten ihren Weg zur „Bloody Mary“ fort, wo der Rest der Crew auf sie wartete.

Keiner von ihnen ahnte, daß sie doch einem peinlichen Irrtum erlegen waren.

Zwei Gestalten standen wie Wachtposten vor der Kneipe des Nathaniel Plymson. Beim Nähertreten identifizierten Hasard und seine sieben Begleiter sie als Smoky und Jack Finnegan. Die beiden drehten immer wieder ihre Köpfe in alle Richtungen und hielten allem Anschein nach Ausschau nach ihren Kameraden.

Sie entdeckten sie wegen des Nebels erst, als diese auf wenige Schritte an sie heran waren. Smoky stieß einen Fluch aus.

„Herrgott, Sir“, sagte er. „Wo habt ihr denn bloß gesteckt? Wir haben uns schon um euch gesorgt. Ihr wolltet doch bloß kurz zum alten Ramsgate, um euch davon zu überzeugen, daß es mit den Arbeiten am Schiff vorangeht, und dann …“

„Dann wollten wir uns hier zu einem Umtrunk mit euch anderen treffen“, unterbrach Hasard ihn lächelnd. „Also gut, da sind wir. Wieso regst du dich auf? Sind die anderen denn schon alle da?“

Smoky, der Decksälteste von der „Isabella“, musterte seinen Kapitän nachdenklich von oben bis unten. „Es fehlt keiner, und Plymson, diese Ratte, hat schon wieder seinen unruhigen Blick, weil er um seine Einrichtung bangt. Aber willst du mir nicht endlich erzählen, was vorgefallen ist?“

„Ist denn was gewesen? Sieht man mir das an?“ fragte der Seewolf amüsiert. „Jawohl, Sir. Du hast da einen frischen Kratzer an deiner linken Wange, und in deinem Hemdsärmel ist ein Riß.“

„Ihr seht auch ein bißchen ramponiert aus“, sagte Jack Finnegan zu den sieben anderen Männern und grinste. „Kleine Auseinandersetzung gehabt, was? War das eine Meinungsverschiedenheit? Mit wem denn?“

Sir John, der jetzt doch in Carberrys Hemd untergekrochen war, streckte seinen Kopf zum Ausschnitt heraus und krächzte: „Klar bei Brassen, ihr Kakerlaken! Feind an Backbord!“

Die Männer lachten.

Hasard sagte: „Das erzähle ich, wenn wir drinnen sind, sonst muß ich ja alles zweimal sagen.“

So betraten sie gemeinsam die „Bloody Mary“, die schon seit vielen Jahren ihr Treffpunkt war, wenn sie sich in Plymouth aufhielten – sehr zum Leidwesen Nathaniel Plymsons, der einige berechtigte Gründe dafür aufzählen konnte, warum er vor den Seewölfen zitterte, wenn er sie nur auf die Distanz von hundert Yards erblickte.

Die „Bloody Mary“ stand an der Ecke Milbay Road und St. Mary Street. Sie war das Erbe des Großvaters von Nathaniel Plymson, das sein mißratener Enkel wie seinen Augapfel hütete. Dabei scherte es den dikken Plymson einen Dreck, was die Bürger von Plymouth von ihm und seiner Kneipe hielten. Daß sie eine Lasterhöhle war, in der die Seeleute ihren letzten Copper versoffen, wußte er selbst. Und daß es hier nicht immer mit rechten Dingen zuging, war auch jedem klar.

Für Plymson war sie nichts anderes als eine ergiebige Goldgrube. Hinzu gesellte sich noch der Judaslohn für gepreßte Seeleute, den der Wirt sich nebenbei verdiente. Die Fahrensmänner, die ihm zum Opfer fielen, waren längst hinter der Kimm verschwunden, wenn sie aus ihrem Katzenjammer erwachten und sich an Bord eines fremden Schiffes wiederfanden. Die meisten von ihnen wußten nicht einmal, wie ihnen geschehen war, und segelten dann einem ungewissen Schicksal entgegen.

Hasard öffnete die Tür und trat als erster ein.

In der Schenke herrschte das übliche Halbdunkel, gegen das die wenigen Öllampen nicht anzukämpfen vermochten. Der rötlich-dämmrige Schimmer fiel auf die Platten der Tische und hölzernen Bänke und beleuchtete auch die Theke, hinter der Plymson einem fetten Frosch gleich mit unstetem Blick wartete.

Neu gekalkt war der Raum jetzt und auch sonst hatte sich einiges verändert, seit die letzte Schlägerei stattgefunden hatte. Aber der armlange Stör hing nach wie vor am alten Platz und hatte das Maul weit aufgerissen. Er war allerdings nicht mehr ganz so verstaubt wie sonst, wahrscheinlich hatte der Dicke ihn in einem Anfall von Reinlichkeitswut gesäubert. Als Dan O’Flynn als letzter die Tür hinter sich schloß, geriet das ausgestopfte Tier lebhaft in Bewegung. Es hatte den Anschein, als wolle es schleunigst davonschwimmen, um bevorstehendem Verdruß zu entfliehen.

Hasard begrüßte seine Männer mit einer Handbewegung. Ja, sie waren wirklich vollzählig versammelt: Blacky, Batuti, der Kutscher, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies, Al Conroy, Jeff Bowie, Sam Roskill, Bob Grey, Luke Morgan, Will Thorne, Stenmark, Bill, Paddy Rogers, Mac Pellew und die Zwillinge.

Arwenack, der Schimpanse, hockte auf einer Tischplatte und schoß immer wieder angriffslustige Blicke auf Plymson ab, der dies seinerseits mit Blicken quittierte, aus denen klar hervorging, daß er dem Affenvieh am liebsten gleich den Hals umgedreht hätte.

Sofort umringten alle den Seewolf und wollten von ihm wissen, was sich ereignet hätte. Philip und Hasard junior, die Zwillinge, schnitten besorgte Mienen, als sie sahen, in welch lädiertem Zustand sich ihr Vater und die sieben anderen befanden.

Beschwichtigend hob der Seewolf beide Hände. „Langsam, langsam, wir sind ja noch voll manövrierfähig.“

„Auch seetüchtig?“ wollte Mac Pellew wissen.

„Auch das. Setzt euch jetzt erst mal wieder hin. Laßt uns ein Bier trinken, wir haben alle tüchtig Durst, wie ich annehme.“

Diese Bemerkung wurde mit Beifall aufgenommen, und so nahmen die Männer Platz, und auch die beiden Jungen ließen sich bei Arwenack an dem einen Tisch nieder. Plymson mußte Bier einschenken und die Humpen herantragen.

Bei Hasard blieb er stehen und versuchte, ein Lächeln auf seine Züge zu zaubern, was ihm jedoch mißlang. Es wurde nur eine schiefe, freudlose Grimasse daraus.

„Mister Killigrew“, sagte er, „Sir, ich hätte da eine Bitte.“ Sein Blick huschte über die Gesichter der über zwei Dutzend Gäste, und auch dies war nicht dazu angetan, seine momentane Stimmung zu heben. Im Gegenteil, ihm war hundeelend zumute.

Der Seewolf lehnte sich zurück, bis sein Rücken die Wand berührte. Aufmerksam betrachtete er den dikken Mann.

„Nun mal nicht so förmlich, Plymmie“, sagte er. „Das ist doch sonst nicht deine Art. Wo drückt dich der Schuh?“

„Das wissen Sie ganz genau“, murmelte Plymson.

Hasard schüttelte den Kopf. „Nein, keine Ahnung. Wenn du auf deine Einrichtung anspielst – die bleibt natürlich heil. Wir haben dir in der letzten Zeit höchstens mal einen Stuhl umgeworfen, mehr aber auch nicht.“

„Aber das …“

„Das ist die volle Wahrheit“, fiel Ben dem Dicken ins Wort. „Du tust ja gerade so, als wären wir die schlimmsten Radaubrüder. Hör mal zu, Plymmie, wir könnten das leicht als Beleidigung auffassen, dabei hatten wir heute abend eigentlich vor, uns hübsch friedlich zu verhalten. Wir haben nämlich was zu besprechen, verstehst du?“

„Ja“, beeilte sich Plymson zu sagen. „Und selbstverständlich wollte ich euch nicht, äh – zu nahe treten. Will nichts gesagt haben.“

„Und deine Bitte?“ fragte der Seewolf.

Nathaniel Plymson verschlang seine Finger ineinander, er sah urkomisch aus. „Ich flehe euch an, schlagt mir nicht die Sachen kaputt. Es hat mich ein Heidengeld gekostet, die letzten Schäden wieder instand zu setzen, und keiner ersetzt mir hier was, wenn der Laden in die Brüche geht.“

„Jetzt fängt der Kerl schon wieder an“, sagte Blacky erbost und hieb mit der Faust auf den Tisch, daß die Humpen ins Wackeln gerieten.

Plymson zuckte unwillkürlich zusammen.

„Er will uns herausfordern!“ rief Matt Davies. Dabei hob er bedeutungsvoll seine scharfgeschliffene Eisenprothese. Jeff Bowie, der auch solch eine Hakenhand hatte, folgte mit bösem Grinsen diesem Beispiel.

„Plymson, mit dir stimmt heute abend was nicht“, sagte drohend Ed Carberry. „Ich seh’s dir an. Weiß der Henker, was du im Schilde führst, aber irgendwas ist hier faul, alter Freund. Richtig? Was? Wie?“

Plymson verschwand wieselflink hinter seiner Theke, es war erstaunlich, wie schnell er sich trotz seiner Körpermassen bewegen konnte. Nach allem Dafürhalten war es besser, wenn er nichts mehr sagte, es kam ja doch nichts dabei heraus.

Die Zwillinge hielten sich die Hand vor den Mund und prusteten, und auch die Männer konnten sich ihr Lachen kaum verkneifen. Mit Plymson hatten sie schon immer viel Spaß gehabt, so oder so. Es war gewissermaßen eine Tradition geworden, bei ihm einzukehren und für Krawall zu sorgen.

Besonders amüsant fanden Paddy Rogers, Jack Finnegan und Roger Brighton dieses Geplänkel, denn sie waren ja neu in der Crew. Mac Pellew rieb sich die Hände und grinste. Gewöhnlich trug er eine griesgrämige Miene zur Schau, aber seit Hasard ihn aus dem Kerker losgekauft hatte, konnte er sich über geringe Kleinigkeiten freuen wie ein Kind.

Der Profos sah immer noch derart aufgebracht zu Plymson hinüber, daß dieser sich wünschte, lieber zu zerschmelzen oder sich in einem der zahlreichen Löcher zu verkriechen, die seinen Untermietern, den Mäusen, als Türen dienten.

„Teufel auch“, brummte Carberry. „Ich werde den Verdacht nicht los, daß der Hund irgendwas gegen uns vorhat. Ob er vielleicht sogar die Bastarde geschickt hat, die uns die Birnen weichklopfen wollten? He, Shane, was hältst du davon?“

„Nicht viel“, erwiderte der ehemalige Schmied von Arwenack. „Er weiß doch, wie so was für ihn enden würde.“

„Der wird nie gescheit“, sagte Ferris Tucker und pflichtete somit den Worten Carberrys bei. „Er ist nur gerissen, aber nicht klug. Und für Geld würde er seinen eigenen Großvater umbringen, falls der noch lebte.“

„Übrigens“, sagte Smoky. „Was ist euch denn nun eigentlich zugestoßen? Spannt uns nicht so auf die Folter.“

Hasard nahm noch einen Schluck von seinem Bier, dann berichtete er. Die Männer steckten die Köpfe zusammen und debattierten über den Vorfall, es wurden die abenteuerlichsten Theorien über die Sache aufgestellt.

Plymson beobachtete die Seewölfe, rang wieder die Hände und fragte sich, warum er solch ein Esel war und die Kneipe für die Zeit, in der sie sich in Plymouth aufhielten, nicht geschlossen hatte. Früher oder später gab es nämlich doch wieder Ärger, das ahnte er nicht nur, das wußte er ganz genau.

Immer wenn diese Männer in der „Bloody Mary“ auftauchten, war der Teufel los. Sie hatten ihm schon oft genug versichert, sie würden sich so zahm wie Mönche benehmen, aber nie war davon etwas wahr gewesen. Vor seinem geistigen Auge liefen wieder deutlich die Szenen ab – da flogen Bänke, Stühle und Tische durch die Gewölbe, Männer segelten über den Boden, und der Profos wischte mit ihm selbst, mit Nathaniel Plymson, den Boden auf.

Einmal hatten diese Kerle ihn sogar mit portugiesischem Rotwein eingeschläfert, da hatte er so tief und fest geschlafen, daß nicht mal der grobe Johann, sein Gehilfe, ihn wieder hatte aufwecken können. Zu jeder Schandtat waren diese Seewölfe fähig. Was würden sie dieses Mal aushecken?

Plymson wurde immer nervöser, seine Finger fanden keine Ruhe. Für einen Augenblick gelangte er zu der Erkenntnis, daß es wohl doch besser gewesen wäre, wenn er ein redliches Dasein geführt hätte – dann hätten sie nie einen Pik auf ihn bekommen.

Aber die Dinge ließen sich nicht mehr ändern, und man mußte das Leben nehmen, wie es war. Seufzend blickte er zur Tür, die sich gerade in diesem Moment wieder öffnete, und sofort beschäftigten sich seine Gedanken damit, wie er die neuen Gäste wohl am besten begaunern konnte. Er war eben unverbesserlich.

Die Gäste entpuppten sich als eine Gruppe von zehn Männern, die schon am Vorabend bei ihm gewesen waren. Es waren harte Kerle von einem der Küstensegler, der im Hafen lag. Sie waren offensichtlich noch jetzt von dem Rotwein angetan, den er ihnen verkauft hatte. Das las er ihren Mienen ab.

„Der Wein, den wir gestern abend mit aufs Schiff genommen haben“, sagte ihr Anführer, ein Mann mit dichtem blondem Bart und buschigen Augenbrauen, der wohl der Bootsmann war, zur Begrüßung, „der war wirklich beste Klasse. Ausgezeichnet, Plymson. Gib uns noch was von dem Zeug.“

Plymsons Gesicht verwandelte sich in eine Grimasse des Wohlwollens.

„Aber gern doch“, sagte er ölig. „Sofort, Gentlemen.“ Schon trat er ans Faß und ließ den Krug vollaufen. Er hatte die Kerle mit gutem Wein geködert, jetzt aber würde er ihnen das gepanschte Zeug zu trinken geben und ihnen obendrein noch ein Fäßchen zu einem horrenden Preis verkaufen. Jetzt war er wieder in seinem Element, und er vergaß für kurze Zeit die Seewölfe, die immer noch über den Vorfall am Kai diskutierten.

Doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm.

Seewölfe Paket 15

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