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Kapitel 12 – Fotogeschäft - Juli 1934

Foremanns Mund stand weit offen. Es war nicht nur der rote Lockenkopf, der ihn begeisterte. Es waren perfekt choreografierte Fotos an den Wänden des Fotogeschäftes. Er schaute in ein übergroßes Portrait einer von Sorgen geprägten Frau, deren Kinder sich abgewendet hatten. Ihr in der offenen Hand ruhendes Kinn betonte die Furcht, die die Frau ausstrahlte.

„Das ist von Dorothea Lange, eine bedeutende Fotografin aus Amerika.“

„Ich kenne dieses Bild. Ich habe es letztes Jahr im Museum of Fine Arts in Boston gesehen. Hat sie dieses Bild nicht berühmt gemacht?“

„Doch, sie hat in ihren Portraits die Härten der Depression abgebildet. Ganz besonders für die Landbevölkerung.“

„Sind Sie mit der Künstlerin bekannt?“

Hanna lachte laut. Sie drehte den Kopf so schnell zu ihm, dass ihre rote Lockenpracht wehte.

„Schön wär‘s, aber sie spielt in einer anderen Liga. Ich versuche, mich als Portraitfotografin durchs Leben zu schlagen.“

Foremann ging ein paar Schritte weiter.

„Ilse Bing Selbstportrait“ las er. „Machen Sie Portraits oder führen Sie eine Galerie?“

Hanna lachte wieder. „Sie sind süß. Irgendwie muss ich mich doch unterscheiden von der Konkurrenz. Ich stelle meine Vorbilder gleich noch aus. Aber keine hochwertigen Abzüge.“

Das Selbstportrait war geschickt inszeniert. Die Fotografin nahm, hinter ihrer Kamera stehend, die Hälfte des Bildes ein. Hochkonzentriert blickte sie mit strengem Mittelscheitel in den Spiegel. Durch die Reflexion in zwei weiteren Spiegeln erschien sie auf der linken Bildhälfte nochmal, zweimal. Jedes Mal kleiner. Foremann ging instinktiv näher an die Fotografie heran, als ob er etwas im Spiegel sehen wollte.

„Schauen Sie die Augen an, sie war eine der ersten, die szenischen Portraits machte. Und man nannte sie die Königin der Leica.“

„Der Leica?“

„Ja, sie fotografierte nur mit den neuesten Kameras von Leitz. Für mich reicht es nur zu einer Kodak Retina. Und die kommt zum Einsatz, sobald Sie ihren Galeriebesuch hinter sich lassen und mir die Chance geben, Sie abzulichten.“

Foremann war begeistert. Nicht nur von den Fotografien, auch wie Hanna ihm ihre Leidenschaft zeigte. Er hatte keine Eile. Er genoss ihre Gegenwart.

„Wie heißen Sie eigentlich?“

„Frank Foremann.“

„Das klingt aber amerikanisch. Sag bloß, Sie kommen aus USA.“

„Das ist eine lange Geschichte, aber die kurze Antwort heißt: ja, ich bin erst seit ein paar Tagen wieder in Deutschland.“

„Sie werden ja immer aufregender. Können Sie mir dann was auf Englisch beibringen?“

„With my greatest pleasure“, kokettierte Foremann.

Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn durch einen Durchgang in einen weiteren Raum, wo ihre Fotoausrüstung auf einem Hocker lag. Sie stellte sich vor ihn. Neckisch deutete sie auf das Bild neben ihnen. Foremann konnte aber nicht den Blick von ihr lassen und sah ihre kleinen Brüste durch die weiße Bluse schimmern.

„Darf ich vorstellen: Leni Riefenstahl. Meine Heldin.“

Verwirrt schaute Foremann auf eine römische Szenerie, in der eine entblößte Frau lüstern in einen Brunnen mit Jünglingen schaute, die von einer nackten Dienerin gebadet wurden.

„Die Riefenstahl, nackt mit aufgerichteten Brustwarzen, ist ihr Vorbild?“, wagte er sich aus der Deckung.

„Wie war Ihr Name nochmal?“, lenkte Hanna ab. Ihr Gesicht wurde fast so rot wie ihr Lippenstift.

„Die Riefenstahl hat es schon jetzt weit gebracht. Ihr Film über den Reichsparteitag letztes Jahr war grandios. Man sagt, dass Hitler sie persönlich protegiert hat, obwohl sie nicht in der Partei ist. Und man munkelt, dass sie Halb-Jüdin sei. Die kann die Menschen in Szene setzen. Apropos, wollten wir nicht Portraitfotos von Ihnen machen?“

Foremann lachte.

„So kann man den Übergang auch gestalten. Ja, in der Tat, ich brauche ein paar Fotos für meine neue Firmenbroschüre.“ Er machte eine Kunstpause. „Wie wirke ich auf Sie und wie würden Sie mich abbilden?“

„Sie möchten jetzt gerne hören, wie dynamisch, energisch, willensstark und doch hinterfragend sie wirken. Stimmt. Sie gefallen mir. Als Mann.“

Nun errötete Foremann.

„Und für was für eine Firma soll die Broschüre werben? Import - Export, Getränkegroßhandel?“ Sie lachte wieder, aber diesmal mit einem erniedrigenden Unterton. „Oder hat sich ein Rechtsanwalt schick gemacht für Fotos?“ Sie nahm die Kamera in die Hand und während sie sprach, drückte sie immer wieder den Auslöser. „Oder sind Sie Unternehmer? Kleinunternehmer oder großer?“

Klick, klick. Foremann schaute sie streng an.

„Ein Unternehmensberater“.

Er schob sein Kinn nach vorne.

„Gut, genau so. Erzählen sie mir, wie Sie Ihre Kunden beeindrucken. Frank, zeigen Sie, wie Sie in einer Präsentation auftreten.“

Er zog die Hände vor seinem Bauch zusammen und wieder auseinander, als ob er ein überbreites Gummiband dehnen würde.

„Unser finanzieller Spielraum ist groß“, spielte er mit, „auch wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit noch so gering ist.“

Er führte Daumen und Zeigefinger zu einem Abstand von einem Zentimeter vor seinem Gesicht zusammen. Wieder klickte der Apparat.

„Das haben Sie toll gemacht, wirklich sehr natürlich.“

Hanna schaute auf ihre Kleinbildkamera und drehte an einem Rad.

„Noch ein paar mit größerer Blende. Dann werden ihre Augen schärfer und das Umfeld verschwimmt. Kommen Sie auf mich zu und lächeln Sie charmant.“

Klick, klick. Sie achtete darauf, dass keine störenden Linien im Hintergrund ins Bild rutschten.

„Gehen Sie mal in die Knie und beten Sie mich an.“

Foremann lachte und folgte brav ihren Anweisungen.

„Bewundernd schauen, nicht in die Ferne, schmachtend, auf mich.“ Klick.

Abrupt beendete sie ihr Tun. Enttäuscht schaute Foremann sie an.

„Da sind gute dabei. Aber für Aufträge allein reicht das nicht. Da müssen Sie ran an den Speck.“

„Apropos Speck…“ Das Wort war noch nicht ausgesprochen, schon merkte er seinen Fauxpas.

„Einen haben Sie noch, der erste ging schon mal kräftig daneben.“

Er trat vor sie und senkte den Kopf zu einem Kuss.

„Der Zweite ging noch weiter daneben.“

„Jetzt machen Sie es mir doch nicht so schwer, Frau Mausen. Das hat total Spaß gemacht und ich würde Sie gerne wiedersehen. Und nicht nur zum Fotos abholen. Darf ich Sie heute Abend auf einen Drink und ein gemeinsames Dinner einladen?"

Sie schaute verstohlen auf ihre Patek Armbanduhr. Er bemerkte das exklusive Stück und dachte, dass das kein billiger Abend werden würde.

"Hm, ich habe leider schon was vor heute Abend". Nächsten Samstag sind die Bilder entwickelt. Wie wäre es dann?“

„Liebe Frau Mausen, …“. Weiter kam er nicht.

Sie machte einen Schritt auf ihn zu und zog ihn an sich. Ihre Lippen legten sich auf seinen Mund.

Hitlers Überflieger

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