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Es gibt nichts Nüchterneres und Unattraktiveres, als Heizkessel, dachte Antje Büchner am nächsten Vormittag und seufzte unglücklich. Wie soll man dafür >menschlich< werben?

Sie hatte Fotos vor sich liegen und zerbrach sich seit einer Stunde den Kopf darüber, wie sie dem Heizkessel ein sympathisches Image verleihen konnte.

Einige Skizzen und Notizen waren im Papierkorb gelandet, und nun grübelte Antje erneut. Für gewöhnlich hatte sie auf Anhieb zwei, drei Ideen, die sich ausbauen ließen, doch diesmal war ihr Kopf ziemlich leer, und ihre Gedanken schweiften immer wieder ab.

Sie konnte sich nicht konzentrieren. Mal dachte sie an das Kind in ihrem Bauch, und sie versuchte, es mit ihren Sinnen wahrzunehmen, indem sie in sich hineinhorchte - ohne Erfolg natürlich, denn das Baby war noch zu klein, um sich bemerkbar zu machen.

Mal dachte sie an Gideon Arendt, der sich immer noch nicht bei ihr gemeldet hatte... allmählich fand sie sein Benehmen merkwürdig.

Mal war sie mit ihren Gedanken bei Jutta Sibelius, die sich erbarmungswürdig durch den Vormittag schlotterte.

Mit allem beschäftigte sie sich gedanklich mehr als mit diesem verflixten Heizkessel! Sie griff nach dem Zeichenstift und steckte den Kessel in den Beutel eines Kängurus.

Es war eine Alibizeichnung, damit sie ihrem Chef vorerst irgend etwas vorlegen konnte. Schließlich musste sie für das Geld, das sie bekam, eine sichtbare Leistung erbringen.

Sie legte ein zweites Blatt vor sich hin und ließ den Heizkessel von einem Eskimo glücklich umarmen. Von beiden Ideen war sie selbst nicht sonderlich überzeugt, aber wenn sie Glück hatte, kam sie damit durch.

Wenn nicht, würde sie weiter grübeln müssen. Sie war sicher, morgen einen besseren Tag zu haben. Tage wie dieser waren bei ihr eine Ausnahme.

Sie verfeinerte die Entwürfe und begab sich damit in Bernd Riepels Büro.

»Wie war das Konzert?«, fragte sie.

»Ich war überhaupt nicht da«, antwortete er. »Ich habe die Karten einem Freund überlassen.«

»Das tut mir leid«, meinte die werdende Mutter.

»Oh, ich verbrachte einen aufregenden Abend mit einer ziemlich scharfen Lady. Bloody Mary war ihr Name«, entgegnete der Werbetexter.

»Du hast dich betrunken. Deshalb siehst du so verkatert aus. Warum hast du das getan?«, fragte die junge Frau und sah ihren Kollegen ernst an.

Er hob die Schultern. »Mir war einfach danach.«

»Hoffentlich nicht meinetwegen«, meinte Antje Büchner.

»Ich hatte ein allgemeines Tief zu überwinden«, entgegnete Bernd Riepel.

»Ist es dir gelungen?«, fragte Antje.

»Keine Ahnung. Die Bloody Mary hat mich ziemlich hergenommen. Zur Zeit leide ich noch an den Nachwirkungen«, antwortete er.

»Du bist ein ausgemachter Dummkopf«, sagte Antje vorwurfsvoll.

»Bist du denn immer in Hochstimmung?«, wollte Bernd wissen.

»Nein, aber ich hänge mich nicht an die Flasche, wenn es mir seelisch mies geht, denn der Alkohol löst keine Probleme. Damit schafft man höchstens weitere«, gab sie zur Antwort.

Bernd Riepel seufzte. »Herrlich, diese Kopfwäsche. Sie ist genau das, was mir heute noch gefehlt hat.«

»Du kannst so wunderbar sarkastisch sein«, meinte Antje.

»Soll ich überhaupt keinen Vorzug haben?«, gab Riepel zurück.

»Ich denke, ich lasse dich mit deinem Schmerz besser allein. Hast du genügend Alka-Seltzer bei der Hand?«, fragte sie schmunzelnd.

»Die ganze Schreibtischlade ist voll davon«, antwortete der Werbetexter und hielt sich den Kopf,

»Wenn die Lade leer ist, wird's dir besser gehen«, sagte Antje und wollte den Raum verlassen.

»Sehe ich richtig? Hast du eine Zeichenmappe unterm Arm?«, fragte Bernd Riepel.

»Ich wollte mit dir über zwei Entwürfe reden. Vergiss es. Du bist nicht in der richtigen Verfassung«, antwortete die Grafikerin.

»Wer behauptet das? Ich fühle mich großartig. Vor allem dann, wenn jemand wie du an meiner Meinung interessiert ist. Her mit den Entwürfen! Lass sie mich sehen.«

»Es geht um die Inseratenkampagne für Zentralheizungskessel«, erklärte Antje und legte die Mappe auf den Tisch. Sie nannte den Namen der Firma.

»Na, mal sehen, was du dir dazu einfallen lassen hast«, sagte Bernd Riepel und schlug die Mappe auf.

Als er das Känguru sah, brach er in schallendes Gelächter aus, und beim Anblick des Eskimos schlug er sich vor Vergnügen auf die Schenkel.

»Freut mich, dass es dir schon wieder bessergeht«, sagte Antje ärgerlich.

»Entschuldige«, sagte Bernd Riepel mit Tränen in den Augen.

»Ich weiß, dass ich mit diesen Ideen keinen Preis gewinnen kann, aber so umwerfend komisch, wie du tust, finde ich sie auch wieder nicht«, entgegnete Antje Büchner wütend.

»Ich kenne den Mann, der diese Heizkessel herstellt«, bemerkte der Werbetexter, nachdem sein Heiterkeitsausbruch abgeklungen war. »Das ist ein absolut knochentrockener Mensch. Er würde vor Zorn an die Decke gehen, wenn du ihm diese Entwürfe vorlegst. Er würde annehmen, du würdest dich über sein Produkt lustig machen. Er verlangt nüchterne Sachlichkeit. Schlüpf in die Haut eines vollkommen humorlosen Menschen. Lass jeden netten Geistesblitz unter den Tisch fallen, bringe Zahlen, Daten, Fakten und eine grafisch gefällige Form, und unser Kunde wird dich vor Glück und Freude umarmen.«

»Warum hat mir der Chef diese Direktiven nicht gegeben? Er hätte doch wissen müssen ...«

»Er wird nicht daran gedacht haben. Gut, dass du damit zu mir gekommen bist, Eskimo und Känguru sind dir sehr gut gelungen. Ich würde sie an deiner Stelle den Walt Disney Productions anbieten«, unterbrach Bernd seine Kollegin.

»Du bist heute ungenießbar«, sagte Antje, nahm ihm ihre Mappe weg und stürmte aus dem Büro.

Und dann rief endlich Gideon Arendt an. Sie wollte wissen, warum er sich erst so spät meldete, sagte, sie wäre bei ihm gewesen.

»Ja«, erwiderte er. »Max Wehling hat es mir erzählt «

»Sehen wir uns heute? Ich habe dir einiges zu sagen«, meinte Antje Büchner.

»Ich dir auch«, erwiderte Gideon. Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang. Jedenfalls kam es Antje so vor.

»Hast du berufliche Schwierigkeiten?«, fragte die junge Frau freundlich.

»Nicht am Telefon«, antwortete Gideon Arendt.

»Kommst du heute Abend zu mir? Wir essen Baguette und trinken dazu französischen Landwein. Ich lege eine Schallplatte mit französischen Liedern auf, und wir erinnern uns an das wunderschöne verlängerte Wochenende in Paris«, entgegnete die Grafikerin.

»Ich habe im Augenblick sehr wenig Zeit«, sagte Gideon. Er ließ jede Herzlichkeit vermissen. War das Feuer seiner Leidenschaft erloschen? Antje hoffte, dass sie sich irrte. »Ich hole dich von der Firma ab, und wir trinken irgendwo etwas zusammen.«

»Sei bloß nicht zu hektisch, mein Lieber. Denk an dein Herz. Du wirst noch gebraucht«, sagte die junge Frau.

»Mein Herz ist in Ordnung. Wir sehen uns um halb fünf«, meinte er.

»Ich liebe dich, Gideon.«

Er zögerte einen Augenblick. »Ja«, sagte er dann. »Das freut mich.«

Eigentlich hätte er sagen müssen: »Ich liebe dich auch.« Er hatte das bisher immer erwidert.,

Eine unangenehme Vorahnung beschlich Antje. Es war nicht leicht, sie zu verdrängen.

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