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Kapitel 14 – Gespräch – Juli 1934

Am Sonntagnachmittag traf Foremann seine Schwester an der U-Bahnstation Adolf-Hitler-Platz. Sie wartete bereits auf ihn und las in einer alten Ausgabe der Apotheker-Zeitung vom 5. April 1933: ‚Nicht derjenige Apotheker ist der beste, der den größten Umsatz erzielt, sondern derjenige, welcher die ärztlichen Verordnungen am besten und heilkräftigsten herstellt … der Apothekervorstand muss selbst die Fühlung mit dem Publikum behalten und alle Teile seines Betriebes persönlich überwachen …. Der Dienst am Publikum wird innerlich und gründlicher bewirkt werden müssen als meist bisher.‘ Das passte zu ihren Stärken. Sie müsse sich stärker engagieren im Reich, schlussfolgerte sie. Dann sah sie ihn und Frieda wollte ihn nach dem traurigen Ende des Gesprächs mit dem Vater aufmuntern und ihm Berlins neue Großbaustelle zeigen. Wie früher als Kinder auf den Wanderungen, griff sie seine Hand. Foremann zuckte zurück. Sein Blick suchte die Gegend ab, als fürchte er einen Spion.

„Stell dich nicht so an, ich bin deine Schwester.“

„Gerade deshalb ist das Händchenhalten komisch.“

„Hast du Angst, dass dich eine Verehrerin sieht?“

„Sehr witzig. Was willst du mir eigentlich zeigen? Den Flughafen kenn ich ja schon.“

„Komm mit und lass dich überraschen. Sie hakte sich unter und blickte hinauf zu ihrem großen Bruder. Aneinandergeschmiegt wie ein Liebespaar liefen sie die Heerstraße nach Westen. Die Straße war gesäumt von vier stockwerkshohen, beigegetünchten Bürgerhäusern. Deren verspielte Stuckverzierungen und die Erker standen in auffälligen Kontrast zu den Hakenkreuzfahnen. Harmonie gegen Zacken.

„Man könnte den Eindruck bekommen, Hitler persönlich kommt gleich hier langgefahren. Warum die vielen Flaggen?“, fragte Foremann.

„Die Leute sind wieder stolz. Anders als zu der Zeit, als du uns verlassen hast.“

„Ich hab‘ euch nicht verlassen. Ich habe es nicht mehr ausgehalten mit Vater. Er hat es doch nicht mal zugelassen, wenn ich ihn bewundert habe. Gleichzeitig sollte ich aber in den Betrieb kommen.“

„Er war doch immer so stolz auf dich, Frank.“

„Ja, vielleicht. Nur zeigen konnte es der sture Bock nicht. Immer so verschlossen, getrieben von Erfolg und einem offensichtlich schlechten Gewissen.“

„Wenigstens wissen wir seit ein paar Tagen, warum. Der Tod seines Bruders hat ihm wohl schwer zugesetzt.“

„Ach, Frieda, lass uns lieber über dich reden. Warum treffen wir uns eigentlich hier allein und nicht mit dem Herrn Gemahl Apotheker und den Kindern?“

„Du konntest ihn doch noch nie leiden und er seinen Schwippschwager auch nicht“, erwiderte sie. Ein alter Schmerz quälte sie. Er zog sie an sich. Wäre sie nicht seine Schwester, hätte er sie jetzt geküsst.

„Quatsch, ich kenn‘ ihn ja kaum. Du hattest es nach dem Kennenlernen ja plötzlich so eilig mit Heiraten. Und ich konnte nicht mal dabei sein.“

„Du warst ja auch in deinem tollen Amerika bei deiner ach so aufregenden Consulting-Firma. Ich hab‘ bis heute nicht kapiert, warum gerade USA. Hättest doch auch nach England gehen können.“

„Zum Kriegsgegner, niemals.“

„Als ob die Amis keine Gegner waren 1918.“

„Du willst immer Recht haben, wie schon als kleines, braves Mädchen.“

„Das bin ich doch heute noch.“

„Na ja, deinen Franz hast du ja so schnell verführt, dass die Hochzeit der letzte Ausweg war“, grinste Foremann und gab seiner Schwester einen Schubs.

„Aber von dir, meinem geliebten Bruder, konnte ich mich nie trennen. Schließ mal die Augen und denke an unser Haus in Stuttgart und erzähl mir, was du siehst.“ Foremann tat wie geheißen und öffnete die Augen ein wenig später wieder.

„Schon fertig mit dem Träumen? Und warum grinst du jetzt so blöd?“

„Ich grinse nicht blöd“, entgegnete Foremann. „Ich freue mich, weil ich an den Tag vor dem Schloss denken musste. Ich glaub, da warst du in mich verliebt, Frieda.“

Er liegt mit dem Kopf auf ihrem Schoß. Vor dem neuen Schloss in Stuttgart. Sie fragt ihn englische Vokabeln ab. Er tut sich schwer mit dieser Sprache und schimpft, wenn er ein Wort nicht weiß. Sie zieht ihn damit auf, dass sein schwäbischer Akzent so stark sei. Plötzlich fängt es an zu regnen und zusammen packen sie die Decke und den Picknickkorb auf die Fahrräder und schieben sie flugs unter die Arkaden des Königshauses. Frieda schüttelt sich das nasse Haar. Er drückt sie an sich, um sie zu wärmen. Sie schaut zu ihrem Bruder auf. Dann passiert es. Ihr Herz pocht. Die Nähe, sein Duft, diese intensive Berührung. Sie weiß, dass es falsch ist, aber es ist ihr egal. Sie will nur bei ihm sein. Jede Minute von nun an. Aber sie wird es nie zu ihm sagen. Sie weiß nicht, woher diese Gefühle stammen. Sie kann es sich nicht erklären. Es ist ihr egal.

„Idiot, hab nur keinen gefunden, der es mit meinem so großartigen Bruder aufnehmen konnte.“

„Was ist denn jetzt los, Frieda, hat dich der Schlechte-Laune-Gott überfallen?“

„Schon gut. Ich war nur grad traurig.“

„Warum das denn so plötzlich?“

„Ach Mensch Frank, du warst mein großes Vorbild, einfach in allem. Es war eine wunderschöne Jugend und Studienzeit für uns beide damals. Ich, die angehende Apothekerin und du, der Herr Diplom-Ingenieur. Aber irgendwann hast du mich im Stich gelassen und bist nach Amerika gegangen. Warum eigentlich?“

„Was ist das nun für eine Frage? Du weißt doch, dass ich nicht in die Firma unseres Alten eintreten wollte.“

„Schon klar, dass dich Harvard gereizt hat. Und niemand zweifelte, dass das blitzgescheite Söhnchen aus gutem Hause mit seiner eisernen Disziplin sich an dieser Renommier-Uni schnell zurechtfinden würde. Reden konntest du gut, wenn auch nicht auf Englisch. Diplomatisch warst du auch und sportlich. Und nicht gerade hässlich“.

Foremann schmunzelte.

„Aber warum bist du nie richtig angekommen dort?“

„Ach Schwesterchen, am Anfang war ich begeistert über den Teamgeist, das lockere ‚Du‘. Aber mit der Zeit merkte ich, dass ich für die Amis immer nur der blonde Deutsche mit dem starken Akzent war. Ich hatte wenig echte Freunde. Aber eine richtig gute Freundin, und…“

„Schon klar, dass du jedem Weibsstück nachgestellt hast in Boston“.

„Nein Frieda, ich war wirklich allein. Der intensivste Kontakt bestand zu dir über unsere Briefe. Du hast immer so liebevoll geschrieben über dich, deine junge Familie, die Veränderungen in Deutschland.“

Sie machte einen Schritt auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. „Ich bin froh, dass du wieder in meiner Nähe bist. Ich habe dich wirklich vermisst.“

Sie drückte ihm ihre Stupsnase auf die Wange, griff nach seiner Hand und zog ihn hinter sich her. Sie bogen in die Reichssportfeldstraße und Frieda fing an zu rennen. Foreman verfiel in einen leichten Trab und rannte locker neben der Schwester her. Dann zog sie das Tempo an und sprintete los. Aber er konnte mithalten und auf der imaginären Ziellinie zog er die Arme in die Höhe.

„Gewonnen!“

„Du bist halt doch der Größte“, keuchte Frieda. Sie ging ein paar Schritte weiter und schaute über die Böschung.

„Komm her, mach schon.“

Foremann trat neben sie.

„Wahnsinn.“

Ein tief in den Boden eingelassenes Stadion, gesäumt von 100 Säulen, wie er schätzte. Im Vordergrund ein eingerüsteter Turm und ein zweiter als Stahlskelett im Entstehen. Er zählte sechsundzwanzig Sitzreihen.

„Darf ich vorstellen: Berlins zukünftiges Olympiastadion.“

„Unfassbar, wie gigantisch das ist.“

„Und es ist erst der Baubeginn, mein Lieber. Wenn das Stadion erst mal fertig ist, wird es der ganzen Welt klar werden, dass nicht nur die Amerikaner groß bauen können. Das Deutsche Reich kann noch viel mehr.“ Frieda war stolz, als hätte sie vom Führer persönlich den Bauauftrag erhalten. „Siehst du, was unser Volk kann. Und du, mein Bruderherz, kannst mittendrin dabei sein. Vergiss also Amerika. Deutschland ist deine Heimat. Hier wirst du es schaffen.“

Hitlers Überflieger

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