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Kapitel 11 – Herausforderungen – Juli 1934

Die wöchentliche Besprechung war für acht Uhr im kleinen Raum angesetzt. Der einzige Ort, der keine Außenfenster hatte. Ein muffiger Bunker, ohne Luft. Jakob Justen und Karl Franzke trafen gleichzeitig ein. Justen trug seinen schwarzen Anzug, der ihn mehr wie ein Almosenempfänger am Alex erscheinen ließ als ein Abteilungsleiter bei AEG. Der Stoff glänzte. Und roch nach Schweiß. Justen machte sich nicht viel aus seinem Äußeren. Er habe schon viel erlebt in diesem Anzug, war ein Bonmot in der Abteilung. Franzke betrat unmittelbar nach Justen den Raum. Seine blaue Lederkrawatte war der letzte Schrei in Berlin. Die Farbe schien auf die leuchtenden Augen abgestimmt, die wie Krater im rasierten jugendlichen Gesicht ruhten. Seine buschigen Brauen wirkten wie ein Fremdkörper. Justen schnupfte und begann zu niesen. Seine Nase war irritiert von Franzkes scharfem Eau de Cologne.

„Moin Jakob, wenn der Graf schon so früh zum Appell bläst, und dann auch noch im Bunker, dann bedeutet das nichts Gutes.“

Er merkte nicht, dass Graf von Herbrich hinter ihm stand. „Franzke, Sie duften ja heute wieder besonders gut“, sagte dieser und lächelte väterlich.

Der zog nur seine Buschen nach oben. Ohne eine Antwort abzuwarten, begann Graf von Herbrich seine Ansprache.

"Meine Herren, ich habe Sie heute Morgen so früh zusammengerufen, weil wir dringend eine Antwort brauchen auf die Produktionsprobleme bei Telefunken, unserer modernsten Tochter. Die Herstellung der 4J Richtfunkstationen hinkt weit hinter den Vorgaben des Vierjahresplanes hinterher."

Er lief um den alten Besprechungstisch. Schließlich setzte er sich auf seinen angestammten Platz am Kopfende und begann, auf dem Besprechungstisch zu trommeln. Wie immer, wenn er unter Strom stand, dachte Justen, der die Kratzspuren auf dem Tisch sah. Herbrich fixierte zuerst Franzke. Der hielt stand. Justen drehte sich weg, weil er wusste, dass Herbrich es nicht mochte, wenn man sein rotes Gesicht studierte. Er zog seine schmalen Schultern hoch.

"Viele deutsche Unternehmen leiden unter dem Mangel an Devisen, Rohstoffen und Arbeitern. Wir nicht. Wir müssen nur mehr Ausstoß erreichen. Warum kriegen wir das nicht hin? Sender, Netzteile, Hochspannungsteile, alles Vorprodukte, die wir doch in den Grenzen des Reiches haben. Und wir haben keine Nachschubprobleme.“

Und wieder tigerte er durch den Raum wie ein Raubtier. Er atmete tief aus. Nichts. Stille. Justen kannte seinen Chef seit Jahren und war überrascht von dessen Unruhe.

„Herr Graf, sollten wir die Produktionsabläufe noch einmal überprüfen?“

Keine Reaktion. Herbrichs Blicke gingen durch die kleine Runde. Justen war an der Reihe.

"Herr Herbrich, ich habe mir den Kopf zermartert darüber in den letzten Tagen, aber alle Ideen, die wir in diesem Kreis von einem Jahr diskutiert haben, wurden umgesetzt. Die Produktion der 4J läuft auf modernsten Maschinen. Wir haben keinen Leerstand. Die Fließbänder laufen 24 Stunden im Dreischichtbetrieb. Wir vier haben jeden Stein gedreht. Wie wollen Sie das modernste Werk von AEG weiter optimieren?“

Justen zog das Bein unter dem Tisch zurück, als ob er sich zu weit vorgewagt hatte. Vorsichtig fuhr er fort. „Wenn es noch weitere Optimierungsmöglichkeiten gibt, dann müssen wir von anderen lernen. Wir brauchen Ideen von außen.“

Er zog den Kopf nach hinten, konnte aber nicht mehr verhindern, dass eine Schweißperle auf sein Hemd tropfte. Mit dem rechten Ärmel seines abgewetzten Anzugs wischte er die Stirn ab. Die Stelle schimmerte nun noch glänzender.

Herbrich wusste, dass Justen Recht hatte. Die Narbe unter seinem rechten Auge zuckte im gleichen Takt, wie das Lid auf und zu ging. Wieder ging er durch den Raum.

„Meine Herren, wir brauchen Lösungen.“

„Vielleicht sollten wir im Bunker mal ein Fenster öffnen“, versuchte Franzke vorlaut einen Witz.

„Guter Versuch, Franzke. Machen Sie sich bitte Gedanken. Das sind wir der Partei schuldig. Und der AEG.“

Hitlers Überflieger

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