Читать книгу Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 39
4.
ОглавлениеSie wären fast mit dem Messer aufeinander losgegangen, als sie sich in der Dämmerung zwischen den hohen, geraden Stämmen der Kiefern begegnet waren. Erst im letzten Augenblick hatte ein Wort des anderen sie erkennen lassen, daß sie keine Feinde waren, sondern vernichtend geschlagene Freunde, die Glück im Unglück gehabt und den Untergang ihrer Schiffe überlebt hatten.
Pierre Servan und Jean Bauduc hatten mit zitternden Händen ein kleines Feuer entfacht, an dem sie klappernd hockten und versuchten, ihre völlig durchnäßte Kleidung zu trocknen.
Pierre Servan, der Kapitän der von den verfluchten Engländern versenkten „Antoine“ hatte sein gestreiftes Hemd auf einen Stock gehängt und schwenkte es über dem Feuer. Sein schwarzer, mit breiter Krempe versehener Hut, den er wie durch ein Wunder am Strand gefunden hatte, nachdem er der kochenden See entgangen war, lag neben ihm am Boden, noch immer feucht. Aber er hatte seine Form zum Glück nicht verloren. Sein graues Haar hing ihm wirr in die Stirn, sein Schnauzbart sträubte sich, weil er immer wieder darüber gerieben hatte.
Jean Bauduc, sein Leidensgefährte von der zerstörten „Petite Fleur“, kümmerte sich um seinen riesigen Waffengurt mit den drei Pistolen, die er krampfhaft festgehalten hatte, als er durch die mörderischen Brecher an Land geschwommen war. Die Waffen waren zur Zeit nutzlos, weil das Pulver vom Wasser unbrauchbar geworden war, doch er war froh, daß sie ihm nicht verlorengegangen waren.
Seine dunklen Augen starrten in das Feuer. Er hatte seine Hände über seinem Bauchansatz verschränkt und fluchte kaum hörbar vor sich hin.
„Hör auf zu fluchen, Jean“, sagte Pierre Servan unwillig. „Das hilft uns nichts. Grammont kann uns nichts vorwerfen. Wir haben gekämpft wie die Löwen, aber die Engländer waren eben besser bewaffnet als wir. Ich dachte, mich trifft der Schlag, als plötzlich Stückpforten an den Seiten der Schiffe klafften und die Culverinen Feuer auf uns spuckten.“
Jean Bauduc nickte. Er war nicht minder überrascht gewesen. Yves Grammont hatte ihnen das Zeichen zum Angriff auf zwei englische Handelsfahrer gegeben, und sie alle hatten gedacht, daß die beiden Schiffe eine leichte Beute werden würden. Doch dann hatten diese beiden Galeonen, die zuerst so harmlos ausgesehen hatten, wie tollwütige Terrier um sich gebissen.
Bauduc dachte mit Schaudern daran, was die Kugeln der Engländer seiner „Petite Fleur“ angetan hatten. Er schüttelte den Kopf. Er mochte nicht mehr daran denken. Er mußte Servan recht geben, daß es nicht ihre Schuld war, wenn sie ihre Schiffe verloren hatten. Aber würde Grammont das genauso betrachten?
Bauduc war sich dessen nicht sicher. Grammont konnte ziemlich unbeherrscht sein, und wenn es ihm in seiner Wut gefiel, würde er Servan und ihm einfach den Kopf abschneiden lassen.
Pierre Servan sah am Gesicht seines Leidensgefährten, was dieser dachte.
„Keine Sorge, Jean“, sagte er mit fester Stimme. „Grammont braucht uns.“
„Auch ohne unsere Schiffe?“ fragte Bauduc zweifelnd. „Und ohne unsere Männer?“
„Wir werden nicht die einzigen gewesen sein, die sich retten konnten“, erwiderte Servan. „Sobald es richtig hell ist, werden wir den Wald durchkämmen. Ich bin überzeugt, daß wir eine Menge unserer Leute finden werden.“
Bauduc nickte. Wenn sie erst einmal nicht mehr allein waren, würde er sich wohler fühlen. Ihre Leute standen hinter ihnen. Yves Grammont würde es sich zweimal überlegen, bevor er ein paar Dutzend Männer tötete.
Pierre Servan war aufgestanden. Er fühlte mit der linken Hand, ob sein Hemd wieder trocken war. Es war noch etwas feucht, aber er brachte nicht die Geduld auf, noch länger zu warten.
Er streifte sich das klamme Hemd über und erschauerte. Die feuchte Kühle des frühen Morgens tat ein übriges, daß er fror. Der Sturm hatte sich zwar etwas gelegt, aber immer noch zerrte ein starker Westwind an den Wipfeln der Fichten.
Er hielt seinen schwarzen Hut über das Feuer, das noch einmal hell aufloderte, als Bauduc ein paar Zweige nachwarf. Die aufsteigende Hitze ließ den feuchten Filz dampfen.
„Hast du gesehen, was mit Saint-Jacques’ ‚Coquille‘ und mit der ‚Louise‘ von Grammont geschehen ist?“ fragte Bauduc.
„Nicht genau“, erwiderte Servan brummig. „Ich glaube, die ‚Louise‘ hat zuerst abgedreht. Ich werde Grammont fragen, wenn ich ihn sehe. Die ‚Coquille‘ habe ich seit den ersten Breitseiten der Engländer nicht mehr gesehen.“
„Vielleicht ist sie auch abgesoffen“, sagte Bauduc niedergeschlagen.
„Verflucht, sei nicht so pessimistisch!“ stieß Servan hervor. „Es gibt immer mal wieder schwarze Tage im Leben. Der gestrige gehört dazu, und wir wollen ihn so schnell wie möglich vergessen. Vielleicht gelingt es uns schon in den nächsten Tagen, ein Schiff zu kapern, dann denkst du nicht mehr an deine ‚Petite Fleur‘.“
„Schön wär’s“, sagte Bauduc.
Er wollte zu Servan dichter ans Feuer treten, um sich die Hände darüber zu wärmen, als er das leise Knacken hinter sich im Unterholz vernahm.
Sein Kopf ruckte herum. Die dunklen Augen starrten in das schummrige Dunkel zwischen den Bäumen.
„Was ist los?“ fragte Servan. „Hast du was gesehen?“
Bauduc erwiderte nichts. Er lauschte weiter, doch als sich das Knacken nicht wiederholte, drehte er sich wieder um.
„War wohl nur ein Tier“, murmelte er.
Pierre Servan begann zu grinsen.
„Dich hat es mächtig getroffen, Jean“, sagte er. „Laß deine Männer nicht sehen, daß die Angst in dir hochkriecht, wenn du allein im Wald bist.“
„Merde!“ sagte Jean Bauduc und starrte an Pierre Servan vorbei.
Der bemerkte den Blick und drehte sich um.
Er sah die beiden Gestalten sofort. Mit einer hastigen Bewegung nahm er seinen schwarzen Hut in die linke Hand und legte die rechte auf den Griff des Messers, das er im Gürtel stecken hatte.
Er zog es jedoch nicht hervor.
Er wußte, daß er mit dem Messer keine Chance gegen die vier Pistolen hatte, die auf ihn und auf Bauduc gerichtet waren. Im ersten Moment hatte er noch geglaubt, daß es sich um einen der Schiffbrüchigen von der „Antoine“ oder der „Petite Fleur“ handelte, aber ein Blick in das längliche Gesicht mit dem dünnen Oberlippenbärtchen belehrte ihn eines anderen. Auch den zweiten Mann, einen großen, muskulösen Kerl mit einem Kinn, das aussah, als ob es auf einem Amboß geschmiedet worden wäre, kannte er nicht. Die schwarzen Augen des Burschen schienen Servan und Bauduc noch mehr zu bedrohen als die Mündungen der Pistolen.
Sie traten näher ans Feuer. Die Waffen waren weiterhin auf Servans und Bauducs Bauch gerichtet, die sich nicht zu rühren wagten.
„Wer seid ihr?“ stieß Servan schließlich hervor. „Bei uns ist nichts zu holen, verdammt noch mal.“
Das lange Gesicht des ersten Mannes war jetzt deutlicher zu sehen, als er in den Schein der Flammen trat. Der Schatten unter der Krempe des dunkelroten Hutes war nicht mehr so undurchdringlich.
„Du hast ein großes Maul, Kerl“, sagte der Mann zu Servan. „Weißt du vielleicht nicht, was das ist, was wir hier in den Händen halten?“ Er ruckte mit den Läufen der beiden Pistolen.
Pierre Servan zog die Schultern ein. Ein heißer Schreck war ihm durch die Glieder gefahren. Es war nicht die Angst vor den Pistolen, sondern der Mann selber, der ihn hatte zusammenzucken lassen.
Er kannte ihn!
Diesen verdammten Hundesohn hatte er irgendwo schon mal gesehen, und plötzlich wußte er auch, wo! Es war in Südfrankreich gewesen, in der Nähe von Marseille. Damals war Gustave Le Testu, wie der Kerl hieß, noch ein Strandräuber und Küstenpirat gewesen, bevor er sich von irgendeinem hugenottischen Umstürzler hatte beschwatzen lassen, für ihre Sache zu kämpfen. Seitdem hatte Le Testu den Kampf gegen die Katholischen auf seine Fahne geschrieben. Und da man von Umstürzen schlecht leben konnte, hatte er sich im Norden Frankreichs, wohin ihn sein Kampf verschlagen hatte, auf Wegelagerei spezialisiert.
Von Yves Grammont wußte Servan, daß Le Testus Bande wahrscheinlich auch hinter den Überfällen auf die Waffentransporte steckte, wenn Grammont seine von den Engländern erbeuteten Musketen und Pistolen ins Hinterland brachte, um sie den Truppen Heinrich von Bourbons zuzuführen, der seine Hausmacht ausbauen wollte, um eines Tages auf den Thron Frankreichs zu gelangen.
„Na, was ist?“ fragte Le Testu grinsend. „Hat dir die Aussicht auf ein schönes Loch im Kopf die Sprache verschlagen?“
Servan antwortete nicht. Er hätte gern gewußt, was Le Testu in diese Gegend verschlagen hatte. War er darüber informiert, was in der Bucht von Sillon de Talbert geschehen war? Er sah, daß Bauduc den Mund öffnete, um etwas zu sagen, und trat rasch einen Schritt auf die beiden Männer zu, die sofort ihre Pistolen anhoben.
„Schießt nur, ihr katholischen Hundesöhne!“ stieß er hervor. „Lange werdet ihr Frankreich nicht mehr unter eurer Knute haben! Wir haben in dieser Nacht zwar eine Schlacht gegen euch Bastarde verloren, aber das Blatt wird sich bald wieder wenden. Ah, wenn ihr nicht die Pistolen hättet, würde ich euch mit meinem Messer beweisen, zu was ein ehrlicher Hugenotte fähig ist!“
Bauduc, der genau hinter Servan stand, glaubte im ersten Moment, daß Pierre Servan übergeschnappt sei, doch als er einen Schritt zur Seite trat und die Gesichter der beiden Wegelagerer sah, begriff er gar nichts mehr.
Die beiden Kerle grinsten. Sie ließen sogar ihre Pistolen sinken. Bauduc, der glaubte, daß Servan diese Gelegenheit nutzen würde, die beiden anzufallen, fing einen warnenden Blick Servans auf, und sein Schrei, den er hatte ausstoßen wollen, blieb ihm in der Kehle stecken.
„Das war eine gute Ansprache, genau nach meinem Geschmack“, sagte der Mann mit dem dunkelroten Hut und dem Oberlippenbärtchen.
„Warum schießt ihr katholischen Hundesöhne nicht?“ brüllte Servan weiter. „Glaubt ihr, daß ihr einen Hugenotten mit dem Tod schrecken könnt?“
„Halt die Luft an, Kamerad“, sagte der Mann mit dem roten Hut. „Niemand will euch töten.“ Er warf sich in die Brust. „Auch wir sind Hugenotten und kämpfen gegen das katholische Pack, das mit den verfluchten Spaniern paktiert.“ Er nickte in Richtung des Meeres. Durch das Rauschen der Bäume war das Donnern der Brandung deutlich zu vernehmen, da der Westwind die Geräusche herantrug. „Wir haben den Kanonendonner gehört und gesehen, wie zwei Schiffe versenkt wurden.“
„Es waren unsere Schiffe“, sagte Pierre Servan zerknirscht. „Der Gegner war uns überlegen, wir hatten keine Chance, als wir in die Falle fuhren, die er uns gestellt hatte.“
Le Testu schob den dunkelroten Hut aus seiner Stirn. Seine ausdrucksvollen dunklen Augen waren plötzlich wieder voller Mißtrauen.
„Die Gegner waren also katholische Hunde?“ fragte er.
Pierre Servan witterte die Falle.
„Ich weiß es nicht“, sagte er zerknirscht, „ob sie katholisch sind oder nicht. Es waren höllische englische Korsaren, die mit den Spaniern ein Komplott gegen England geschmiedet haben, um die Königin vom Thron zu stoßen und die Macht an sich zu reißen. Der Earl of Throllinghove, ein glühender Katholik, hat schon ein Heer gesammelt, um auch an Land gegen die Königin zu kämpfen!“
Pierre Servan hielt dem starren Blick Le Testus stand. Er hoffte im stillen, daß dieser ihm den Earl abnahm, den es gar nicht gab. Er fragte sich, wie weit Le Testu informiert war über die Politik, in die er sich einmischte.
Dann sah er, wie das Mißtrauen aus den dunklen Augen verschwand. Le Testu glaubte ihm! Fast hätte Servan zu lachen begonnen. Der Kerl war also doch nichts anderes als ein Wegelagerer, der sich eine Überzeugung zugelegt hatte, unter der er rauben, plündern und morden konnte.
„Wie heißt du, Mann?“ fragte Le Testu. „Ihr kämpft für eine gerechte Sache, und es scheint, als ob ihr nach eurer Niederlage Hilfe braucht. Seid ihr etwa die einzigen Überlebenden der Schlacht?“
Pierre Servan schüttelte den Kopf.
„Viele unserer Männer müssen sich an Land gerettet haben“, sagte er, „aber wir fanden noch nicht die Zeit, uns zu sammeln. Gerade als ihr auftauchtet, wollten wir mit der Suche nach ihnen beginnen. Nur in der Gemeinschaft sind wir stark, und wenn die englischen Korsaren auf den Gedanken verfallen, an Land zu gehen, um uns den Todesstoß zu versetzen, sind wir ihnen ohne Waffen hilflos ausgeliefert.“
Gustave Le Testu warf sich in die Brust.
„Solange es einen Le Testu gibt, der die heilige Sache der Hugenotten auf seine Fahne geschrieben hat, wird das nicht geschehen!“ rief der Wegelagerer großspurig. „Die verfluchten Spanier werden weder Frankreich auf ihre Seite ziehen, noch werden sie England erobern! Ich kenne die Dons. Erst wollen sie einen zum Partner, und ehe man sich versieht, ist man nur noch ein Vasall, der Befehle entgegennehmen soll!“
„Mir scheint, wir sind ein bißchen wenig Leute, um die Spanier aufhalten zu können“, warf Jean Bauduc ein. „Wir werden schon Schwierigkeiten mit den paar Korsaren kriegen, wenn sie uns hier aufstöbern.“
Der Wegelagerer begann zu grinsen.
„Ich denke, eure Leute laufen hier im Wald herum?“ fragte er. „Sucht sie. Wenn ihr sie gefunden habt, werde ich euch zu einem Ort führen, wo ihr euch bis an die Zähne bewaffnen könnt. Und dann werdet ihr hoffentlich nicht mehr vor den englischen Hunden zittern.“
„Niemand von uns zittert“, sagte Pierre Servan. „Wir sind bereit, für unsere Sache zu sterben, aber wir würden natürlich lieber kämpfen, als uns wehrlos ermorden zu lassen.“
„Das ist recht, Monsieur“, erwiderte Le Testu, nahm den dunkelroten Hut ab und verbeugte sich etwas.
Pierre Servan erwiderte die Geste, und er hatte Mühe, den Schauer, der ihm über den Rücken lief, abzuschütteln. Obwohl er die Situation mit seiner Geistesgegenwart gemeistert hatte, fühlte er sich nicht sicher. Der Ruf Le Testus als gnadenloser Kämpfer warnte ihn, die Sache zu leicht zu nehmen. Ein Mann von seinem Ruf konnte eigentlich nicht so einfältig sein, wie er sich hier gab.
Servan nahm sich vor, auf der Hut zu sein. An den heimlichen Blicken Bauducs hatte er erkannt, daß dieser sein Spiel durchschaut hatte. Hoffentlich hielt er sich zurück und verplapperte sich nicht.
„Wir sollten endlich aufbrechen“, sagte der dunkelhaarige Mann neben Le Testu. Seine Stimme hatte einen eigenartigen Klang, und Servan vermutete, daß er aus dem tiefsten Süden Frankreichs stammte.
„Oh, ich habe euch meinen Kameraden noch nicht vorgestellt“, sagte Le Testu. „Sein Name ist Montbars, und er stammt von Korsika, wo man einen Mann schon wegen eines schiefen Blickes tötet. Hütet euch also davor, ihn durch irgend etwas zu beleidigen.“
„Ist er auch ein Hugenotte?“ fragte Pierre Servan.
„Er kämpft an meiner Seite für unsere Sache“, erwiderte Le Testu unwillig. Sein Blick streifte Servan, und dieser merkte, daß er lieber hätte schweigen sollen. Leute wie Testu konnten es nicht leiden, wenn zu viele Fragen gestellt wurden.
Jean Bauduc scharrte mit den Stiefelspitzen Sand ins Feuer und erstickte es.
Der Wald schwamm in einem seltsamen Licht. Über den Wipfeln der Fichten schienen geisterhafte Wesen milchige Tücher zu weben. Sie spürten die Feuchtigkeit, die in der kalten Morgenluft hing, und zogen die Schultern hoch.
Pierre Servan ging den anderen Männern voraus. Noch traute er dem Frieden nicht, aber er sagte sich, daß er Le Testu zeigen mußte, daß er keine Angst vor ihm hatte. Jean Bauduc konnte seine Gefühle nicht so gut verbergen. Servan sah, daß er immer nervöser wurde und schließlich seitlich auswich, als wolle er in breiter Reihe den Wald durchkämmen.
Nach einer halben Stunde schimmerte vor ihnen zwischen den Stämmen ein Feuer. Sie schlichen sich lautlos heran, aber dann erkannte Servan, daß es sich um gut ein Dutzend Männer aus seiner Mannschaft handelte.
Er gab sich zu erkennen und trat mit Bauduc und den beiden Wegelagerern auf die kleine Lichtung.
Er hielt ihnen eine lange Rede, daß sie ihr Unglück überwinden würden und nun einen Verbündeten hätten, der ihnen die Möglichkeit geben würde, die schmachvolle Niederlage gegen die englischen Korsaren vielleicht noch in einen Sieg umzuwandeln.
An den Gesichtern seiner Männer erkannte Servan, daß kaum einer ein Wort von dem verstand, was ihr Kapitän ihnen sagte. Vor allem die Sache mit den Hugenotten und den katholischen englischen Korsaren erschien ihnen ein bißchen wirr. Aber da der Kapitän sie während seiner Rede immer wieder anblinzelte, hielten sie den Mund.
Gustave Le Testu rieb sich die Hände. Hier zeichnete sich eine Möglichkeit ab, seine Bande neu entstehen zu lassen. Die beiden Kerle, die ihre Schiffe in der Bucht von Sillon Talbert verloren hatten, schienen ziemlich unbedarfte Burschen zu sein. Er glaubte nicht, daß sie ihm gefährlich werden konnten, wenn es darum ging, wer der neue Führer der Leute sein sollte.
Sie brachen von dieser Lichtung schon mit vierzehn Männern auf, und nach weiteren zwei Stunden hatte sich die Gruppe auf fast dreißig Männer vergrößert.
Le Testu war zufrieden. Mit diesen Kerlen war schon was anzufangen.
„Das müßte für die Engländer genügen“, sagte er zu Servan.
„Dazu brauchen wir aber Waffen“, erwiderte Servan.
Le Testu grinste Montbars, den hochgewachsenen Korsen, an und sagte: „Sie wissen nicht, daß sie nur hundert Schritte von einer Höhle entfernt sind, in der es mehr Waffen gibt, als sie überhaupt tragen können.“
„Führen Sie uns hin, Monsieur Le Testu“, sagte Servan gepreßt. „Die Nebelbänke reißen auf. Bald wird die Sonne durchbrechen. Vielleicht treiben sich die englischen Korsaren schon in der Nähe herum, um uns zu töten.“
Le Testu grinste, drehte sich um und schritt zwischen den Stämmen der Fichten hindurch einen kleinen Hügel hinauf, dessen Kuppe mit riesigen Felsbrocken bedeckt war. Dort angelangt, brach er sich einen Weg durch dichtes Gebüsch.
Montbars und die anderen folgten ihm. Sie gelangten in eine enge Höhle. Le Testu hatte inzwischen eine Fackel entzündet, und Pierre Servan staunte mit offenem Mund, als er die vielen Musketen, Pistolen und Pulverfäßchen sah.
Die Flammen der Fackel geisterten über Le Testus Gesicht und ließen es wie das Antlitz eines Dämons aussehen.
„Bedient euch, Männer“, sagte er. „Die englischen Hunde werden ihr blaues Wunder erleben, wenn sie glauben, euch ohne Waffen anzutreffen.“
Pierre Servan nickte. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen. Er wußte nun, daß der Wegelagerer Le Testu ein gefährlicher Feind war. Er konnte ihn nur übertölpeln, wenn Yves Grammont und seine Leute in die Bucht zurückkehrten. Aber solange sich die englischen Schiffe dort noch aufhielten, war damit wohl nicht zu rechnen.
Er gab seinen Männern mit der Hand Zeichen, einer nach dem anderen die Höhle zu betreten und sich mit Waffen zu versorgen. Er selbst suchte sich zwei Pistolen und eine Muskete aus, während sich Bauduc, der seine drei Pistolen hatte retten können, nur Munition und Pulver nahm.