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Kapitel 8 - Geschichte – Juli 1934

Der Vater ließ sich auf einer Parkbank vor dem Brandenburger Tor nieder. Frieda setzte sich zu ihm. Foremann blieb stehen.

„Du hast Eindruck hinterlassen, mein Junge. Gratuliere.“

Bei diesen Worten stellten sich die Härchen auf Foremanns Haut. Er kannte seinen Vater als Erfolgsmenschen, der sich über Leistung definierte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass dem Alten jemals ein Wort des Lobes über die Lippen gekommen war.

„Danke“, antwortete er trocken und wartete ab.

„Du weißt, mein Sohn, dass ich dich gerne als meinen Nachfolger aufgebaut hätte. Als ich das Unternehmen von meinem Vater übernommen hatte, hatte der Metallbetrieb nur acht Arbeiter. Heute haben wir mehr als einhundertfünfzig Mitarbeiter. Und das Geschäft brummt. Die Nazis bestellen Panzer um Panzer und unsere Präzisionsfräsmaschinen erlauben es den Waffenschmieden, Glattrohrkanonen mit höchster Treffgenauigkeit herzustellen. Damit verdienen wir unser Geld.“

„Warum produzierst du überhaupt Waffen, Vater? Als ich nach Amerika ging, hast du Landwirtschaftsmaschinen hergestellt. Du hasst doch alles Militärische.“

„Weil sie mich zwingen.“

„Wer zwingt dich?“

„Das Reichskriegsministerium und damit die Parteibonzen. Man hat deiner Mutter und mir mit Gefängnis gedroht und deinen jüngeren Schwestern mit Sippenhaft, sollte ich nicht bereit sein, unsere Maschinen zu liefern.“

„Warum?“, fragte Foremann im Flüsterton.

„Weil sie nur mit unseren Maschinen solche treffgenauen Kanonen herstellen können.“

„Schon klar“, unterbrach Foremann seinen Vater.

„Und weil ich mich zu oft kritisch geäußert habe über das Kriegstreiben der Nationalsozialisten, noch bevor sie überhaupt an die Macht kamen.“

Foremann senkte den Blick und stützte sein Gesicht in die Hände. „Das wusste ich nicht.“

„Du weißt so vieles nicht, du weißt eigentlich überhaupt nichts“, zerstörte der Vater die aufkommende Nähe. „Ich hasse den Krieg und jeden, der ihn unterstützt.“

Mit halb weggeschossenem Gesicht steht er da. Nur noch mit einem Arm. Er klopft an die Haustür. Sonntagmorgen. Das Gesicht und der Körper entstellt. Zerschossen von Waffen, hergestellt mit Foremann Maschinen. Ich fühle mich schuldig. Meine Maschinen haben beigetragen, ihn zum Krüppel zu schießen. Meinen Bruder. Nachdem Krieg kommt die Behörde und verbietet sie. Keine Präzisionsmaschinen. Friedensproduktion, sagen sie. Landwirtschaftliches Gerät. Der Betrieb wächst Monat für Monat. Die Arbeiter geben ihr Bestes. Die Maschinen für die Bauern werden immer besser. Wiedergutmachung am Schicksal meines Bruders. Produkte für den Frieden. Und dann, kurz nach Erscheinen, Hitlers „Mein Kampf“ kommt in unser Haus. Die Deutschen ignorieren das Buch. Er nicht. Rassischer Mist, Herrenvolk, Lebensraum im Osten… jeder, der Hirn im Kopf hat, erkennt: wieder Krieg.

„Ich hab‘ mich am Stammtisch gewehrt, habe Artikel geschrieben in der Stuttgarter Zeitung. Die Menschen durften den Nazis nicht vertrauen. Alles umsonst. Der einzige Grund, warum sie mich noch nicht weggesperrt haben, ist, dass sie sich daran erinnert haben, dass wir früher diese Präzisionsmaschinen gebaut haben. Und seit drei Jahren sind wir plötzlich wieder wichtig. So hat man von mir verlangt, die Produktion wieder umzustellen.“

Er machte eine Pause und stand von der Bank auf.

„Und bei euch beiden habe ich versagt. Ihr seid beide Anhänger der NS-Ideologie. Als ob ihr kein Hirn im Kopf hättet. Ihr vertretet diese Scheißhausparolen vom ‘Deutschland wieder stark machen‘ doch genauso wie die Braunhemden.“

„Nicht so laut, Vater!“, stutzte Frieda ihn zurecht.

„Hör auf, mich zu korrigieren, wenn sie mich abholen wollen, werden sie es schon tun.“

Foremann hob langsam den Kopf und schaute den Vater durchdringend an. „Ich hatte keine Ahnung. Aber ich erinnere mich, wie mich dein Mut, dein Kampfgeist, niemals aufzugeben, schon als Jugendlicher faszinierte.“

„Kampfgeist“, äffte ihn der Alte nach, „du redest genau wie dieses braune Pack.“

„Vater!“, zischte Frieda wieder.

„Und warum hast du es nicht zugelassen, dass ich dich bewundert habe für deine Energie und wie du dich durchgebissen hast?“ fragte ihn sein Sohn.

„Ich weiß es nicht, Frank, vielleicht weil ich mich selbst so schwach und hilflos fand, nachdem dein Onkel zurück war. Ich wollte verhindern, dass du was anderes siehst in mir als den erfolgreichen, durchsetzungsstarken und doch geduldigen Unternehmer.“

In sich versunken, schüttelte der Vater den Kopf. Sein Sohn starrte ihn mit offenem Mund an. Gedanken an seine Jugend gingen ihm plötzlich durch den Kopf.

Der Vater nimmt ihn mit in den Betrieb. Er bildet ihn aus in Fertigkeiten des Maschinenbauens: Schleifen, Fräsen, Bohren. Und kurz vor dem Abitur darf er in der Verwaltung hospitieren. Er lernt, wie man Risiken in die Produktkalkulation einbaut, um sich immer bewusst zu sein, dass jeder Plan schief laufen konnte. Chancen und Risiken austarieren, das lernt er vom Vater. Am Ende steht immer der Profit, der Erfolg, die Belohnung für harte Arbeit, der Unternehmerlohn.

„Mensch Vater“, sprach er ihn an. „Ich habe doch so vieles von dir gelernt, warum akzeptierst du nicht, dass ich meine eigenen Wege gehen will?“

„Hast du nichts kapiert? Ich dachte, du hättest Hirn im Kopf, aber offensichtlich nicht mehr als der braune Mob“, fauchte er seinen Sohn mit zornrotem Gesicht an.

Er packte seinen Hut und marschierte durch das Brandenburger Tor.

Hitlers Überflieger

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