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Methodisches Vorgehen

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Grundlage für die Analyse bildet ein speziell für diese Untersuchung zusammengestelltes Korpus zum Thema Migration und Südtirol, das den Zeitraum von 1990 bis 2015 abdeckt und etwas mehr als 20.000 Zeitungsartikel und Leserbriefe der Dolomiten und Alto Adige umfasst. Bewusst wurden für die Analyse der Wahrnehmung von Migration die beiden auflagenstärksten Südtiroler Tageszeitungen herangezogen, da sie innerhalb der eigenen Sprachgruppe die wichtigsten Medien darstellen und dadurch meinungsbildend für breite Bevölkerungsgruppen sind. Da die Fragestellungen an lokale Ereignisse gekoppelt sind, wurde die Auswertung zudem auf die Lokalberichterstattung beschränkt.

Um eine Zeitungskollektion dieser Größe auswerten zu können, wurde auf das computergestützte Analyseprogramm ATLAS.ti zurückgegriffen. Diese qualitative Analysesoftware ermöglicht es einerseits, Textstellen manuell zu kodieren, zu interpretieren und zu verknüpfen, und andererseits, automatisierte Analysen in Form von Stichwortsuchen und ähnlichem durchzuführen. Ebenfalls können Ergebnisse quantitativ dargestellt werden. Doch erst durch die Verbindung von Mikro- und Makroanalyse, sprich durch die Verknüpfung von computergestützten und hermeneutischen Methoden, kann ein diskurshistorischer Analysezugang zur Zeitungskollektion geschaffen und valide Forschungsergebnisse erhalten werden. Dieser semi-automatische Zugang verlangt jedoch die Bildung von Subkorpora, die einer genauen Lektüre und ebenfalls einem Vergleich der beiden Tageszeitungen unterzogen werden müssen, weshalb das Korpus auf fünf zentrale Diskurse eingeschränkt wurde: Es wird also im Folgenden um Flüchtlingsdiskurse von 1990 bis 2015, Moscheebaudiskurse von 1990 bis 2014, Integrationsdiskurse von 1990 bis 2014, Barackenlagerdiskurse von 1990 bis 1993 und Wohnungsdiskurse von 2007 bis 2011 gehen.

Um diese Diskurse zu untersuchen, hat sich die Methode der vergleichenden diskurshistorischen Argumentationsanalyse als geeignet erwiesen, die als Zugriffsobjekt der Diskursanalyse verstanden werden kann. Der Sprachwissenschaftler Martin Wengeler20 – zur Düsseldorfer Schule der Diskursanalyse angehörig – formulierte eine Reihe von Argumentationsmuster für den Migrationsdiskurs und etablierte bzw. begründete die Argumentationsanalyse als geeignete diskurshistorische Methode für die Analyse der Wahrnehmung von Migration. Außerdem wurden formale und inhaltliche Kriterien (Erscheinungsjahr, journalistische Form und Artikulationsmöglichkeiten von Migrant*innen) miteinbezogen.

Im Sinne der diskurshistorischen Spielart der Kritischen Diskursanalyse (Wiener Schule) geht die Argumentationsanalyse mit der Einbeziehung des politischen und historischen Kontextes einher, die sozusagen als Einstiegsanalyse betrachtet werden kann. Die Kontextualisierung nimmt deswegen auch einen wesentlichen Teil in dieser Arbeit ein. Einerseits ermöglicht sie es, Ereignisse in einen größeren Kontext einzuordnen und Interpretationsfehler bestmöglich zu vermeiden, auf der anderen Seite bildet die Rekonstruierung der Ereignisse einen erstmaligen, tiefergehenden Einblick in die Migrationsgeschichte Südtirols.

Die vorliegende Forschungsarbeit ist aus all den genannten Gründen als innovativ in mehreren Richtungen einzustufen: Die Geschichte der jüngeren Migration in Südtirol ist bis heute eine weitgehende ungeschriebene. Aufgrund mangelnder Quellen hat sich das Thema Migration in der Südtiroler Geschichtsschreibung noch kaum etabliert und historische Studien zur Südtiroler Einwanderungsgeschichte beschränkten sich mit wenigen Ausnahmen auf die Auswertung statistischer oder politischer Materialien. Erstmalig untersucht mit dieser Studie eine Forschungsarbeit das kollektive Wissen der zwei größten ethnischen Gruppen in Südtirol über einen Zeitraum von 25 Jahren hinweg und bettet dieses Wissen in einen historischen bzw. politischen Rahmen ein. Darüber hinaus betritt diese wissenschaftliche Arbeit auch methodisches Neuland. Sie kann als Beispiel dafür dienen, wie mithilfe von Text-Mining Methoden größere Textdatenbestände organisiert und quantitativ sowie qualitativ ausgewertet werden können. Die Verknüpfung von Makro- und Mikroanalyse hat sich als gewinnbringend gezeigt und hat es überhaupt erst ermöglich, einen Korpus von mehr als 20.000 Artikeln strukturiert inhaltlich zu analysieren.

Autochthone Minderheiten und Migrant*innen

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