Читать книгу Strafrecht Besonderer Teil II - Sabine Tofahrn - Страница 30
c) Fremdheit der Sache
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Fremd sind Sachen, wenn sie weder im Alleineigentum des Täters stehen noch herrenlos oder eigentumsunfähig sind.[22]
Nehmen Sie sich Ihr Zivilrechtsskript zur Hand und wiederholen Sie die Voraussetzungen des Eigentumserwerbs bzw. -verlustes!
Die Fremdheit wird ausschließlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Erwerb und Verlust von Eigentum bestimmt. Schon aus diesem Grund ist der Diebstahl in der Klausur und der mündlichen Prüfung ein beliebtes Thema, weil Sie an dieser Stelle unter Beweis stellen müssen, dass Sie „fachübergreifende“ Kenntnisse haben! Die nachfolgend dargestellten zivilrechtlichen Begrifflichkeiten sollten Ihnen von daher bekannt sein.
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Eine Sache steht im Alleineigentum des Täters, wenn weder Mit- oder Gesamthandseigentum noch Vorbehalts- oder Sicherungseigentum eines anderen besteht. Ein mögliches Anwartschaftsrecht des Täters entlastet ihn nicht, da dieses Recht dem Vollrecht nicht gleichzusetzen ist. Hingegen geht durch Verpfändung oder Beschlagnahme das Eigentum nicht verloren.
Beispiel
Im Zuge einer bevorstehenden Trennung nimmt Ehemann E den kurz zuvor von ihm erworbenen Fernseher mit. Sofern E in Gütergemeinschaft mit seiner Frau F lebt, steht der Fernseher im Gesamthandseigentum und ist damit für E fremd. Lebt E hingegen in Zugewinngemeinschaft mit F, so gelten die allgemeinen sachenrechtlichen Regelungen. Hat E den Fernseher nicht zugleich auch stellvertretend für seine Frau mit erworben, so steht der Fernseher in seinem Alleineigentum und ist für ihn nicht fremd. Hat E allerdings mit dem Verkäufer eine Ratenzahlung unter Eigentumsvorbehalt vereinbart, dann steht der Fernseher solange im Alleineigentum des Verkäufers, bis E die letzte Rate gezahlt hat.
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Die Sache steht ferner im Eigentum des Täters, wenn sie ihm kurz vor oder während der Tathandlung übereignet wurde oder er sie – wenn auch unwissentlich – geerbt hat.
Beispiel
Als fremd wird nach überwiegender Auffassung das Benzin betrachtet, das der Kunde an der SB-Tankstelle in seinen Tank füllt, da der Tankstelleninhaber sich das Eigentum in der Regel bis zur Bezahlung vorbehält bzw. das Übereignungsangebot bei lebensnaher Auslegung unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Bezahlung steht.[23] Auch ein gesetzlicher Eigentumsübergang mit der Folge des Erwerbs des Alleineigentums gem. §§ 947, 948 BGB findet nicht statt, da der Tank zumeist leer sein wird, so dass der Täter nur Miteigentum erwirbt.
Beispiel
Nicht mehr fremd ist die Perlenkette der Erbtante E, die A gerade aus dem Safe geholt hat, wenn E kurz zuvor verstorben ist und ihr ganzes Vermögen dem A vererbt hat. Irrelevant ist, ob A von dieser Erbschaft weiß. Weiß er es nicht, so hat er sich wegen versuchten Diebstahls strafbar gemacht.
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Bei Geschäften, die gesetzlich verboten gem. § 134 BGB oder nichtig gem. § 138 BGB sind, muss das Abstraktionsprinzip beachtet werden, wonach die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts grundsätzlich die Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäftes nicht berührt. Die sachenrechtliche Einigung ist allerdings nichtig, wenn durch das Verbot oder die Sittenwidrigkeit gerade auch die Vermögensverschiebung verhindert werden soll.[24]
Beispiel
A verkauft dem B Heroin für 500 € und wird danach von B überfallen, der ihm unter Vorhalten eines Messers das Geld wieder abnimmt.
Hier findet weder an den Drogen noch an dem Geld ein Eigentümerwechsel statt.[25] Das Geld ist also für B keine fremde bewegliche Sache.
Im umgekehrten Fall – A nimmt dem B unter Vorhalten eines Messers das Heroin wieder ab – ist es fraglich, ob das Heroin überhaupt verkehrsfähig und damit fremd sein kann. In der Literatur wird die Verkehrsfähigkeit von Betäubungsmitteln teilweise unter Hinweis auf das BtmG und § 134 BGB abgelehnt.[26] Nach Auffassung der h.M. und auch des BGH können Betäubungsmittel allerdings eigentumsfähig sein.[27] Eigentum kann danach jedenfalls der Produzent oder aber der Verarbeiter erwerben, ggf. je nach dem Recht des Landes, in welchem die Betäubungsmittel hergestellt und zunächst weiter veräußert werden, auch die ersten Käufer/Verkäufer.
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Zu beachten ist, dass zivilrechtliche Rückwirkungsfiktionen nicht auf das Strafrecht übertragen werden dürfen. Maßgeblich bei der Beurteilung der Strafbarkeit ist ausschließlich der tatsächliche und rechtliche Zustand zum Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung.
Beispiel
A hat B ein Auto verkauft und das Eigentum hieran gem. § 929 BGB an B übertragen. Allerdings beruhten die Willenserklärungen des B auf einer arglistigen Täuschung durch A. Wenige Tage später bricht A bei B ein und nimmt das besagte Fahrzeug weg. Ficht B nunmehr die Übereignung des Autos wegen der arglistigen Täuschung an, so fingiert § 142 Abs. 1 BGB die anfängliche Nichtigkeit der Eigentumsübertragung. Danach hätte A zu keinem Zeitpunkt das Eigentum an dem Auto verloren. Diese zivilrechtliche Fiktion hilft dem A im Strafrecht jedoch nicht. Vielmehr hat er zum Tatzeitpunkt eine fremde Sache weggenommen.
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An der Fremdheit fehlt es, wenn die Sachen herrenlos sind. Herrenlos können Sachen von Natur aus sein, so etwa wilde Tiere oder – wie bereits dargestellt – der menschliche Leichnam. Sachen können aber auch im Nachhinein durch Eigentumsaufgabe herrenlos werden (Dereliktion, § 959 BGB). Ob der Eigentumsinhaber tatsächlich das Eigentum an den betroffenen Sachen aufgegeben hat, muss stets genau geprüft werden. § 959 BGB setzt zunächst voraus, dass der Eigentümer den Besitz an den Sachen aufgibt, die nicht mehr in seinem Eigentum stehen sollen. Bei Sachen, die der Eigentümer verloren, vergessen oder verlegt hat, kommt eine Dereliktion nur dann in Betracht, wenn der Eigentümer – wenn auch nachfolgend – den Willen zur Eigentumsaufgabe fasst.
Beispiel
A will sich an einem Automaten eine Tüte Weingummi kaufen, die 80 Cent kostet. Leider gibt der Automat weder das Weingummi noch das eingeworfene Geld, 1 €, wieder heraus, woraufhin A resigniert abzieht. Wenig später erscheint der Automatenaufsteller B, der den Defekt verursacht hat und demzufolge auch weiß, wie man an das Geld herankommt und nimmt das Geld an sich.
Hier könnte ein Diebstahl vorliegen, sofern die 1-Euro-Münze noch eine fremde bewegliche Sache ist. Zunächst könnte man annehmen, dass A die Münze an B übereignet hat. Die erforderliche Übergabe liegt vor, allerdings stand das Übereignungsangebot unter der Bedingung der Aushändigung und Übereignung der Tüte Weingummi (§§ 929, 158 BGB). Da diese Bedingung nicht eingetreten ist, wurde die Münze nicht an B übereignet. Die Münze könnte aber, da A unverrichteter Dinge abzog, herrenlos geworden sein. Voraussetzung dafür ist aber neben der Besitzaufgabe auch der Wille, das Eigentum aufzugeben. Für einen solchen Willen fehlen vorliegend die konkreten Anhaltspunkte. So ist es denkbar, dass sich A an B wenden möchte, um die Angelegenheit zu klären und seinen Euro herauszubekommen. Die Münze ist damit noch fremd. Es scheitert aber an der Wegnahme, da sie sich zum Zeitpunkt des Entfernens aus dem Automaten bereits im Gewahrsam des B befand. Insoweit kommt nur eine Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 in Betracht.
JURIQ-Klausurtipp
In der Klausur wird häufig das Merkmal „fremd“ von den Studenten nicht ernst genommen und voreilig und ohne Prüfung bejaht. Nur wenn der Sachverhalt in dieser Hinsicht eindeutig ist, können Sie sich an dieser Stelle kurz fassen. Ansonsten sollten Sie sich insbesondere in Fällen der o.g. Art sorgfältig mit den zivilrechtlichen Normen auseinandersetzen.