Читать книгу Künstlerseelen - Saskia Françoise Elvers - Страница 14

Regierung

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Marcus Christlieb steht jeden Tag zur selben Zeit auf, um seinem Morgenritual nachzugehen - ein Glas Wasser trinken, Zähneputzen, Duschen, Tasse Kaffee im Bademantel, Umziehen und zur Arbeit fahren. Seit seiner Scheidung benötigt er diese Routine, um eine gewisse Stabilität im Leben zu haben.

Die Stelle als Bundesminister für besondere Aufgaben teilt er sich momentan mit acht weiteren Personen, die sich alle zum Ziel gesetzt haben die Besten zu sein. Marcus ist zwar nicht der auffälligste, größte oder stärkste, doch ihn zeichnet sein erhöhter Tatendrang aus, durch den er durchgehend hervorragende Arbeit abliefert.

An diesem Morgen erwartet ihn eine Nachricht auf seinem Schreibtisch, die er nicht für möglich gehalten hat. Er soll zu seinem Chef - dem Bundeskanzler.

Bevor Marcus die Tür richtig geschlossen hat, setzt der Bundeskanzler an: „Herr Christlieb, Sie wissen ja bereits wie das hier in unserem Unternehmen läuft - ich regiere und alle anderen arbeiten für mich.“ Der ältere Herr, der an seinem Schreibtisch sitzt, lacht kurz über seinen Witz, bietet Marcus den gegenüberstehenden Stuhl an und fährt dann fort: „Ihre Bemühungen weiß ich zu schätzen und daher möchte ich Ihnen heute eine ganz besonders Aufgabe zusprechen.

In Deutschland kommen immer mehr Unruhen auf. Für die Bevölkerung bedeutet Demokratie nicht mehr, sich für eine Partei zu entscheiden, sondern Mitspracherecht zu haben. Egal welche Partei oder Koalition an der Spitze steht, es sind immer die falschen die regieren, weil das Volk im Nachhinein mit unseren Entscheidungen nicht zufrieden ist. Auch wir haben uns an Regeln und Vorschriften zu halten und können wahrlich nicht zaubern.“

Marcus nickt kurz. Er selber kennt es aus der Familie seiner Exfrau. Bei jedem Familienfest musste er sich Verbesserungsvorschläge für die Regierung anhören, als wäre er ein Kummerkasten.

„Daher möchte ich einen Versuch starten. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Name Edgar Brandig etwas sagt, aber ich persönlich bin ein großer Fan seiner Filme. Gestern hat er eine interessante Äußerung von sich gegeben, über die ich die halbe Nacht nachgedacht habe.

Seine Idee war es, den Menschen die Kunst zu entziehen. Der Gedanke machte mich neugierig, weil es uns ja nicht anders geht. Auch die Regierung wird überall durch den Dreck gezogen und missverstanden.“

Noch immer sieht Marcus ihn sprachlos an.

„Ja, wir drücken uns teilweise schwammig aus, aber nur, weil wir ungern halbe Entscheidungen, schnelle Ideen oder unkonkrete Pläne aussprechen. Mit etwas halb durchdachten hat man oft wenig Erfolg. Die Menschen verstehen nicht, dass alles seine Zeit braucht und vieles einfach nicht mit dem alltäglichen Problemen vergleichbar ist, bei denen bereits kurzfristige Kompromisse helfen.

Daher möchte ich Sie damit beauftragen, sich um die Umsetzung des Brandig-Plans zu kümmern. Sie tragen die volle Verantwortung. Jegliche Entscheidungen laufen über Ihren Tisch. Reisen Sie, recherchieren Sie, machen Sie alles was Ihnen dabei hilft sich auf diese Aufgabe vorzubereiten. Es gibt nur eine Sache, die ich von Ihnen fordere - lassen Sie das Volk mitentscheiden.“

Marcus weiß nicht was er darauf antworten soll, nickt stattdessen und schüttelt dem Bundeskanzler dann dankend die Hand. Dieser reicht Marcus noch einen Zettel, auf dem einige Stichwörter und zwei Handynummern stehen. Mit einer neuen Aufgabe verlässt Marcus nicht nur das Büro seines Chefs, sondern auch sein altes Leben.

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