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Kapitel 5 – Produktivität - Juli 1934

Justen stand vor dem stumpfen Spiegel in ihrem Bad, dessen Krönung eine Sitzbadewanne war. Er zog die Klinge an seinem Hals hoch.

„Hoffentlich sind diese üblen Zeiten bald vorbei, so dass wir wieder frei sprechen, denken und uns bewegen können“, brummelte er vor sich hin, als er zurück in die Küche ging, während er mit dem Handtuch den Schaum aus dem Gesicht wischte.

„Was geht bald vorbei?“, erwiderte seine Frau. Sie presste die Handmühle zwischen ihren Knien zusammen und malte Kaffeebohnen. Der Wasserkessel pfiff auf dem Kohlenherd wie das Signalhorn einer Dampflok.

„Ach nichts. Ich muss mir überlegen, wie wir die Produktivität steigern können", suchte er eine Ausflucht.

„Nun sag‘ schon.“

„Wir haben neue Vorgaben: den Ausstoß sollen wir um zwanzig Prozent erhöhen und gleichzeitig die Arbeitskräfte in der Verwaltung reduzieren. Ich weiß nicht, wie das gehen soll.“

„Und wie stellen sich deine Nazi-Kameraden das vor?“

„Die hocken auf ihrem hohen Ministeriums-Ross in der Invalidenstraße und machen schlaue Vorgaben.“

„Aber Jakob, dir fällt doch immer was ein. Du bist doch mein Superhirn. Was meinst du wohl, warum ich dich geheiratet habe?“

Er lächelte sie müde an und musste an ihre Hochzeit denken und wie sie sich wenige Jahre davor kennengelernt hatten. Er hatte eines Abends seinen Vater aus der Bank abgeholt, der Dresdner Bank Filiale am Schlossplatz Stuttgart. Fast gleichzeitig wie der Vater war eine zierliche Frau durch die Tür gekommen, die sich vom Vater verabschiedete. Justen erinnerte sich, wie er sie mit offenem Mund angestarrt und sich augenblicklich verliebt hatte. Nur zwei Jahre später, als er gerade mit dem Maschinenbaustudium fertig war, machte er ihr, der frisch gebackenen Bankkauffrau, einen Antrag.

„Hallo Jakob, träumst du?“

Er schüttelte sich.

„Ich weiß nicht, welche Abläufe wir in der Verwaltung noch straffen könnten. In der Buchhaltung machen die Leute alle Überstunden.“

„Na dann probiert es doch mal im Werk, du Schlauberger.“

„Auch in der Turbinen-Endmontage im Werk in der Huttenstraße kommen die Arbeiter seit Wochen nicht raus, wenn sie nicht mindestens zwölf Stunden malocht haben. Und auch im Magnetophon-Werk am Gesundbrunnen arbeiten die Leute im Zweischichtbetrieb. Sie sind kaputt und die Fehlerquote steigt.“

„Klingt so, als ob alles schlechter statt besser wird. Das hat unser lieber Führer aber ganz anders versprochen!"

Jakob schaute sie streng an, aber bevor er antworten konnte, fiel Anne ihm ins Wort. "Ihr müsst mit euren Mitarbeitern halt so umgehen, wie wir unsere Söhne erziehen wollen: zu rechtschaffenen Leuten, die mitdenken, die ihre Ideen einbringen, die mutig Vorschläge machen.“

„Ja klar, Anne. Du hast aber schon gemerkt, dass die Weimarer Republik abgedankt hat und wir von einem judenhassenden Diktator geführt werden?“

„Die deutsche Rasse muss das Ruder übernehmen und den Juden vertreiben aus allen Führungsaufgaben“, äffte sie den Reichsführer nach.

„Anne bitte, du musst vorsichtig sein, was du sagst. Die Wände sind dünn.“ Und ohne sie zu Wort kommen zu lassen setzte er nach: „Die Kollegen werden immer stärker ausgebeutet. Sie haben kein Interesse, über Lösungen unserer Produktionsprobleme nachzudenken.“

"Jakob, nun sei doch nicht so deprimiert“, entgegnete Anne ihm ernst. "Du tust dein Bestes. Ich finde, du engagierst dich ohnehin zu viel. Die Nazis danken es dir nicht. Du musst eher aufpassen. Nur weil du so gut bist auf deiner Stelle, lassen sie dich in Ruhe im Moment."

„Und weil ich mit einer Deutschen verheiratet bin.“

"Naja, dein Aufstieg zum Organisationsleiter war schon sehr schnell. Und hat nichts mit mir zu tun.“

„Stimmt, ohne unseren Geschäftsleiter Graf von Herbrich hätte ich das nie geschafft."

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