Читать книгу Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 29

5.

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Acht Männer, darunter Reeves und Ray Hoback, aber an der Spitze der Gruppe stand breitbeinig und mit dem offensichtlichen Gebaren des Anführers jener blonde Mann, der Hasard den entscheidenden Hieb verpaßt hatte. Er war groß und muskulös, hatte Narben auf der Brust sowie an den Armen und fiel durch seine grauen Augen auf, die verächtlich blitzten, und durch seinen zu einem abfälligen Lächeln verzogenen Mund.

Carberry sog die Luft laut durch die Nase ein. Seiner Miene war zu entnehmen, was er von diesem Mann hielt. Er konnte ihn auf Anhieb nicht ausstehen, und besonders dieses Lächeln fiel ihm auf die Nerven.

„Ganz recht“, sagte der Blonde. „Ich bin Easton Terry. Es freut mich wirklich, Sie kennenzulernen, Mister Killigrew.“

„Ganz meinerseits“, entgegnete Hasard, und Terrys Männer lachten. Keiner traf Anstalten, einem der Seewölfe die Hand zu schütteln. Noch war das Eis nicht gebrochen, und Terrys arrogantes Verhalten trug eher dazu bei, daß die Fronten sich wieder verhärteten.

Hasard blickte zu Cliveden. „Welche besonderen Aufgaben fallen Mister Terry und seiner glorreichen Mannschaft noch zu, Lord Gerald?“

„Sie nehmen an der Aktion, die der Sicherheit Englands dient, teil.“

„Ich fürchte, dann müssen Sie auf unser Mitwirken verzichten“, sagte der Seewolf kalt, und diese Worte waren Ben, Ed und Dan nun ganz aus dem Herzen gesprochen. Sie fingen an zu grinsen, während das Lächeln von Terry und dessen Begleitern allmählich zerbröckelte.

Ehe Cliveden jedoch etwas erwidern konnte, sagte Terry: „Spaß beiseite, Mister Killigrew, wir sollten unsere kleine Meinungsverschiedenheit vergessen. Nach dem Vorfall vor der ‚Bloody Mary‘ sind wir quitt, nicht wahr?“

„Sie haben eine sehr grobe Handschrift, Mister Terry.“

„Und meine Leute klagen jetzt noch über Schmerzen.“

„Sehr bedauerlich, Mister Terry, aber leider nicht zu ändern. Das nächste Mal geben Sie sich lieber gleich als das zu erkennen, was Sie sind – als Pirat.“

Terry schien aufbrausen zu wollen, doch er fing sich sofort wieder. „Das muß ich berichtigen. Wir sind Korsaren. Wir haben auch einen Kaperbrief, der von der Königin ausgestellt worden ist – wie Sie.“

„Gut, das lasse ich gelten.“

„Sie sind nicht – beleidigt?“

„So etwas gibt es bei mir nicht“, erwiderte Hasard, dann streckte er Terry die rechte Hand hin. Terry ergriff und drückte sie, sie nickten sich zu, der Streit war somit endgültig beigelegt.

Dennoch wahrte Hasard die Distanz, denn irgend etwas an Terry gefiel ihm nicht. Mit diesem zynischen, eiskalten Mann zusammen sollte er einen Auftrag für die Königin ausführen? Kaum zu glauben.

Hasard machte die Terry-Crew mit seinen drei Kameraden bekannt, dann nannte auch Terry die Namen seiner sieben Begleiter, die natürlich nur einen Teil der kompletten Schiffsbesatzung darstellten.

Jerry Reeves schien der jüngste Mann von allen zu sein, trotzdem versah er die Aufgabe des Bootsmannes. Er war schlank und sehnig, hochgewachsen und offenbar in seinem Wesen forsch und entschlossen. Wie Hasard hatte er dunkle Haare und hellblaue Augen. Er war schnell und wendig, das sollten die Seewölfe später noch erfahren, seine Energie ließ nie nach, und an Bord eines Schiffes zeichnete er sich als hervorragender Kanonenschütze aus. Sein Alter schätzte Hasard auf unter dreißig Jahre.

Ray Hoback war der Rudergänger, ein ziemlich beleibter Mann mit rosiger Gesichtsfarbe, der einen Vollbart hatte und im linken Ohr einen Ring trug.

Die fünf anderen waren: George Baxter, Terrys Profos, ein wuchtig gebauter Mensch, nahezu kahlköpfig, mit harten blauen Augen. Er hatte ein kaltes und unnachgiebiges Wesen, wie sich noch herausstellen sollte. Er war um einiges älter als Reeves, und stellte mit diesem zusammen den wichtigsten Mann nach Terry dar. Stoker, der Decksälteste – ein affenähnlicher Mann von gedrungener Gestalt mit langen Armen und großen Händen, einer flachen Stirn und groben Wangenknochen. Mulligan – er war der Schiffszimmermann, praktisch also Ferris Tuckers Kollege. Groß, grob und ungeschlacht, mit strohblonden Haaren und einem dichten Bartgestrüpp, so stand er vor den Seewölfen. Er war, auch das sollte sich noch zeigen, eigentlich der gutmütigste von allen Männern der Terry-Crew.

Schließlich waren da noch Halibut und Bingham. Halibut fiel durch seine platte Nase, den stumpfsinnigen Gesichtsausdruck und den strichdünnen Mund auf, er schien hinterhältig und sehr gefährlich zu sein.

Bingham war der unscheinbarste Mann von allen, sein Name geriet bei den Seewölfen gleich wieder in Vergessenheit.

Hasard richtete seine nächste Frage an Lord Gerald Cliveden. „Sollen wir etwa alle zusammen an Bord der ‚Hornet‘ gehen? Das dürfte ein bißchen eng werden, schätze ich. Die ‚Hornet‘ ist ein stattliches Schiff, aber größer als dreihundert Tonnen ist sie bestimmt nicht.“

„Richtig, Mister Killigrew“, erwiderte der Sonderbeauftragte der Königin. „Aber keine Sorge, es wird ein zweites Schiff geben, und zwar die ‚Fidelity‘. Sie läuft morgen direkt aus Brighton kommend in den Hafen von Plymouth ein. Diese Galeone, die sich in ihrer Größe nur geringfügig von der ‚Hornet‘ unterscheidet, ist für Mister Terry und dessen Mannschaft bestimmt, während Sie mit der ‚Hornet‘ das Kommando übernehmen.“

„So“, sagte Reeves. „Dann wäre die Rollenverteilung also geklärt.“

„Und wir werden uns nicht gegenseitig auf die Füße treten“, bemerkte Easton Terry mit einem raschen Blick zu Hasard. „Jeder hat sein Schiff, es dürfte keine Probleme geben.“

Die werden doch auftreten, dachte der Seewolf, aber er behielt dies lieber für sich. Ehe er weitere Bedenken äußerte, wollte er erst einmal hören, um welche Art von Auftrag es sich handelte.

Ähnlich dachten Ben, Dan und der Profos, die mit gemischten Gefühlen dem lauschten, was Lord Gerald ihnen jetzt vortrug.

„Hören Sie alle gut zu“, sagte Cliveden, nachdem er auch Terry und dessen Männer mit Wein bewirtet hatte. „Ich erkläre Ihnen jetzt alles. Mister Terry, Sie haben sich zwar vor Mister Killigrew mit mir getroffen, doch auch Sie sind über die Art des Unternehmens noch nicht unterrichtet. Was ich jetzt erkläre, ist also für Ihrer aller Ohren bestimmt. Ich bitte Sie, mir genau zuzuhören, denn ich habe nicht vor, mich zu wiederholen. Schon morgen früh verlasse ich Plymouth nach Möglichkeit wieder.“

Und wir bleiben mit dieser Terry-Bande allein zurück, dachte der Profos der „Isabella“ grimmig, Hölle, das gibt noch Verdruß.

Er hütete sich aber, dies laut zu sagen. Im übrigen drückte seine Miene auch genug von dem Mißfallen aus, das er hegte. Immer wieder warf er Terry argwöhnische Blicke zu, die diesem auch nicht entgingen. Ihre beiderseitige Animosität ließ sich nun mal nicht leugnen.

„Ich muß etwas weiter ausholen, um die Hintergründe zu beleuchten“, begann Lord Gerald Cliveden. „Haben Sie deshalb Geduld, Gentlemen. Also: Um Englands alten Feind Spanien war es etwas still geworden, seit die glorreiche Armada geschlagen worden war, und es schien so, als habe Philipp II. endgültig jeden Gedanken an eine Invasion vergessen. Doch der Schein trügt. Immerhin liegt der Untergang der Armada nun schon wieder vier Jahre zurück, wie Sie ja selbst wissen.“

Und ob die Seewölfe das wußten! Hasard und Ben tauschten einen Blick und grinsten. Sie hatten seinerzeit mitsamt der kompletten Crew an Bord der „Isabella VIII.“ an den Gefechten und schließlich auch an der Verfolgung der letzten spanischen Schiffe rund um die Insel herum teilgenommen. Erinnerungen an jene Zeit wurden jetzt wieder wach, und auch Carberry und Dan ging es da nicht anders. Gleichzeitig trauerten sie auch wieder ihrer „Old Lady Isabella“ nach, die sie ja nicht mehr besaßen.

„Der spanische König hat Zeit genug gehabt, sich von diesem Mißerfolg zu erholen, und ist inzwischen nicht untätig gewesen“, fuhr Cliveden fort. „Sie werden mich fragen, welche Beweise wir für diese Tatsache haben. Nun, es gibt sie nicht, aber unsere Vermutungen in dieser Richtung werden sicher bald eine Bestätigung erfahren. Kurzum, die Spanier versuchen wieder einmal, in Frankreich Fuß zu fassen. Der Zeitpunkt ist günstig, denn nach Heinrichs III. Regime zeichnet sich bei unseren Nachbarn eine für uns unerfreuliche Wende ab, und die Spanier unterstützen nach Kräften Heinrich von Bourbon, der höchstwahrscheinlich als Heinrich IV. der nächste König von Frankreich wird. Mit einem botmäßigen Frankreich, so denkt der spanische Herrscher, könnte man vielleicht auch England in einem zweiten Anlauf unterwerfen und zum Vasallen erniedrigen.“

Die Männer begannen erbost zu murmeln. Die Nachricht verlieh ihren patriotischen Gefühlen Aufschwung, plötzlich waren sie bereit, alles zu tun, was England vor einem neuen Angriff schützen würde. Genau dies hatte Cliveden durch seine Worte beabsichtigt, er lächelte.

„Beruhigen Sie sich“, sagte er. „Noch ist es nicht soweit, wir sehen nur die ersten schwarzen Sturmwolken am Horizont. England soll geschwächt werden, die Spanier bereiten das Terrain sorgfältig vor. Neuerdings werden von Frankreich aus Kauffahrer und Kriegsschiffe unserer Nation angegriffen, meist bei Nacht und Nebel. Wir haben schon etliche Verluste hinnehmen müssen. Von wem die Überfälle ausgehen, haben wir trotz eifriger Nachforschungen bislang nicht in Erfahrung bringen können. Offenbar handelt es sich um reine Piratenzüge, aber trotzdem sind wir davon überzeugt, daß der Feind dahintersteckt.“

„So soll also eine neue Invasion eingeleitet werden, bei der sich die Fehler von 1588 nicht wiederholen“, sagte der Seewolf nachdenklich.

Cliveden blickte ihn an. „Sehr treffend haben Sie das ausgedrückt, Mister Killigrew. Während in Cadiz, Malaga und anderen wichtigen spanischen‘ Häfen neue Kriegsschiffe gebaut werden, soll unsere Flotte reduziert werden, wo man sie treffen kann. Das alles geschieht heimlich und unter dem Deckmantel der Piraterie. Die Kundschafter der Königin, die nach Frankreich entsandt wurden, vermuten folgendes: Spanische Spione finanzieren hinter den Kulissen eine Bande französischer Piraten, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwo an der bretonischen Küste niedergelassen hat.“

„Verdammt“, entfuhr es Ben Brighton. „Den Dons ist also wieder mal jedes Mittel recht, um uns Schaden zuzufügen.“

„Ja. Daß dieses hinterhältige Treiben schleunigst unterbunden werden muß, steht natürlich fest. Wir müssen handeln, Gentlemen, und Sie wurden dazu auserwählt, im Namen der Königin entsprechende Nachforschungen anzustellen.“

„Nur Nachforschungen?“ fragte Terry mit seinem unangenehmen Lächeln.

„Nein. Als erstes sollen Sie die Piraten orten und ausschalten. Wie Sie das anstellen, ist Ihre Sache, Sie haben dabei volle Aktionsfreiheit – und natürlich genügend Kanonen und Munition.“

„Die zweite Aufgabe wäre dann wohl, die spanischen Spione zu finden“, meinte Hasard. „Das dürfte der schwierigere Teil sein.“

„Mister Killigrew“, sagte Terry. „Sind Sie sicher, daß wir überhaupt den ersten Teil des Unternehmens bewältigen?“

„Sie vielleicht nicht? Wir zeichnen die Plätze, an denen die Überfälle auf englische Schiffe stattgefunden haben, auf einer Karte ein und legen danach unseren Plan fest.“

„So weit, so gut. Aber was ist, wenn wir die Hunde überhaupt nicht vor die Rohre kriegen?“

„Wir locken sie an“, entgegnete der Seewolf. „Dazu denken wir uns eine List aus. Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein – Mister Terry.“

„Aye, Sir“, sagte Terry und grinste.

„Wir sind uns also einig?“ fragte Cliveden. „Ihr einziges Problem, Mister Killigrew und Mister Terry, nämlich der Mangel an geeigneten Schiffen, haben wir bereits bewältigt. Gibt es sonst noch irgendwelche Widrigkeiten?“

Eine ganze Menge, hätte Hasard am liebsten geantwortet, aber er unterließ auch das. Mit Easton Terry mußte er selber fertig werden, daran führte kein Weg vorbei. Cliveden schien den Mann völlig falsch einzuschätzen, oder aber er sagte sich, daß ein kaltschnäuziger Kerl wie dieser gerade der richtige Partner für den Seewolf bei einem solchen Unternehmen war. Was Terrys Kampfeigenschaften betraf, mochte er recht behalten, doch wie es um die Loyalität bestellt war, vermochte im voraus keiner zu sagen. In diesem einen Punkt hatte Hasard schon die haarsträubendsten Überraschungen erlebt.

Jerry Reeves hatte während Clivedens Erläuterungen mehrfach aus dem einzigen Fenster des Raumes geblickt. Jetzt wandte er sich dem Seewolf zu und sagte: „Draußen schleichen ein paar Leute herum. Ich glaube, das sind Ihre Männer, Mister Killigrew. Sollten wir sie nicht davon unterrichten, daß wir hier sind?“

„Ja, natürlich. Danke, Mister Reeves.“

„Bitte. Gern geschehen.“

Hasard trat an das vergitterte Fenster und blickte in die Dunkelheit hinaus, die jetzt nur noch von wenigen Nebelstreifen durchsetzt war. Dabei dachte er: Dieser Reeves scheint kein schlechter Kerl zu sein. Hoback und Mulligan sind wohl auch in Ordnung, aber die anderen?

Über Baxter, Stoker und Bingham konnte er sich noch kein klares Bild formen, nur bei Halibut war er davon überzeugt, daß man diesem Kerl nicht über den Weg trauen durfte.

Draußen, in der Gasse vor dem alten Haus, erschien in diesem Moment eine vertraute Gestalt – Big Old Shane. Hasard grinste, stieß einen Pfiff aus und beobachtete den graubärtigen Riesen, wie dieser herumfuhr und zu dem Fenster aufblickte.

„Ho!“ rief Shane. „Wer da? Sir, bist du’s?“

„Ja. Ihr könnt die Suche aufgeben, ihr habt uns gefunden. Wer ist bei dir?“

„Wir haben mehrere Suchtrupps gebildet. Donegal, Blacky, Matt, Gary und Burt gehören zu meinem, die anderen haben sich auf den Rest des Hafenviertels verteilt.“

„Habe ich richtig gehört? Burt unterstützt euch?“

„Wir haben uns mit ihm und seiner Crew vertragen, schließlich ist es ja rausgekommen, daß Plymsons Wein gepanscht war. Burt hat sich bei uns entschuldigt, dann hat er Plymmie verprügelt.“

„Sehr gut. Irgendwie hatte ich auch den Eindruck, daß diese Küstenschiffer feine Kerle sind“, sagte Hasard und lachte.

Big Old Shane war etwas näher herangetreten und kniff die Augen zusammen. „Was, zum Teufel, treibst du in der baufälligen Bude da? Sind Ed, Ben und Dan bei dir?“

„Ja. Aber ich kann nicht alles herausbrüllen, kommt lieber rein.“

Shane nickte, dann winkte er Old O’Flynn, Blacky und den anderen zu, die gerade hinter der nächsten Ecke aufgetaucht waren. Burt hörte sich an, was der Schmied von Arwenack ihm mitteilte, dann eilte er davon, um die anderen zu benachrichtigen.

Mulligan war auf einen Wink Easton Terrys hin unterdessen in den Flur des alten Gebäudes getreten und öffnete die Eingangstür, um die Männer hereinzulassen.

„Mister Killigrew“, sagte Cliveden mit verhaltener Stimme. „Diese Männer von dem Küstensegler brauchen nicht zu erfahren, was in diesem Raum gesprochen worden ist. Ich selbst werde gehen, sobald Sie mich Ihren Männern vorgestellt haben.“

„Gut, wie Sie meinen. Für Burt und die anderen lasse ich mir irgend etwas einfallen. Im übrigen laufen die morgen früh bestimmt wieder aus, lange halten sie sich nicht in Plymouth auf, wie ich annehme.“

Diese Vermutung sollte sich als richtig erweisen. Die Wege der Seewölfe und der Crew des Blondbartes trennten sich kurz darauf wieder.

Big Old Shane betrat noch vor Old O’Flynn, der neugierig heranmarschierte und Blacky, Matt und Gary als Gefolge hinter sich hatte, das alte Haus. Er blieb stehen, sah Mulligan von oben bis unten an, und sagte: „Dich hab ich doch irgendwo schon mal gesehen?“

„Stimmt, du Rauschebart. Das war in der Gasse am Hafen und beim alten Plymson vor der Kneipentür.“

„Ach? Na schön, dann kann ich dich wohl auf meine Art begrüßen, was?“

„Das glaube ich nicht. Wir haben den Streit beigelegt“, entgegnete Mulligan grinsend.

„Das lasse ich gelten“, brummte Shane, dann grinste auch er und ging weiter, bis er bei Hasard und den anderen mitten in dem quadratischen Raum stand.

Wo sollte die Debatte über das, was vor ihnen lag, weitergeführt werden? Die „Bloody Mary“ mußte erst wieder aufgeklart werden, außerdem hatten bei Plymson selbst die Wände Ohren. Daher begaben sich die Seewölfe zurück an Bord der „Pride of Galway“, nachdem sie sich von Lord Gerald Cliveden, Terry und dessen Crew und der Burt-Mannschaft verabschiedet hatten. Sie versammelten sich bei Bier und Wein in der Kapitänskammer und beratschlagten.

Es wurde ein bißchen eng, sie mußten zusammenrücken und die Tür zur Heckgalerie öffnen, damit für die nötige Frischluftzufuhr gesorgt war.

Dann aber konnte es losgehen. Alle blickten den Seewolf an.

„Ist das wahr, was Ed eben gesagt hat?“ fragte Ferris Tucker. „Wir segeln nach Frankreich rüber? Da waren wir doch erst.“

„Egal“, sagte der alte O’Flynn. „Wir wollen ja nicht nach Brest, um deinen Kapitän Delamotte zu besuchen. Wir sollen wohl den Franzmännern mal anständig auf die Pfoten klopfen, wenn ich’s richtig verstanden habe.“

„Genau das“, sagte der Seewolf. „In der Bretagne muß ein Piratennest ausgenommen werden, außerdem sollen wir die spanischen Spione und Provokateure finden, die hinter den Raids dieser Bande stecken.“

Er ließ seine Worte wirken und sah die Männer der Reihe nach an. Leise Pfiffe wurden laut, man sah sich untereinander an, staunte und rätselte über die näheren Begleitumstände dieses Unternehmens herum. Philip und Hasard, die Zwillinge, wurden sehr aufgeregt und rutschten auf ihren Plätzen herum. Ihr Vater mußte ihnen erst einen tadelnden Blick zuwerfen, danach war die Ruhe wiederhergestellt, doch sie mußten sich bezwingen, nicht einen ganzen Schwall von Fragen über den Seewolf ergehen zu lassen.

Hasard schob die Unterlippe vor. Eine Wende kündigte sich an. Ein neues Schiff wartete auf ihn, und er hatte die richtige Crew, um es zu bemannen. Gleichzeitig hatte er auch ein handfestes Problem am Hals, das Easton Terry hieß. Daß es mit dem Mann noch jede Menge Schwierigkeiten geben würde, stand für ihn von vornherein fest. Ben, Dan und der Profos waren der gleichen Meinung. Big Old Shane hatte sich ihrem Urteil über Terry angeschlossen, und Old O’Flynn behauptete sogar, dieser Kerl habe den Teufel im Leib.

Aber wenn die Königin rief und England vor dem Zugriff der Dons geschützt werden mußte, durfte nicht lange gefackelt werden. Hier war eine Aufgabe, und vielleicht hatten sie alle schon seit langem darauf gewartet.

Erfolge hatte die jüngere Vergangenheit den Seewölfen kaum beschert. In Ägypten waren sie auf Ali Abdel Rasul, den größten aller Galgenstricke und Halsabschneider, hereingefallen und hatten die „Isabella VIII.“ für alle Zeiten verloren. Die Wüste hatte ihr Opfer gefordert. Hasard und seine Männer waren in drei Gruppen zu je acht Mann nach England zurückgekehrt – auf vielen Umwegen.

Hasards Gruppe mit den Zwillingen, Shane, Dan, Batuti, Gary, Matt und Arwenack hatte es nach Irland verschlagen, wo sie in Galway gegen den Burke-Clan und die Rebellen des Hinterlandes Connacht hatten kämpfen müssen. Gewiß, sie hatten dabei den Schatz der Spanier erbeutet und die „Pride of Galway“ als Prise genommen, doch um ein Haar wäre die ganze Sache ins Auge gegangen.

Endlich hatten sie sich nun in Plymouth wiedergefunden, und beim alten Hesekiel Ramsgate wurde die neue „Isabella IX.“ gebaut. Die Wartezeit aber war den Männern schon jetzt zu lang geworden, sie brauchten wieder ein Ziel, das sie ansteuern konnten.

Hasard räusperte sich, es trat wieder Ruhe ein.

„Spaniens Allerkatholischste Majestät schmiedet ein neues Komplott gegen England“, erklärte er. „Die Niederlage von 1588 läßt ihm keine Ruhe. Ich glaube jedes Wort, das Lord Gerald Cliveden gesagt hat. Ihr wißt ja, die Dons sind zu allem fähig.“

„Aber daß sie sich einer Bande hergelaufener Schnapphähne bedienen, um uns eins auszuwischen, ist schlicht gesagt eine Sauerei“, erklärte Dan O’Flynn empört. „So was hätten wir nicht nötig. Ich meine, es zeugt geradezu von ihrer Schwäche, wenn sie jetzt schon zu solchen primitiven Tricks greifen.“

„Frankreich soll ein Brückenkopf werden“, sagte der Seewolf. „In absehbarer Zeit vielleicht auch Irland – wer weiß. Ich kann mir gut vorstellen, was die Spanier sich so ausmalen. Aber wir werden ihnen die ganze Sache gründlich verderben, das versichere ich euch.“

„Wie?“ fragte Smoky.

„Das hat Terry auch schon wissen wollen. Wir stellen den Piraten, derer die spanischen Spione sich bedienen, ganz einfach eine Falle.“

„Und wenn das ins Auge geht?“ sagte Old O’Flynn.

„Es darf nicht mißlingen“, entgegnete der Seewolf. „Verstehst du, Donegal? Wir müssen von Anfang an so planen, daß uns kein Fehler unterläuft.“

„Das ist unmöglich!“

Hasard beugte sich etwas vor, seine Augen verengten sich leicht, seine Stimme nahm einen harten, eindringlichen Klang an. „Unmöglich darf nichts für uns sein, Donegal, und wir müssen unser Gesicht wahren, wie die Chinesen sagen.“

„Zur Hölle mit den Zopfmännern und ihren dummen Sprüchen!“ brauste der Alte auf. „Wenn wir alle Mann baden gehen und im Kanal ersaufen oder meinetwegen auch im Atlantik, nutzen uns auch die schönsten Weisheiten nichts mehr.“

Ben sagte: „Mit anderen Worten, du würdest ganz gern kneifen, Donegal?“

„Das hab ich damit nicht gesagt!“ rief Old O’Flynn. Ben hatte seinen schwachen Punkt erwischt, er trat unwillig mit seinem Holzbein auf. „Es geht mir um ganz was anderes, will euch das nicht in den Kopf?“

„Natürlich“, erwiderte Hasard. „Die Sicherheit der Crew, nicht wahr? Das Risiko muß so gering wie möglich gehalten werden. Das ist auch mein höchstes Gebot, wie ihr alle wißt. Aber bedenkt bitte: Die Königin erwartet von uns, daß wir diesen bretonischen Haien und ihren spanischen Geldgebern gründlich das Handwerk legen. Wir haben etwas zu gewinnen, das mehr wert ist als Gold und Silber.“

„Ruhm und Ehre“, sagte Ben Brighton. „Das Ganze soll zu einem Bravourstück werden, und wir dürfen nicht zulassen, daß die Dons weiterhin unseren Seeverkehr stören.“

„Ja“, sagte der Seewolf. „Und jetzt laßt es mich ganz offen aussprechen: Wir brauchen nach dem Desaster am Nil so etwas wie eine Bestätigung dafür, daß wir noch die alten Arwenacks sind. Oder ist jemand anderer Meinung?“

„Ich ganz bestimmt nicht“, erwiderte Blacky. „Von mir aus kann’s sofort losgehen.“

Old O’Flynn grinste plötzlich diabolisch. „Von mir aus auch. Aber dürfen wir diesem Cliveden wirklich trauen?“

„Ihm ganz bestimmt. Seine Worte haben Hand und Fuß, alle Informationen sind hieb- und stichfest. Die Königin hat uns nicht nach London rufen lassen, sondern hat ihn geschickt, weil die Sache streng geheim ist“, sagte Hasard. „Nur war es ein Fehler, auch Terry mit dessen Crew einzuschalten, damit er uns hilfreich zur Seite steht. Wir müssen ein waches Auge auf ihn haben. Das Oberkommando obliegt zwar mir, aber ich befürchte, daß er irgendwie quertreiben wird.“

„Das soll er mal versuchen.“ Carberry hieb sich mit der linken Faust in die offene rechte Hand. „Dann kann er was erleben. Dann pflücke ich ihn in der Luft auseinander, diesen aufgeblasenen Strolch.“

„Langsam, langsam“, sagte Smoky beschwichtigend. „Es könnte ja auch sein, daß er sich noch zu seinem Vorteil ändert, Ed. Wir sollten nicht zu voreilig mit unserem Urteil sein.“

„In seiner Crew scheinen sich auch ein paar ganz anständige Burschen zu befinden“, meinte Blacky.

Dan pflichtete ihm bei: „Stimmt. Reeves, Mulligan und Hoback zum Beispiel. Das sind Kerle, die zu uns passen könnten.“

„Wir warten die Entwicklung der Dinge ab“, sagte der Seewolf. „Ihr werdet euch nun fragen, was aus der ‚Pride of Galway‘ wird, wenn wir morgen auslaufen. Nun, da der Schatz inzwischen gut versteckt ist, können wir den Kahn unbesorgt seinem weiteren Schicksal überlassen. Er bleibt hier ganz einfach vor Anker liegen. Sollte man ihn entführen, soll es mir egal sein. Wachen lasse ich jedenfalls nicht zurück.“

Die Zwillinge atmeten auf. Insgeheim hatten sie schon befürchtet, in Plymouth zurückbleiben zu müssen, um die Bordwache für die „Pride of Galway“ zu spielen.

Hasard holte eine Karte aus der Schublade seines Pultes hervor und rollte sie auseinander. Sie zeigte Cornwall und den ganzen Süden Englands, den Ärmelkanal, einen Teil der Normandie und die Bretagne. Philip junior mußte seinem Vater einen Kohlestift reichen, und mit diesem zeichnete der Seewolf die Positionen ein, die Lord Cliveden ihm genannt hatte.

„Hier haben die Überfälle auf englische Schiffe stattgefunden“, sagte er und richtete sich wieder auf. Sein Zeigefinger fuhr über die Karte und verharrte auf einem Punkt, der nicht sehr weit vom Golf von St. Malo entfernt lag. „Und hier werden die ‚Hornet‘ und die ‚Fidelity‘ spätestens übermorgen nacht in irgendeiner Bucht vor Anker gehen.“

Seine Männer sahen sich über die Karte hinweg an und grinsten. Mit wachsendem Interesse hörten sie seinen Erläuterungen zu. Sein einfacher Plan stand jetzt bereits fest.

Seewölfe Paket 15

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