Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 50
Оглавление5
Antje Büchner war Grafikerin. Sie arbeitete in einem großen Studio, und da zur Zeit viel zu tun war, ging sie nach dem Arztbesuch nicht nach Hause, sondern kehrte an ihren Zeichentisch zurück.
Sie legte die Entwürfe noch einmal nebeneinander auf und begutachtete sie kritisch.
Babynahrung, dachte sie. Ausgerechnet ich musste das kriegen.
Sie hatte jetzt eine völlig andere Einstellung zu diesem Thema. Kein Entwurf war ihr gut genug. Die Babys sahen nicht glücklich genug aus. Sie vermittelten nicht die unbekümmerte Freude darüber, dass sie auf der Welt sein durften.
Antje warf die Entwürfe weg und fing noch mal von vorne an, und diesmal traf sie den Ausdruck. Sie hatte in sich hineingehört. Das Glücksgefühl, das sie aufs Papier bannte, kam irgendwie aus ihrem Bauch.
Sie hob den Kopf und biss in den Zeichenstift, während sie nachdenklich das Telefon anschaute. Gideon hatte gesagt, er würde sich melden, sobald er von seiner Tour zurück wäre.
Er war zwei Tage überfällig. Die junge Frau griff nach dem Hörer und wählte Gideons Nummer. Sie hörte das Freizeichen, aber Gideon hob nicht ab. Ihm ist doch hoffentlich nichts zugestoßen, dachte Antje, und ein furchtbarer Gedanke erschreckte sie: Gideon ... tot!
Wer so viel wie er mit dem Wagen unterwegs war, musste mehr als andere damit rechnen, dass es einmal krachte - trotz aller Routine. Nicht alle Verkehrsunfälle wurden selbst verschuldet. Es kam hin und wieder auch vor, dass man von einem anderen Autofahrer abgeschossen wurde.
Dann hat mein Kind keinen Vater, dachte Antje und legte den Hörer in die Gabel. Soll ein Kind wohlgeraten, braucht es mütterliche Liebe und väterliche Strenge. Ich kann nicht Vater und Mutter sein. Mache dich nicht verrückt, sagte sie sich und richtete den Blick wieder auf das freundliche Baby.
Sie hatte es so gezeichnet, wie sie sich vorstellte, dass ihr eigenes Kind einmal aussehen würde.
»Richtig niedlich, der kleine Racker«, sagte jemand neben ihr. »Der Kleine sieht zum Verlieben aus. Äh ... ist es überhaupt ein Junge?«
»Es ist ein Mädchen«, antwortete Antje Büchner.
»Wieso weißt du das? Die Kleine trägt eine Windelhose.«
»Ich habe nachgesehen«, behauptete Antje lächelnd.
Neben ihr stand Bernd Riepel, der Werbetexter - lange Beine, dünner Hals, kleiner Kopf, aber in diesem Kopf war sehr viel drinnen. Bernd sprühte nur so von guten Ideen.
Er hatte Antje gern und machte keinen Hehl daraus. Seit Monaten versuchte er sie hartnäckig zu überreden, mit ihm auszugehen, obwohl er wusste, dass sie einen Freund hatte.
Er hatte Gideon schon zweimal gesehen und fand, dass dieser nicht zu Antje passte. Seiner Ansicht nach wäre er als Partner für Antje die Idealbesetzung gewesen, deshalb ließ er auch nicht locker.
Die junge Grafikerin mochte ihn. Er war ihr nicht lästig, aber sie hätte sich niemals in ihn verlieben können. Warum das so war, konnte sie nicht erklären.
Es war eben so im Leben eingerichtet, dass nicht jeder jeden liebte, damit musste man sich abfinden. Doch das kam für Bernd Riepel nicht in Frage.
»Was hat dieses wunderschöne Strahlen deiner himmelblauen Augen zu bedeuten?«, fragte er.
»Nichts Gutes für dich«, antwortete Antje.
»Wie darf ich das verstehen?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern holte zwei Eintrittskarten aus der Tasche seines Samtjacketts. »Heute Abend gibt es in der Stadthalle ein sensationelles Konzert. Ich konnte unter Einsatz meines Lebens zwei Karten ergattern. Eine ist für mich. Dreimal darfst du raten, wem ich die andere schenken möchte.«
Antje stellte sich dumm. Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Gabi Förster?«
»Gabi Förster? Wie kommst du denn auf die? Jedermann weiß hier, dass sie für Männer nichts übrig hat. Seit einem Monat wohnt eine bildschöne Rothaarige bei ihr.«
»Woher weißt du denn das schon wieder?«, fragte Antje Büchner.
Bernd hob die Augenbrauen. »Ja, vor mir kann man eben nichts geheim halten.«
»Wenn das so ist, dann sage ich es dir lieber gleich, bevor du es von jemand anders erfährst: Ich bekomme ein Kind.«
»Du kriegst die Tür nicht zu. Ist das wahr?«, fragte der junge Mann erstaunt
»Warum sollte ich dich belügen?«, gab Antje zurück.
»Nun, damit ich die zweite Konzertkarte einer anderen anbiete«, antwortete der Werbetexter.
»Ich würde nie zu einem so gemeinen Trick greifen«, meinte die Grafikerin.
»Nein, das würdest du nicht«, gab Bernd zu.
»Du wirst einsehen, dass es sich für mich als werdende Mutter nicht schicken würde, mit dir in die Stadthalle zu gehen«, meinte Antje.
»Wie konntest du mir das antun? Du weiß doch, dass ich dich liebe.«
»Sei nicht, unfair, Bernd. Ich ließ dich nie darüber im unklaren, dass ich deine Gefühle nicht erwidern kann«, entgegnete die werdende Mutter.
»Ich dachte, du würdest das nur so sagen. Ich hatte gehofft, dass es mit uns beiden irgendwann einmal doch noch klappen würde. Und nun diese kalte Dusche«, meinte der junge Mann traurig.
»Du wirst darüber hinwegkommen, Bernd«, tröstete ihn Antje Büchner.
»Vielleicht«, erwiderte Bernd dünn.
»Bestimmt«, sagte Antje überzeugt.
»Aber es wird nicht leicht sein«, bemerkte Bernd Riepel und zog sich in sein Büro zurück.
Der Apparat speicherte die jeweils letzte externe Nummer, die man gewählt hatte. Antje rief sie per Knopfdruck ab und ließ es wieder bei Gideon Arendt läuten, doch auch diesmal hob er den Hörer nicht ab.