Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 61
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Den Nachmittag verbrachte Katja mit ihrem kleinen Sohn. Als Robert Anders nach Hause kam, war es für das Kind schon wieder Zeit, zu Bett zu gehen.
Katja hob ihm das Kind entgegen. »Gib deinem Wochenendvati einen lieben Kuss.«
Dr. Anders nahm ihr den Jungen aus den Händen und wippte mit ihm so lange, bis er lachte.
»Was heißt Wochenendvati?«, fragte er erstaunt.
»Von Montag bis Freitag kriegt er nicht viel von dir zu sehen«, gab seine Frau zur Antwort.
»So ist das auf der ganzen Welt, wenn der Vater berufstätig ist«, verteidigte sich Robert. »Aber wenn du möchtest, steige ich aus. Ich lasse die Wald-Klinik, sämtliche Kolleginnen und Kollegen und alle Patienten im Stich, und wir ziehen auf eine Insel, auf der es keine Menschen und kein Telefon gibt. Dort kann ich mich dann rund um die Uhr meiner Familie widmen. Würde dir das gefallen?«
»An welche Insel hast du gedacht?«, wollte Katja wissen und lächelte.
»Ich überlasse es dir, die geeignetste auszuwählen. Sobald du sie gefunden hast, gib mir Bescheid«, meinte der Chirurg.
Katja Anders knuffte ihren Mann. »Du kannst doch keinen Tag ohne deine Klinik sein.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Dr. Robert Anders im Stil einer Presseentgegnung. »Wahr ist vielmehr, dass ich unseren letzten Urlaub sehr genossen habe.«
»Weil diese rothaarige Hexe ständig um dich herum schwänzelte und dir mit ihren Kuhaugen schmachtende Blicke zuwarf. Denk ja nicht, ich hätte es nicht gesehen«, sagte die Ärztin.
»Du hast nie darüber gesprochen«, entgegnete der Chefarzt der Wald-Klinik.
»Ich wollte nicht, dass du dich über mich lustig machst«, sagte Katja. »Inzwischen ist jedoch so viel Gras über die Angelegenheit gewachsen, dass ich es dir ruhig und ohne flammende Eifersucht sagen kann: Ich bin nicht blind.«
»Du wirst es nicht glauben, aber das ist mir schon aufgefallen.«
»Ich sehe alles - wenn ich auch nicht immer darüber rede. Und ich habe gesehen, dass dir das Getue dieser Sirene nicht im geringsten unangenehm war«, verteidigte sie sich lautstark.
Robert schmunzelte. »He, du bist ja immer noch eifersüchtig. Ich schlage vor, wir bringen den Jungen gemeinsam ins Bett und unterhalten uns anschließend ausführlich über dieses Thema.«
»Ich fürchte, ich werde dich enttäuschen. Dieses Thema ist für mich nämlich längst gestorben«, erwiderte die gutaussehende Internistin.
»Aber du hast es doch eben erst angeschnitten«, erwiderte Robert.
»Nur, damit du weißt, dass der liebe Gott und ich alles sehen.«
Sie trugen das Kind nach oben und legten es ins Bett, dann küssten sie den Kleinen, wünschten ihm angenehme Träume und verließen das Zimmer.
Draußen schlang Robert seine Arme von hinten um Katja und zog sie sanft an sich. Er roch den betörenden Duft ihres blonden Haares und küsste mit weichen Lippen ihren Hals.
Er wusste, dass sie das gern hatte. »Ich liebe dich, mein Herz. Daran können hundert rothaarige Hexen nichts ändern.«
Als er merkte, dass sie sich umdrehen wollte, lockerte er den Griff. Katja wandte sich ihm zu.
»Ich wünschte, alle könnten so glücklich sein wie wir, Robert«, sagte sie ehrlich und strahlte.
Er küsste sie zärtlich auf die vollen Lippen. Es war so wunderschön, von Robert geküsst zu werden.
Katja genoss es, und ihr war, als würde der Kuss die Zeit anhalten. Roberts Handrücken glitt über Katjas Wange, es war eine liebevolle Geste.
Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück, und Robert fragte schmunzelnd: »Worüber wollten wir doch gleich reden? Ach ja, über die rothaa ...«
Katja hob die Faust und schüttelte sie. »Untersteh dich! Mach die schöne Stimmung nicht kaputt, sonst werde ich zur Furie.«
Er setzte sich, und seine Frau nahm neben ihm Platz. Wie immer, wenn ihn etwas beschäftigte, musste er es loswerden, und seine Frau war eine hervorragende Zuhörerin.
»Stelle dir vor, heute fragte mich ein Patient, ob ich die Operation, die wir an ihm durchführen werden, auf Videokassette aufzeichnen und ihm beim Verlassen des Krankenhauses mit nach Hause geben würden. Ich sagte nein, so etwas würden wir nicht machen. Er war empört, nannte uns Hinterwäldler, fragte, ob wir hinter dem Mond leben würden, in Amerika sei das gang und gäbe. Er sagte, er würde uns seine eigene Videoausrüstung leihen, und als ich ablehnte, war er fuchsteufelswild. Er war nahe daran, die Wald-Klinik zu verlassen. Ich hätte ihn nicht daran gehindert.«
»Warum ist er geblieben?«, wollte die Medizinerin wissen.
»Er hatte sich dermaßen aufgeregt, dass sich sein Zustand erheblich verschlechterte und ihn dazu zwang. Wir nehmen ihn morgen unters Messer - ohne Videoaufzeichnung. Ich bin schließlich kein zweiter Professor Brinkmann«, gab der Chirurg zur Antwort.
»Nicht alles, was aus Amerika kommt, ist gut«, sagte Katja.
»Manche Dinge treiben dort drüben recht bizarre Blüten. Nicht einmal ich, der an diese Dinge gewöhnt ist, würde mich vor den Fernsehapparat setzen und zusehen, wie man mir den Bauch aufschneidet.«
»Mich würde so etwas auch nicht interessieren«, meinte die Ärztin.
»Solange ich die Wald-Klinik leite, werden im OP keine Videokameras installiert, das kannst du von mir schriftlich haben«, sagte Robert energisch.
»Auch dann nicht, wenn sie rein medizinischen Zwecken dienen würden?«, fragte Katja Anders.
»Das wäre natürlich etwas anderes, aber wir sind bisher sehr gut ohne TV-Kameras ausgekommen, und ich denke, dass wir sie auch in Zukunft nicht brauchen werden«, antwortete der Chirurg.
Katja lehnte sich an ihren Mann und legte den Kopf auf seine Schulter.
»Erinnerst du dich an Antje Büchner?«, fragte sie.
»Ich nahm vor etwa einem Jahr eine Appendektomie an ihr vor«, gab er zur Antwort.
»Stimmt genau.«
»Was ist mit ihr?«, wollte Robert wissen.
»Ich traf sie heute zufällig auf der Straße. Die Begrüßung ging über das übliche >Guten Tag, wie geht's?< hinaus. Nicht alle Patienten bleiben einem im Gedächtnis haften, das wäre gar nicht möglich, aber bei Antje Büchner war mir, als würde ich einer alten Freundin begegnen. Wir freuten und beide über dieses unverhoffte Zusammentreffen und setzten uns in ein kleines Lokal, um miteinander zu plaudern. Dort sagte ich ihr auf den Kopf zu, dass sie großen Kummer haben müsse, denn so sah sie aus, und sie begann zu weinen und schüttete mir ihr Herz aus. Sie ist sehr unglücklich, erwartet ein Kind - an und für sich ein erfreulicher Umstand, jedoch nicht für Fräulein Büchner, denn bevor sie dem Vater des Kindes sagen konnte, dass sie schwanger ist, ließ er sie wegen einer Anderen sitzen. Wegen dieser Malerin, die neuerdings von sich so viel reden macht: Kitty Kolbert.«
Robert erinnerte sich an eine Ausstellung im Sommer, bei der auch Kitty Kolbert mit einigen Werken vertreten gewesen war.
»Sie ist eine hervorragende Künstlerin«, sagte er, und ihm fiel ein, dass er Kitty Kolbert auch kurz gesehen hatte. »Und sehr hübsch.«
»Mit einem Wort, du kannst verstehen, dass Gideon Arendt - so heißt der Kindesvater - Antje Büchner wegen der Künstlerin sitzenließ«, sagte Katja und löste sich von ihrem Mann.
»Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn die Kolbert sich auf einen Mann kapriziert, kriegt sie ihn in neunundneunzig Komma neun Prozent auch«, meinte Robert Anders.
Die Internistin hob die linke Augenbraue und musterte ihren Mann streng. »Jetzt mal ehrlich, Robert. Welche Chancen hätte die Kolbert bei dir?«
»Keine, denn du bist unschlagbar«, antwortete er und lächelte.
Katja seufzte erleichtert auf. »Warum kann man euch Männern nie ganz trauen? Wieso bleibt immer ein winziger Rest von Unsicherheit?«
»Wäre es nicht langweilig, wenn du dir meiner absolut sicher sein könntest?«, fragte der Chefarzt amüsiert.
»Du widersprichst dir. Eben sagtest du, die Kolbert hätte bei dir keine Chance.«
Robert Anders lächelte. »Ich schüre deine Unsicherheit nur, damit du dich mehr um mich bemühst.«
»Psychologische Kriegsführung, wie?«, fragte die Ärztin schmunzelnd.
»Das ganze Leben ist ein Kampf. Man muss stets bestrebt sein, das Beste daraus zu machen«, gab ihr Mann zur Antwort. »Komm, leg deinen Kopf wieder auf meine Schulter.«
»Nein«, sagte sie energisch.
»Warum nicht?«, fragte er erstaunt.
»Ich muss immerzu an dieses unglückliche Ding denken. Wenn Gideon Arendt wüsste, dass Antje Büchner von ihm schwanger ist, würde er vielleicht zu ihr zurückkehren«, gab Katja zur Antwort.
»Warum sagt sie es ihm nicht?«, fragte Robert.
»Ihr Stolz lässt es nicht zu. Sie möchte nicht, dass er nur wegen des Kindes zu ihr zurückkehrt.«
»Aber wiederhaben möchte sie ihn schon«, sagte der Chefarzt nachdenklich.
»Vielleicht könnte man Kitty Kolbert veranlassen, sich von Gideon Arendt zu trennen«, überlegte Katja.
»Du hast doch nicht etwa vor, Schicksal zu spielen. Das ist eine sehr undankbare Aufgabe, Liebling. Wir sind Ärzte, keine Friedensstifter oder Heiratsvermittler«, meinte ihr Mann.
»Wir haben es uns zum Lebensinhalt gemacht, zu helfen«, erwiderte die Ärztin.
»Mit medizinischen Mitteln«, sagte Robert. »Was dir vorschwebt, fällt nicht in unseren Zuständigkeitsbereich.«
»Wieso nicht? Ich möchte meine Hilfsbereitschaft nicht eingegrenzt wissen. Ich kümmere mich um keine Zuständigkeitsbereiche. Wenn ich sehe, daß ich einem Menschen helfen kann, tue ich es, ohne mir lange zu überlegen, ob ich dafür zuständig bin oder nicht.«
»Wenn du versuchst, Gideon Arendt mit Antje Büchner wieder zusammenzubringen, musst du dafür sorgen, dass sich Kitty Kolbert von Arendt trennt«, entgegnete Robert Anders.
»Die Kolbert kann doch an jedem Finger zehn Männer haben«, sagte Katja. »Muss es ausgerechnet der sein, von dem Antje Büchner ein Kind bekommt?«
»Vergiss die Liebe nicht, mein Kind. Wenn die Künstlerin sich in Gideon Arendt verliebt hat, kämpfst du auf verlorenem Posten, denn die Liebe lässt der Vernunft keinen Platz, sich zu entfalten. Liebe, das kann Unvernunft zur höchsten Potenz sein«, erwiderte Robert.
»Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, fragte die Internistin.
»Auf deiner, und ich möchte nicht, dass du in Schwierigkeiten gerätst«, gab der Mann zur Antwort.
»Als Frau und Mutter plädiere ich dafür, dass Antje Büchners Kind nicht ohne Vater aufwachsen muss«, sagte Katja.
»Dieser Idealfall lässt sich nicht erzwingen, aber wenn du von deiner Idee, Schicksal zu spielen, nicht abzubringen bist, mache ich dir folgenden Vorschlag: »Ich werde in den nächsten Tagen ein Gespräch mit Kitty Kolbert führen. Einverstanden?«
»Ich weiß nicht so recht. Vielleicht ist sie eine Männer verschlingende Schlange.«
»Keine Sorge«, sagte Robert. »Mich kriegt sie nicht runter.«