Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 58

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Gideon Arendt wartete in seinem Wagen auf Antje Büchner. Als er sie aus dem Haus treten sah stieg er aus. Sie war nicht allein. Bernd Riepel ging neben ihr.

Gideon Arendt wusste, dass Bernd Riepel viel für Antje übrig hatte. Bisher hatte ihn das gestört, doch nun war es ihm. nicht mehr wichtig. Antje war bereits frei für jeden anderen Mann, sie wusste es nur noch nicht.

Sie verabschiedete sich von ihrem Kollegen und kam zu Gideon Arendt. Er küsste sie flüchtig und öffnete für sie den Wagenschlag.

»Du siehst großartig aus«, sagte er, ohne sich etwas dabei zu denken. Er machte viele Komplimente am Tag, das brachte sein Beruf mit sich. Wer Geschäfte machen will, muss freundlich sein. Wer verkaufen möchte, muss den Kunden das sagen, was sie gerne hören.

Sie stieg ein, und er klappte die Tür zu, dann ging er um den Wagen herum. Die Grafikerin beobachtete ihn durch die Windschutzscheibe, und ihr kam vor, als würde ihn irgend etwas bedrücken.

Wie in vielen Branchen, kriselte es auch in der Mineralölbranche. Hatte man Gideon nahegelegt, sich um einen anderen Job umzusehen?

Antje Büchner hatte bisher den Eindruck gehabt, er würde bei seiner Firma sehr gut im Sattel sitzen. Vor einigen Wochen hatte Gideon von einem Chefwechsel gesprochen.

Hatte der sich inzwischen vollzogen? Hatte der junge Mann nun einen anderen Vorgesetzten, mit dem er nicht zurechtkam? Sollte sie ihm in einer solchen Situation auch noch sagen, dass er Vater würde?

Er fuhr los, und zehn Minuten später saß ihm Antje in einem hübschen kleinen Lokal gegenüber. Ein Campari-Orange stand vor ihr, und vor ihm ein doppelter Bourbon.

Er war immer schweigsamer geworden, und jetzt sagte er überhaupt nichts mehr. Seine Hände waren ständig in Bewegung. Fortwährend spielte er mit irgendeinem Gegenstand.

Mal war es eine Zigarette, mal das Feuerzeug oder das Glas mit dem Bourbon, das er zweimal beinahe umstieß. Antje Büchner hatte den Eindruck, er würde leiden.

Das bedeutete für sie, dass sie mit ihm über das Baby ein andermal reden musste. Jetzt war dafür nicht der richtige Zeitpunkt. Sie fragte ihn nach den Geschäftsabschlüssen der letzten Tage.

Zu ihrem Erstaunen antwortete er, sie wären noch nie so hoch gewesen. Er sprach von Rekordumsätzen, die ihm am Jahresende eine Auszeichnung einbringen würden.

»Das freut mich für dich«, sagte Antje. »Du wolltest ja immer >Vertreter des Jahres < werden. Schön, dass du es diesmal geschafft hast. Du bist tüchtig. Ich bin sehr stolz auf dich. Neben der Auszeichnung gibt’s auch eine Prämie, nicht wahr?«

Der Gefragte nickte. »Und einen Urlaub für zwei Personen am Chiemsee - im besten Hotel.«

»Wann...?«

»Das bestimme ich«, antwortete Gideon.

Antje überlegte. Wenn sie dick wie eine Tonne war, wollte sie nicht Urlaub am Chiemsee machen, und nach dem Mai würde das Baby da sein. Gleich würden sie nicht fahren können, Juli, August würden für das Kind zu heiß sein.

Es würde wohl September werden, bis sie an den Chiemsee kamen, aber wenn Gideon sagen konnte, wann er seinen Urlaub antreten wollte, konnte es keine Schwierigkeiten geben.

In der Firma war alles in Ordnung - was bedrückte Gideon? Wenn sie keine Fragen mehr stellte, verstummte er. Am Telefon hatte er gesagt, er hätte ihr etwas zu erzählen. Warum rückte er nun nicht mit der Sprache heraus?

War das, was er zu sagen hatte, so schlimm? Sein Gesicht wirkte heute seltsam fahl. Gideon schien seine gesamte Vitalität eingebüßt zu haben.

Er blickte die meiste Zeit stumm in sein Glas, vermied es, Antje in die Augen zu sehen. Vielleicht wartete er darauf, dass sie ihn aufmunterte, zu reden.

»Hast du Sorgen, Gideon?«, fragte sie, während ihr Blick seine Züge erforschte.

Es zuckte kurz um seinen Mund. »Ich? Sorgen? Nein.«

»Du siehst aus, als würdest du eine zentnerschwere Last tragen«, meinte sie.

»Ich trage keine Last«, entgegnete er hastig.

»Worüber wolltest du mit mir reden?«, fragte Antje.

»Zuerst du. Du möchtest doch auch irgend etwas loswerden, nicht wahr?«, wollte der junge Mann wissen.

»Das ist nicht so wichtig, darüber sprechen wir ein andermal. Übrigens, Jutta hat heute die Fahrprüfung bestanden.«

Gideon lachte gekünstelt. »Na großartig. Endlich. Wie oft ist sie durchgefallen?«

»Nur einmal«, antwortete die Grafikerin.

»Ich dachte, es wäre öfter gewesen«, meinte Gideon, den dieses Thema offensichtlich nicht interessierte.

Als Antje Büchner ihn in die Enge trieb, leerte er sein Glas und ließ sich noch einen doppelten Bourbon bringen. Es muss irgend etwas Schlimmes, Unangenehmes sein, dachte Antje, und ihr Magen zog sich zusammen. Sie nippte an ihrem Campari-Orange, während Gideon Arendt immer nervöser wurde.

Und dann begann er endlich zu reden, aber er drückte sich so unklar aus, dass Antje nicht wusste, worauf er eigentlich hinauswollte. Er sprach über ihre Beziehung, die ihm immer sehr viel bedeutet hätte, über das Versprechen, das sie einander gegeben hatten, stets ehrlich zueinander zu sein ...

»Ehrlichkeit«, sagte er, »ist das Wichtigste überhaupt in einer Beziehung.«

»Ich bin dir gegenüber immer aufrichtig gewesen, Gideon«, beteuerte Antje.

»Das weiß ich, und das schätze ich so sehr an dir. Auf dich kann sich ein Mann verlassen. Wenn du liebst, tust du es rückhaltlos - mit ganzem Herzen.«

»Kann man auch anders lieben?«, fragte die junge Frau erstaunt.

»Vielleicht... ich zum Beispiel... also ich habe dich sehr, sehr gern, Antje, das musst du mir glauben, und es gab eine Zeit, da war ich mit dir unbeschreiblich glücklich. Ich fand bei dir alles, was ein Mann bei einer Frau sucht. Liebe, Zärtlichkeit, Verständnis ... Du warst mein Freund, meine Geliebte, mein alles ... Aber Gefühle lassen sich nicht konservieren. Sie verändern sich, können sich abnützen, können abkühlen«, sagte der Mann stockend.

Jetzt wurde Antje nervös.

»Was gestern noch schön war, weil ihm der Reiz des Neuen anhaftete, kann heute Gewohnheit sein und morgen zur Last werden«, sagte Gideon Arendt. »Bitte verstehe mich nicht falsch, Antje. Ich will damit nicht sagen, dass unsere Beziehung für mich zur Last geworden ist...«

»Aber sie hat sich abgenutzt«, unterbrach Antje ihn heiser.

Sie vibrierte innerlich und spürte Tränen hochsteigen. Sie dachte an das Kind, das sie erwartete, dessen Vater Gideon war. Sie hatte dieses Kind in Liebe empfangen, und nun sollte diese Liebe auf einmal Abnutzungserscheinungen zeigen?

Wie war das möglich. Was hatte sie falsch gemacht? Wieso hatte sie vom Erkalten der Gefühle nichts gemerkt? Sie liebte Gideon immer noch. Nichts hätte sie glücklicher gemacht, als wenn er sie gefragt hätte, ob sie seine Frau werden wolle.

Aber davon schien auf einmal keine Rede mehr zu sein. Es sah ganz danach aus, als wollte sich Gideon von ihr zurückziehen. Von ihr und dem ungeborenen Kind.

Plötzlich wäre es Antje Büchner unmöglich gewesen, Gideon von dem Kind zu erzählen. Sie wollte ihn nicht auf diese Weise verpflichten. Sie wäre glücklich gewesen, wenn er sie geheiratet hätte, weil er es wollte.

Dahinter durfte kein Zwang stehen - und das Kind wäre ein moralischer Zwang für Gideon Arendt gewesen.

Abgenutzt. Die Liebe hatte sich einseitig abgenutzt. Wieso?

»Es hätte wenig Sinn, etwas aufrechtzuerhalten, das nicht mehr intakt ist, Antje«, sagte Gideon.

Sie konnte nichts erwidern. Ihre Augen schwammen in Tränen, und sie merkte, wie die Welt um sie herum zusammenbrach. Eine Katastrophe, die völlig unerwartet über sie hereinbrach.

Sie hatte keine Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Und es hatte auch noch passieren müssen, nachdem sie schwanger geworden war. Hätte sich Gideon nicht früher von ihr trennen können?

Es wäre viel leichter zu ertragen gewesen - ohne Kind von ihm. Wer lenkt die Geschicke der Menschen? fragte sich die Grafikerin unglücklich. Das kann unmöglich Gott, sein. Da muss der Teufel die Hand im Spiel haben.

»Sollen wir uns etwas vorlügen? Sollen wir Gefühle heucheln, die in Wirklichkeit nicht mehr vorhanden sind?«, fragte Gideon.

»Nein. Natürlich nicht«, antwortete Antje. Jedes Wort schmelzte in ihrer Kehle.

»Ich war nicht sicher, ob du dafür Verständnis aufbringen würdest«, sagte Gideon. »Deshalb war ich so nervös.«

»Zwei Menschen begegnen sich, gehen eine Zeitlang denselben Weg miteinander, haben an dieser Beziehung ihren Spaß und trennen sich wieder«, entgegnete Antje bitter.

»Genauso ist es.«

Es ging fast über Antjes Kräfte, ruhig zu bleiben. Sie hätte am liebsten geheult und alles kurz und klein geschlagen.

»Du bist eine tolle Frau«, sagte Gideon Arendt. »Ehrlich gesagt, ich hatte damit gerechnet, dass du mir eine fürchterliche Szene machen würdest.«

»Aber wieso denn? Ich sehe weit und breit kein Problem. Du willst mich nicht mehr und ziehst dich von mir zurück. Warum sollte ich dich zwingen, bei mir zu bleiben? Du würdest mich deswegen nur hassen«, sagte sie.

»Du siehst die Sache sehr realistisch. Das gefällt mir. Ich würde gern dein Freund bleiben, Antje. Wäre das möglich?«

»Wozu? Ich glaube, es ist besser, wenn jeder seinen eigenen Weg geht. Ich bin nicht für halbe Sachen«, meinte die junge Frau.

»Das muss ich akzeptieren«, sagte Gideon. »Jetzt, wo ich es los bin, fühle ich mich ungemein erleichtert. Ich wollte dir nicht weh tun.«

Er hatte ihr weh getan. Oh, er hatte ihr einen Schmerz zugefügt, der so groß war, dass sie ihn am liebsten laut herausgeschrien hätte. Er schien das aber nicht mitzubekommen.

Bin ich eine so großartige Schauspielerin? fragte sich Antje Büchner. Oder schenkt er mir so wenig Beachtung, dass ihm nicht mehr auffällt, wie ich leide?

Sie wollte wissen, wie weit seine Offenheit ging, deshalb fragte sie: »Du hast eine Andere, nicht wahr?«

Er senkte den Blick und nickte kaum merklich.

Ihr gab es einen Stich. Eine glühende Nadel schien ihr Herz zu durchbohren.

An diesem Tisch kann noch nie ein unglücklicherer Mensch gesessen haben, als ich es bin, dachte die werdende Mutter verzweifelt.

»Verrätst du mir ihren Namen?«, fragte Antje mit zitternder Stimme.

»Kitty«, antwortete Gideon Arendt. »Kitty Kolbert«

»Die Malerin?«, wollte sie wissen.

»Ja«, antwortete der Mann kurz.

»Eine Schönheit«, bemerkte Antje.

»Das hat damit nichts zu tun. Auch du bist schön«, meinte Gideon Arendt

»Was hat sie, das ich nicht habe?«, wollte Antje wissen.

Er hob die Schultern. »Das lässt sich nicht so einfach erklären. Bei Kitty ist alles. . . irgendwie anders.«

»Wie lange geht das schon mit euch beiden?«, fragte die Grafikerin.

»Darüber möchte ich nicht sprechen«, antwortete Gideon.

Aber auch diese Antwort war für Antje ein Schlag ins Gesicht, denn nun wusste sie, dass Gideon einmal mit ihr und dann wieder mit Kitty Kolbert geschlafen hatte.

Was für ein Gefühl musste das für ihn gewesen sein? Aus dem einen Bett raus, in das andere hinein ... Hier und dort gekeuchte Liebesbeteuerungen, die zumindest in einem Fall nicht ehrlich gemeint gewesen sein konnten.

»Liebst du sie?«, fragte Antje mit belegter Stimme.

»Ja«, antwortete Gideon.

»Ist es nicht so ein... Strohfeuer wie bei mir?«

»Ich glaube nicht. Sicher kann man natürlich nie sein. Im Augenblick weiß ich lediglich, dass mich keine Frau jemals glücklicher gemacht hat.«

So ehrlich hätte Gideon Arendt nicht zu sein brauchen. Antje presste die Lippen zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Um sie herum lag die Welt in Trümmern.

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