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Kinderprostitution an der deutsch-tschechischen Grenze

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Die Mädchen und Jungen halten sich an Tankstellen, Bushaltestellen oder Raststätten auf. Innerhalb der Ortschaften findet man sie auch in Parks, vor Supermärkten und Eingängen von Spielhallen, am Bahnhof oder in Hauseinfahrten. In einer Kleinstadt wurde beobachtet, wie sich Kinder an den Fenstern bordellähnlicher Einrichtungen präsentierten. In manchen Straßenvierteln warten die Kinder in Autos oder am Fenster von Wohnhäusern auf die Sextouristen. Auch Frauen mit Kleinkindern oder sogar Säuglingen auf dem Arm halten hier Ausschau nach Sextouristen.

Säuglinge und Kinder bis zum Alter von etwa sechs Jahren werden den Sextouristen meist von Frauen angeboten. Kinder ab etwa sieben ­Jahre werden oft von männlichen Jugendlichen oder Erwachsenen begleitet. Auf Parkplätzen oder vor Supermärkten fallen immer wieder kleine Kinder auf, die nur deutsche Männer ansprechen: (»Kannst du mich ein bisschen mitnehmen?«) und um Geld oder Essen betteln (»Kannst du mir ein Eis kaufen?«). Viele steigen bei deutschen Sextouristen ins Auto und fahren mit ihnen weg. Die größeren Kinder ab etwa acht Jahren verhandeln oft wie selbstverständlich über Preise und Sexualpraktiken. Sie bieten sich an mit Fragen wie »Willst du Sex? Willst du blasen? Willst du ficken?« Die Männer fahren mit ihren Opfern fast immer allein im Auto zu Orten, die sie »Strichplätze« nennen, damit sie die Kinder dort unbeobachtet missbrauchen können. Diese Plätze befinden sich an Stadträndern, in nahe gelegenen Waldstücken, in der Nähe von Parkanlagen und abgelegenen Garagen oder in unbelebten Seitenstraßen. Oder die Peiniger gehen mit ihren ­Opfern – manchmal in Begleitung des Zuhälters – in eine Wohnung in der Nähe des Standplatzes. (…)

Als Bezahlung erhalten die Kinder meist fünf bis 25 Euro. Manchmal gibt es auch nur Süßigkeiten. Einige Sextouristen gehen mit den Kindern auch zum Essen oder unterstützen die Familien materiell. »Der K. schläft manchmal bei uns, und dann geht der mit meiner Mutter einkaufen«, berichtet Petr, 13. (…) Der elfjährige Antonin erzählt im Interview: »Ein Deutscher hat mich im Auto gefesselt und mir den Mund zugeklebt.« (…)

Die beobachteten Zuhälter kommen aus Tschechien oder der Slowakei, vereinzelt gab es männliche vietnamesische Zuhälter. (…) Oft sind die Zuhälter Verwandte der Opfer: Mütter, Großmütter, andere Familienangehörige oder auch Bekannte der Familie. Einige der Mütter arbeiten auch selbst als Prostituierte. »Meine Mama hat mir gesagt, wie ich das machen muss«, erklärt die zehnjährige Iveta im Interview. Auch ältere Kinder, die schon länger in der Prostitution arbeiten, werden oft als Aufpasser eingesetzt, oder sie müssen die Jüngeren anlernen. Schon 13-Jährige vermitteln jüngere Kinder. (…)

Die Täter sind vorwiegend deutsche Sextouristen aus den angrenzenden Regionen der Bundesländer Bayern und Sachsen – erkennbar an den Autokennzeichen. Immer häufiger kommen aber auch Wagen aus ganz Deutschland, aus Österreich und Italien. Auch US-amerikanische Kennzeichen wurden beobachtet. Die Sextouristen reisen fast immer alleine an – meist mit Mittel- und Oberklassewagen, manchmal auch in Kleinbussen mit verdunkelten Scheiben. Ihr Alter liegt zwischen 18 und 80 Jahren (…).

Kinder aus anderen Regionen der Tschechischen Republik und aus mittel- und osteuropäischen Staaten werden in die Grenzregionen oder von dort aus nach Deutschland verkauft, um sie sexuell auszubeuten. So wurden in der Grenzregion Kinder aus entfernten Regionen Tschechiens, aus der Slowakei und weiteren Ländern, zum Beispiel Moldawien, Ukraine, Litauen und Weißrussland, beobachtet und befragt. Ihre Aussagen sowie insbesondere die Interviews mit erwachsenen Prostituierten machen deutlich, dass Zuhälterbanden systematisch Minderjährige in die deutsch-tschechische Grenzregion verschleppen und zur Prostitution zwingen.

Cathrin Schauer1

1 Cathrin Schauer: Kinder auf dem Strich – Bericht von der deutsch-tschechischen Grenze, hg: UNICEF Deutschland, ECPAT Deutschland, Bad Honnef 2003.

Naturgemäß sind Kinderprostitution, Pornographie und Menschenhandel aufs lukrativste miteinander verbunden. Nach einer UN-Studie aus dem Jahr 2006 werden im Jahr weltweit 1,2 Millionen Kinder Opfer von Menschenhändlern, die sie wie eine Ware verkaufen und als Arbeitssklaven schuften lassen. Allein in West- und Zentralafrika sollen nach Angaben von UNICEF jährlich 200 000 Kinder zu Opfern von Menschenhändlern werden. Nach ECPAT2 bringt das Geschäft mit Kinderprostitution und Kinderpornographie jährlich zwölf Milliarden US-Dollar, der Menschenhandel sieben bis zehn Milliarden US-Dollar ein.3 Die Internationale Organisation für Migration (http://www.iom.int/germany/) schätzt, dass die sexuelle Ausbeutung von Kindern mehr Gewinn abwirft als das Geschäft mit Drogen.

2 Vgl. http://www.ecpat.net/EI/index.asp

3 Vgl. http://www.ecpat.de/index.php?id=15

Prostitution ist der Verkauf oder Kauf von sexuellen Handlungen, insbesondere von Geschlechtsverkehr. Bei diesem Tauschgeschäft sind neben der Prostituierten und dem Freier weitere Personen beteiligt: Zuhälter, Bordellbesitzer und die Sexindustrie. Sexuelle Ausbeutung hat viele Gesichter – Pornographie, Menschenhandel, Straßenstrich, Sextourismus. Prostitution und Menschenhandel hängen mit der Armut zusammen. Die Straßenkinder der Plazoleta Rojas Pinilla kommen aus armen Familien. Meist stehen die Mütter dem Haushalt alleine vor. Zerrüttete Familien, alkoholabhängige Eltern, Väter, die sich aus dem Staub gemacht haben: In dieser Situation bleibt mancher Mutter nichts übrig, als eines oder zwei ihrer Kinder wegzuschicken, damit sie auf der Straße für ihren Unterhalt selbst sorgen, wohl wissend, wo der Nachwuchs enden wird. Es sind oft die Kinder, die die aufgelaufenen Schulden ihrer Eltern abtragen müssen.

Die Prostitution von Erwachsenen berührt die Frage der Menschenrechte und der Diskriminierung von Frauen. Prostitution Minderjähriger, Kinderhandel und Kinderpornographie hingegen sind eindeutig und immer illegal. Sie brechen die allgemeinen Rechte von Kindern.

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