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Kapitel 15 – Hansa – August 1934

Foremann probierte bereits den dritten Anzug. Wie würde er wohl auf Hanna in dem dunkelblauen wirken? Oder besser doch den Frack? Der Binder wollte keine Form annehmen. Ungeduldig zog er ihn zum vierten Mal auf. Seine Hände waren zittrig. Ein richtiger Knoten wollte nicht gelingen. Schließlich entschied er sich für einen dreiteiligen schwarzen Nadelstreifenanzug. Der saß gut, betonte seine trainierte Figur und vermittelte einen seriösen Eindruck. Die schwarzen Lackschuhe und die gegelten Haare halfen zusätzlich. Foremann griff nach seinem dunklen Trenchcoat.

Noch wohnte er im Adlon. Von dort waren es nur wenige Meter zu Hanna. Für einen Augustabend war es überraschend kühl. Nach ein paar Schritten bog er in die Wilhelmstraße ein. Vor der Nummer 77 blieb er andächtig stehen. Die Reichskanzlei. Die Schaltzentrale Hitlers. Filigrane Eisengitter säumten den Eingang. Sie stammten noch aus der Kaiserzeit, als man noch vom Reichskanzlerpalais sprach. Hier waren wenige Wachen, wunderte er sich. Aber vermutlich war Hitler gar nicht in Berlin. Er ließ seinen Blick an der Außenfront entlang gleiten. Sie wirkte mit den vier dorischen Doppelsäulen wie ein griechischer Tempel. Das Dach mit seinem gleichschenkligen Giebel vermittelte durch die geschwungenen Figuren ein lockeres Gegengewicht zu den schweren Säulen, die das Palais förmlich im Boden verankerten. Spontan kam ihm dabei ein Gedanke: ‘Foremann & Partner Unternehmensberatung - Wir helfen unseren Kunden, Wachstum auf einem stabilen Fundament zu verankern.‘

Er lachte über seine Eingebung. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er sich beeilen musste. Er ging die Wilhelmstraße weiter nach Süden, dann nach links in die Voßtraße. Doch bevor er abbog, blieb er vor einem riesigen Schild stehen. „Hier entsteht die Neue Reichskanzlei.“ Eines Tages würde er Zugang zur Reichskanzlei haben und die Großen des Reiches würden seine Dienste in Anspruch nehmen, dachte er. Der Gedanke verlieh ihm Energie. Berlin war großartig. Seine Herzfrequenz stieg. Wegen Berlin und wegen Hanna.

Rot ausgelegter Teppichboden führte ihn in den zweiten Stock, wo Hanna ihn an der Tür mit ihrem charmanten Lächeln begrüßte.

"Sehr pünktlich, auf dich ist Verlass. Willst du noch kurz reinkommen oder sollen wir gleich los?"

"Schickt sich das denn?" fragte Foremann etwas ungelenk.

Hanna prustete los: "Ich verfüge über einen Empfangsraum mit Sitzgarnitur. Meine privaten Räume wirst du nicht gleich sehen."

Frank errötete und fühlte sich ertappt. Aber seine Konter saß. "Nicht gleich, na das lässt ja noch hoffen."

"Also los, komm schon rein. Wofür hast du den Mantel dabei? Ich brauch keinen. Es ist doch August. Um die Blumen für mich zu verstecken?“

Frank errötete wieder.

"Tut mir leid, die habe ich völlig vergessen. Aber ich verspreche dir, das wird nie wieder passieren.“

Sie nahm seine Hand und sah ihn durchdringend an.

„Da ich keine Blumen kriege, muss ich auch keine passende Vase suchen. Also können wir auch gleich gehen.“

Sie lotste ihn auf den Schillerplatz und dann zum Restaurant Hansa. Die Luft war klar. Man konnte den Sommer riechen und greifen.

„Interessant“, kommentierte Foremann und dachte weiter: Wenn sie einen Kerl abschleppen will, dann sind es nur wenige Schritte bis in ihr Schlafzimmer. Raffiniert. Er merkte an ihrem verwirrten Blick, dass sein Kommentar zu durchsichtig war. Er durfte sich nicht so leicht in die Karten schauen lassen.

“Ich hatte gerade ein Déjà-vu. Kennst du das? Man hat den Eindruck, schon mal an einem Ort gewesen zu sein."

"Und warst du? Dann wäre ich jetzt enttäuscht."

"Garantiert nicht, und deshalb mein ‚interessant‘. Was der Kopf doch manchmal für Kapriolen schlägt."

Ein Diener öffnete die breite Glastür und Hanna trat ein. Ein herrlicher Duft in der Bar, dachte Foremann, süßlich intensiv.

"Trompetenlilien, weiße und gelbe", erklärte der Empfangschef des Hansa, der Foremanns Gedanken erriet. "Die riechen sehr intensiv und geben dem Raum das Gefühl von Sommer. Wir wollen ja, dass unsere Gäste gute Laune bekommen. Und die hat man im Sommer viel eher als im kalten Berliner Winter. Darf ich Sie zu ihrem Tisch bringen oder möchten Sie noch an die Bar auf einen Aperitif?"

„An die Bar“, antwortete Hanna, bevor Foremann überhaupt reagieren konnte. Sie führte sehr gern, dachte er, eine tolle Frau. Während sie zur Bar liefen, überfiel ihn der Gedanke, ob sie nur eine Bettgeschichte sein wollte und mehr nicht. Er ließ die Mundwinkel hängen.

"Hey, was ist los, bist du enttäuscht von der Bar?“ Und ohne eine Antwort abzuwarten: "Warte ab bis nach 22 Uhr. Dann wird das hier eine Swing-Hölle. Wusstest du, dass Berlin nach New York die zweitwichtigste Stadt für den Swing ist? Die Nationalsozialisten haben es bisher nicht geschafft, oder sie wollten es nicht, die entsprechenden Etablissements zu schließen."

"Vielleicht haben sie ein Herz für Künstler?"

"Sehr witzig. Teddy Stauffer ist ein berühmter Swinger in den USA. Schau mal auf das Plakat da vorne, im September wird er hier spielen. Die Nationalsozialisten sind weltoffen. Andererseits verbietet der Reichssendeleiter, Hadamovsky oder so ähnlich, den Swing und will das Radio Deutschland zum swingfreien Gebiet machen. Wer soll da durchblicken?", spielte sie die Naive. "Das Hansa hat da hinten eine Tanzfläche. Ich hoffe, du kannst tanzen, mein Lieber."

"Geht so. Was möchtest du trinken, Hanna?"

"Einen Himbeercocktail auf Eis, also einen Gin mit Himbeere. Der ist phantastisch und besticht die Sinne schon nach einem kleinen Schluck."

"Gut, dann nehmen wir zwei davon!"

Hitlers Überflieger

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