Читать книгу Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 38
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ОглавлениеDie „Hornet“ schwoite im starken Wind, der von See her wehte, und zerrte am starken Ankertau. Nebelbänke, zerfetzt von Böen, jagten geisterhaft vorbei und hüllten Philip Hasard Killigrew ein, der sich über das Schanzkleid an der Steuerbordseite der Kuhl beugte und beobachtete, wie das Beiboot abgefiert wurde.
Der Seewolf fluchte unterdrückt und lauschte auf das entfernte Dröhnen, als befände sich jenseits der Nebelbänke der Schlund der Hölle.
Er wußte, wie gefährlich die Brandung an dieser Küste sein konnte, aber es blieb ihm keine andere Wahl. Sie mußten an Land, wenn sie ein paar der französischen Freibeuter erwischen wollten, die nach dem Untergang zweier ihrer Schiffe hatten an Land schwimmen können.
Zum Glück hatte der Sturm etwas nachgelassen, aber dafür lagen sie jetzt auf Legerwall. Der Seewolf warf einen Blick zu Ben Brighton auf dem Achterdeck hinauf, und er sah das bedenkliche Gesicht seines Ersten Offiziers. Dennoch war er überzeugt, daß Ben keine Mühe haben würde, die freie See zu gewinnen, wenn die Lage kritisch wurde.
Aus einer Nebelbank tauchte plötzlich die „Fidelity“ auf. Hasard sah, daß auch Terry sein Boot bereits zu Wasser gelassen hatte und dabei war, über die Berghölzer ins Boot zu steigen. Sein Gesicht verzog sich etwas. Er mochte diesen blonden, kantigen Zyniker nicht, aber er hatte ihm während der Schlacht gegen die vier französischen Freibeuterschiffe neidlos zugestehen müssen, daß er ein harter und ausgezeichneter Kämpfer war.
Das Beiboot der „Hornet“ klatschte aufs Wasser und schlug mit dumpfem Laut gegen den Rumpf der Galeone. Geschmeidig enterten die ausgewählten Bootsgasten für diesen Landausflug übers Schanzkleid ins Boot ab.
Hasard wartete, bis Carberry, Ferris Tucker, Shane, Blacky, Finnegan, Dan O’Flynn, Matt Davies und Stenmark auf ihren Duchten saßen. Er wandte sich noch einmal um und blickte zu Ben Brighton hinüber, der ihm mit einer Handbewegung viel Glück wünschte. Neben Ben sah er seine beiden Söhne stehen, und neben den Zwillingen tauchte soeben auch Mac Pellew auf, der ehemalige Koch der „Golden Hind“, den er kürzlich in Plymouth aus dem Schuldturm ausgelöst hatte.
Hasard winkte zurück. Flüchtig schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, wie groß diese beiden Rangen inzwischen geworden waren. Und wie so oft, mußte Hasard in diesem Moment auch an die Mutter der beiden denken und auch daran, auf welche entsetzliche Weise seine Frau Gwendolin damals ums Leben gekommen war. Hasard riß sich aus seinen Gedanken und schwang sich dann ebenfalls über das Schanzkleid, um von dort behende ins Boot abzuentern, das von Carberry und Ferris Tucker sofort vom Rumpf der „Hornet“ abgestoßen wurde. Niemand sprach ein Wort, sie wußten alle, was ihnen bevorstand.
Hasard hörte das Klatschen der Riemen von Easton Terrys Boot, das in ihrer Nähe sein mußte, doch er sah es nicht. Eine Nebelbank hatte die „Fidelity“ wieder verschluckt.
Mit Zeichen gab Hasard die Richtung an. Seine ganzen Sinne waren auf die lauter werdende Brandung gerichtet. Mit einemmal riß der Nebel auf, und in mehreren hundert Yards Entfernung sah er im grauen Licht des frühen Morgens die ungeheuren Gischtkronen der sich an der felsigen Küste brechenden Wellen.
Er biß die Zähne aufeinander und schaute sich nach Terrys Boot um. Aber zur See hin konnte er nicht einmal die Hand vor Augen erkennen.
Er dachte einen kurzen Augenblick an ihr Gefecht mit den Franzosen. Eine Menge Freibeuter hatten nach dem Untergang ihrer Schiffe im Sturm sicher ihr Leben lassen müssen. Eins ihrer Boote, das sie noch zu Wasser hatten bringen können, war gekentert, aber bestimmt hatten sich viele Männer schwimmend an die Küste retten können.
Ein Schatten tauchte an Steuerbord auf. Instinktiv griff der Seewolf nach seiner Pistole, die er im Gürtel stecken hatte, aber dann erkannte er das Boot Easton Terrys. Der Korsar stand breitbeinig im Heck des Bootes, und sein übliches geringschätziges Lächeln, das seine kalten grauen Augen allerdings nicht erreichte, verzog sein kantiges Gesicht.
Der Seewolf wandte den Kopf. Er mußte sich auf die Brandung konzentrieren, deren dumpfes Brüllen jetzt alle anderen Geräusche übertönte.
An den sich bewegenden Lippen seines Profos’ sah Hasard, daß dieser fluchte, und er wußte, wem seine Flüche galten. Mit einem heftigen Handzeichen gab Hasard ihm zu verstehen, daß er sich gefälligst auf seinen Riemen konzentrieren solle.
Das Boot begann zu stampfen; als es in die ersten von Gischtkronen bedeckten Brandungswellen geriet. Noch war die Gefahr nicht groß, der härtere Teil erwartete sie dicht unter der Küste, wo sich die Wellen an den Unterwasserklippen brachen und gefährliche Strudel auslösten, die ein Boot in Sekundenschnelle zu Kleinholz verarbeiten konnten.
Ein Schrei übertönte das Dröhnen der Brecher. Der Seewolf sah, wie sich das Boot Terrys für einen Moment aus den Wellen hob, auf einem Gischtkamm tanzte und sich dann drehte, als hätte jemand daran gezerrt. Auch die anderen Männer in Hasards Boot hatten auf den Schrei hin die Köpfe herumgerissen. Auf Carberrys narbigem Gesicht zeichnete sich eine höllische Schadenfreude ab, aber die verschwand schnell, als er sah, daß es Terry und seinen Bootsgasten gelang, ihr Beiboot wieder unter Kontrolle zu bringen.
Easton Terry war von der Woge bis dicht unter die Küste getragen worden, und Hasard erkannte, daß er die Brandung mit viel Glück gemeistert hatte. Er brüllte auf, als er den riesigen Brecher sah, der ihm den Blick zur Küste verdeckte. Er schrie seine Männer an, die sich in die Riemen legten, was das Zeug hielt.
Die Bugspitze des Beibootes tauchte in den gischtenden Brecher, ein ungeheurer Schwall Wasser brach über das Boot herein und fegte Stenmark und Finnegan von ihren Duchten. Ihre Riemen wurden durch die Luft gewirbelt. Finnegan, der sich krampfhaft an seinem Riemen festhielt, kriegte den Griff vors Gesicht geknallt und ließ brüllend los. Mitsamt der Dolle segelte der Riemen davon, als ob er Flügel hätte.
Stenmarks Riemen war gesplittert. Er zerrte das Stück, das er noch in den verkrampften Händen hielt, aus der Dolle und schleuderte das Ding weit von sich.
Sie hatten den Brecher überstanden und tauchten zischend in das nächste Wellental. Ein häßliches Knirschen erschütterte das Boot und brachte den Bug aus der Richtung.
„Ein Riff!“ brüllte Carberry.
„Wollt ihr wohl pullen, ihr Hundesöhne!“ schrie Hasard, der wußte, daß sie verloren waren, wenn der nächste Brecher sie in voller Breitseite erwischte.
Sie schafften es nicht mehr ganz. Der Bug des Bootes war noch nicht wieder auf die Küste gerichtet, als der nächste Brecher es anhob und in eine Drehbewegung versetzte, daß den Seewölfen Hören und Sehen verging.
Hasard war zu Boden gegangen. In seinen Ohren war ein Brausen und Dröhnen, wie er es noch nie erlebt hatte. Das Boot sackte wieder weg, und er fühlte sich plötzlich leicht und angehoben. Dann ein Ruck, ein Knirschen, als zerrten Gewalten an dem Boot, um es auseinanderzubrechen.
Hasard knallte mit dem Kopf gegen die achtere Ducht. Er hatte plötzlich Carberrys verzerrtes Gesicht vor sich und spürte, wie sich dessen mächtige Faust in seinem Rock verkrallte.
Er wischte die Faust beiseite und schrie: „Haltet die Riemen fest, Männer, wir haben es gleich geschafft!“
Er glaubte selbst nicht daran, aber wenn sie sich in diesem Wirbel der Gewalten aufgaben, waren sie wirklich verloren.
Plötzlich war es wieder hell um sie.
Hasard sah Felsen vor sich auftauchen, als seien sie aus dem Wasser gewachsen. Er riß die Pinne, die er wieder gepackt hatte, herum, brüllte einen scharfen Befehl, und die Rudergasten an Steuerbord schwenkten blitzschnell ihre Riemen vor. Ein scharrendes Geräusch, dann waren sie an dem Felsen vorbei.
Der Seewolf dachte in diesem Augenblick, daß sie es geschafft hatten, doch dann war erst die richtige kochende Hölle um sie herum.
Das Beiboot wurde angehoben, herumgeschleudert und kenterte fast. Wasser war über, unter, neben den Männern. Sie konnten sich nur noch festklammern. Ruderschläge waren in diesem Inferno nutzlos.
Ein weiterer Strudel hatte sie gepackt. Er stieß das fast gekenterte Boot wieder hoch, und Hasard und die anderen konnten für Sekunden wieder Luft schnappen.
Plötzlich ließ sich das Boot wieder steuern. Die Riemen tauchten in ruhigeres Wasser. Das Brüllen der Brecher schien mit einemmal hinter ihnen verschwunden zu sein.
Eine dichte Nebelbank hüllte sie ein. Sie hörten gedämpftes Rufen. Für einen Moment hatte der Seewolf die Orientierung verloren. Er lauschte dem Orgeln des Windes und den Geräuschen, die die gegen die Felsen donnernden Wellen verursachten. Sie mußten in einer kleinen Bucht gelandet sein, deren vorspringende Felsnase die Wucht des Windes und der Wellen brach.
Die Nebelbank kroch an den Felsen hinauf und schob sich darüber hinweg wie eine gleitende, zusammenhängende Masse.
Der Strand lag plötzlich vor ihnen. Sie sahen das Boot Easton Terrys am schmalen Sandstreifen. Seine Männer hatten offensichtlich weniger Schwierigkeiten gehabt, die Bucht zu erreichen.
Carberry, der den Kopf gewandt hatte und ebenfalls zum Strand hinüberblickte, lief rot an, als er das abfällige Lächeln um Terrys Mundwinkel sah. Er ballte die Hände, und der Seewolf hörte, wie er leise vor sich hinmurmelte: „Ich dreh dem Bastard noch mal den Hals um!“
Easton Terry wartete, bis Hasard und seine Männer den Strand erreichten, aus dem Boot sprangen und es auf den Sand zogen. Er traf keine Anstalten, Hasard entgegenzugehen und ihn zu begrüßen.
Der Seewolf blickte seine Männer an. Niemand von ihnen schien eine ernsthafte Verletzung davongetragen zu haben. Nur Finnegans Lippe blutete ein wenig, und seine Nase begann sich ins Bläuliche zu verfärben.
Außer den beiden Riemen war auch am Beiboot noch alles heil. Ohne sich zu bücken, warf Hasard einen kurzen Blick auf die Steuerbordseite, wo der Rumpf an dem Felsen vorbeigeschrammt war. Aber er konnte kein Leck entdecken. Er nickte Carberry zu, der mit den anderen Bootsgasten das Boot aufklarte und das restliche Wasser ausschöpfte, dann ging er zu Terry hinüber.
„Freut mich, daß Sie es geschafft haben, die paar Wellen abzureiten, Mister Killigrew“, sagte Terry.
Du verdammter Angeber! dachte der Seewolf, aber laut erwiderte er: „Wir lieben es nun mal nicht, die einfachsten Wege zu gehen.“
Easton Terry zog die Brauen hoch. Das abfällige Lächeln war für einen Moment aus seinem kantigen Gesicht verschwunden. Hasard merkte, daß Terry sich auf den Arm genommen fühlte. Doch der Ausdruck in seinen grauen Augen änderte sich schnell wieder. Er nahm den Hut ab, und seine fast schulterlangen blonden Haare wehten im steifen Wind.
Hasard sah, wie er aufs Meer hinaus sah, und er blickte sich um. Die „Hornet“ und die „Fidelity“ lagen nicht weit voneinander entfernt vor Anker. Hasard hoffte, daß die französischen Piraten nach ihrer vernichtenden Niederlage erst einmal genug hatten. Er glaubte nicht, daß sich die beiden entwischten Schiffe in den nächsten Stunden wieder hier blicken lassen würden.
Er wandte sich an Terry.
„Meine Hochachtung, Mister Terry“, sagte er. „Es war eine ausgezeichnete Schlacht. Ich hätte mir keinen besseren Mitstreiter aussuchen können.“
Er meinte zwar nicht, was er sagte, aber warum sollte er Terry nicht seine Anerkennung aussprechen? Vielleicht nahm das seinem Zynismus und seiner Überheblichkeit ein bißchen die Spitze.
Hasard merkte schnell, daß er sich gründlich getäuscht hatte. Das Grinsen auf Terrys Gesicht war schon mehr als eine Beleidigung. Er tat, als hätte der Seewolf noch weit untertrieben.
„Sie sind nicht der einzige, Mister Killigrew, der große Stücke auf mich hält“, erwiderte er großspurig. „Wie wäre es, wenn Sie mir den Oberbefehl über unser Unternehmen übertrügen? Das Risiko, daß etwas schiefgeht, wäre damit ausgeschaltet.“
Der Seewolf hörte neben sich ein Geräusch, das sich wie eine Mischung aus dem Brummen eines Braunbären und dem Stöhnen eines geschundenen Mannes anhörte. Aus den Augenwinkeln sah er Carberry heranstampfen. Der Profos blieb neben ihm stehen, und sein Gesicht sah aus, als müßte ihm jeden Augenblick Dampf aus den Ohren und der Nase steigen.
„Es freut mich, daß Sie nicht an Minderwertigkeitskomplexen leiden, Mister Terry“, sagte Hasard. „Und es ist mir durchaus recht, wenn Sie und Ihre Männer während unseres Einsatzes keine Fehler begehen.“
Easton Terry begann zu lachen, aber seine grauen Augen blieben davon unberührt. Sie blickten Hasard kalt an.
„Sie scheinen ein Mann ohne Humor zu sein, Killigrew“, erwiderte er heiter.
Hasard hob die Schultern.
„Wahrscheinlich haben wir nur eine andere Art von Humor“, sagte er. Er wies zu den Felsen hinüber, die den schmalen Sandstrand einschlossen. „Gehen wir dort hinüber und beratschlagen, wie wir die Sache am besten anpacken. Ich nehme nicht an, daß sich die beiden geflohenen Schiffe so bald wieder in dieser Bucht sehen lassen werden.“
„Das will ich meinen“, sagte Terry.
Hasard winkte seinen Männern zu, ihm zu folgen. Carberry stiefelte dicht neben ihm her.
„Wie lange willst du dir das von dem verdammten Affen noch bieten lassen?“ fragte er wütend. „Laß mich sein hämisches Grinsen mit einem Belegnagel breitklopfen, und ich verspreche dir, daß ich ein halbes Jahr auf meine Rumrationen verzichte.“
Der Seewolf schüttelte den Kopf.
„Bleib ruhig, Ed“, sagte er leise. „Du weißt, wie wichtig unsere Mission für England ist. Ich konnte mir den Partner nicht aussuchen. Er ist ein harter Kämpfer, und das ist im Augenblick das wichtigste. Vielleicht kann er nicht mal was dafür, daß er immer so schäbig grinsen muß.“
„Und ob der was dafür kann!“ stieß Carberry hervor, und sein narbiges Gesicht glühte vor Zorn. „Das ist ein eiskalter Hund, den Englands Wohlergehen einen Scheißdreck interessiert, glaub mir. Das ist ein Killer, nichts weiter. Und wenn wir uns mit ihm einlassen, wird er uns eines Tages alle unter die Erde bringen.“
„Du übertreibst, Ed“, murmelte Hasard, aber er wußte, daß Carberry im großen und ganzen recht hatte. Er selbst schätzte Terry nicht viel anders ein. Seine ganze Art bewies, daß für ihn nur eins zählte: er selbst.
Im Sichtschutz der Felsen blieb der Seewolf stehen und wartete, bis Terry und seine Männer heran waren.
Der Seewolf blickte ihnen entgegen. Ein paar von ihnen kannte er aus London schon mit Namen. Da war der hochgewachsene, schlanke Jerry Reeves, Terrys Bootsmann. Er war ein Mann, der voller Energien zu stecken schien, immer in Bewegung, die Augen überall. Reeves sollte ein hervorragender Kanonenschütze sein, und im Gefecht gegen die französischen Freibeuter hatte er sein Können schon in ausreichendem Maße unter Beweis gestellt.
Neben Reeves stand Stoker, der Decksälteste der Terry-Crew. Shane hatte behauptet, der Kerl hätte mehr Ähnlichkeit mit ihrem Schimpansen Arwenack als mit einem Menschen. Der Eindruck war nicht unrichtig, hatte Stoker doch viel zu lange Arme für seinen gedrungenen Körper. Außerdem hatte er eine flache, in tausend Falten gelegte Stirn. Stoker sah ziemlich bescheuert aus, aber immer, wenn Hasard in seine Augen blickte, dachte er, daß der Mann ein Bluffer war. Er war offensichtlich bei weitem nicht so dumm, wie er aussah.
Mulligan, der auf Terrys anderer Seite stand, war als Schiffszimmermann auf der „Fidelity“. Er war ein großer, ungeschlachter Klotz mit stoppelkurzen strohblonden Haaren und einem etwas träumerischen Blick.
Der Ausdruck der kalten Augen des Mannes neben ihm war alles andere als träumerisch. Halibut hieß der Kerl, der sich an Mulligans Seite hielt. Mit seinem stumpfsinnigen Gesichtsausdruck hatte er schon so manchen getäuscht, aber der Seewolf spürte, daß dieser Kerl zu der hinterhältigen Sorte gehörte, die es fertigbrachte, die eigene Großmutter wegen ein paar Pennies um die Ecke zu bringen.
Die vier anderen Burschen waren dem Seewolf vom Namen her unbekannt, aber sie standen den anderen wahrscheinlich an Kampfkraft in nichts nach. Terry hatte sicher nicht die schwächsten Kerle für diesen Landgang ausgesucht.
„Es gibt nicht viele Möglichkeiten für die überlebenden Schiffbrüchigen, sich hier in dieser Gegend zu verbergen“, begann Terry. „In den Dörfern dürfen sie sich nicht sehen lassen, weil man ihnen die Haut abzieht, wenn man sie unbewaffnet erwischt. Und sie werden außer ein paar Messern keine Waffen mehr bei sich haben.“
Der Seewolf nickte. „Ich nehme auch an, daß sie sich in den Wäldern verborgen haben. Es dürfte uns nicht schwerfallen, sie zuhauf zu treiben und gefangenzunehmen.“
Terry blickte den Seewolf an.
„Und was wollen Sie mit den Kerlen anfangen, Killigrew?“ fragte er zynisch. „Wollen Sie sie in Ihre Kammer zu einem Glas Port einladen?“
„Darf ich mit einer Gegenfrage antworten, Terry?“ fragte Hasard zurück. „Wie haben Sie es sich vorgestellt?“
„Eine ziemlich einfältige Frage, Mister Killigrew“, erwiderte Easton Terry überheblich. „Wir werden uns ein oder zwei Gefangene holen und den Rest über den Haufen schießen oder niederstechen, damit wir nicht irgendwann und irgendwo wieder auf sie treffen, wo sie uns dann töten könnten.“
Aus den Augenwinkeln sah der Seewolf die harten Gesichter seiner Männer, und er war froh, daß Terrys mörderische Absicht bei ihnen genauso auf eisige Ablehnung stieß wie bei ihm selbst.
„Wir sind keine Mörder, Mister Terry“, sagte Hasard kalt. „Merken Sie sich das, solange Sie unter meinem Kommando stehen. Wir werden alle Piraten, die wir im Wald auftreiben, lebend einfangen und an Bord unserer Schiffe bringen.“
„Dürfen wir uns wehren, wenn sie uns angreifen?“ fragte der Mann namens Halibut hämisch, und Terry, der es sich eigentlich hätte verbitten müssen, daß sich einer seiner Männer ungefragt in die Unterhaltung einmischte, setzte nur sein abfälliges Lächeln wieder auf.
Der Seewolf überging die Bemerkung des plattnasigen Mannes.
„Ich werde jede Zuwiderhandlung gegen meinen Befehl unnachsichtig bestrafen“, sagte er mit harter Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Terry drehte sich mit einem Grinsen um und wollte seinen Männern das Zeichen zum Aufbruch geben, aber Hasards Stimme hielt ihn zurück.
„Es ist nicht so, daß ich Ihnen nicht traue, Mister Terry“, sagte er, „aber ich möchte, daß ein paar meiner Männer mit Ihnen gehen, ein paar von Ihren Männern mit mir.“ Er drehte sich um. „Shane, Blacky und Carberry, ihr schließt euch der Gruppe Mister Terrys an.“
Sie traten sofort zu Terrys Leuten hinüber. Hasard dachte einen Augenblick daran, ob er keinen Fehler begangen hatte, ausgerechnet Carberry mit Terry gehen zu lassen, aber dann schüttelte er den Kopf. Wenn Ed auch manchmal leicht explodierte, in bestimmten Situationen behielt er einen klaren Kopf.
Terry teilte Stoker, Halibut und einen dritten Mann ein, dessen Name Hasard nicht kannte. Dann brach Terrys Gruppe auf und verschwand zwischen den Felsen. Edwin Carberry warf noch einen Blick zurück, den Hasard auffing. Er wußte, was der Profos ihm sagen wollte, doch er würde schon hart genug sein, um seinen Willen gegen Terry durchzusetzen.
Dan O’Flynn war vor die drei Terry-Männer getreten.
„Na, hoffentlich scheißt ihr euch nicht in die Hosen, wenn der Kampf losgeht“, sagte er grinsend.
Halibuts strichdünner Mund öffnete sich. Ein Zischen drang zwischen seinen schmalen Lippen hervor. Plötzlich hielt er ein Messer in seiner rechten Hand und reckte es Dan entgegen. Der hatte sofort reagiert, und die haarnadelscharfe Spitze seiner abgesägten Pike, die er sich an Bord der „Hornet“ gebastelt hatte, klirrte gegen die Schneide von Halibuts Messer.
„Hört auf mit dem Quatsch“, sagte Hasard. Er wandte sich an den dritten Mann. „Wie heißen Sie?“
Der Mann blickte ihn mißtrauisch an.
„Bingham, Sir!“ knurrte er. „Warum wollen Sie das wissen?“
Der Seewolf dachte: ein seltsamer Haufen, diese Leute von Terry. Er sagte: „Es könnte doch sein, daß ich Sie warnen müßte, Bingham, nicht wahr? Sie wissen schneller, daß Sie gemeint sind, wenn ich Sie mit Ihrem Namen anrufen kann, oder?“
Der Mann senkte den Kopf und nickte leicht.
„Tut mir leid, Sir“, sagte er. „Ich wollte nicht unhöflich erscheinen.“
Das waren ganz neue Töne, und Matt Davies, Dan und Stenmark nickten sich überrascht zu. Ferris Tucker hatte sich neben Stoker aufgebaut, falls dieser auch noch irgendwas zu sagen hatte. Doch der affenartige Mann hielt den Mund.
Hasard ging den Männern voraus. Zuerst folgte er den Spuren von Terrys Leuten, doch als sie den Wald vor sich sahen, schwenkte er nach Norden ab.
Die Bäume bewegten sich knarrend im steifen Westwind und übertönten die Geräusche, die die Männer verursachten.
Hasard wußte nicht, wie weitläufig das Waldgebiet war. Er hoffte nur, daß sich die Piraten nicht allzuweit von der Küste entfernt hatten.
Weiter nach Westen sah Hasard eine Kirchturmspitze über einen Hügel ragen. Die Nähe des Dorfes beunruhigte ihn, doch dann schüttelte er die Gedanken an die Gefahr ab. Sie hatten einen Auftrag zu erfüllen, und von Erfolg oder Mißerfolg hing das Wohl Englands ab, das der Rache der Spanier hilflos ausgeliefert war, wenn es dem Feind gelang, in Frankreich einen Verbündeten zu finden.