Читать книгу Künstlerseelen - Saskia Françoise Elvers - Страница 23

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Lena ist ganz erfreut, als sie Neuigkeiten zum Brandig-Projekt vorgelegt bekommt. Tatsächlich gab es ein Treffen zwischen der Regierung und Deutschlands größtem Schauspieler Edgar Brandig. Zusammen haben sie Gesetze ausgehandelt, anhand dessen das Volk abstimmen soll.

„Guten Abend, meine Damen und Herren. Wie immer sind schlimme Dinge in der Welt passiert, doch darüber werden Ihnen die Zeitungen morgen berichten ... oder Sie schalten auf einen anderen Nachrichtenkanal. Wir senden Ihnen heute exklusive Neuigkeiten zum Brandig-Projekt.

Für die Zuschauer, die noch nicht über den letzten Stand informiert sind, hier nun eine kleine Zusammenfassung.“

Ein Einspieler wird gezeigt, welcher von Lenas Kollegen im Schnitt zusammengestellt wurde. Größtenteils ist sie zu sehen - eine Art Best Of aus ihren letzten zwei Sendungen.

„Die Regierung hat sich tatsächlich dazu entschlossen ...“, sie sagt es euphorischer als geplant: “... Edgar Brandigs Idee aufzufassen. Laut Bundesminister Marcus Christlieb stimmten alle Parteien zu, einen neuen demokratischen Weg testen zu wollen. Brandigs Idee kam dafür wie gerufen. Nun darf ich verkünden, dass das komplette Volk dazu aufgerufen wird, gegen oder für einen Kunstentzug auf Probe zu stimmen. Die Wahlen erfolgen ab morgen in allen Rathäusern, sowie im Internet. Jeder Bürger mit einem gültigen Personalausweis darf abstimmen. Die Nummer muss bei der Abgabe der Stimme mit angegeben werden, sonst ist die Abgabe ungültig und wird nicht gewertet. Die Internetadresse wird Ihnen jetzt eingeblendet, ist aber auch im Videotext und auf unserer Homepage nachzulesen.

Das gesamte Volk kann innerhalb der nächsten sieben Tage abstimmen. Im Anschluss beginnt die Auswertung, gefolgt von einer zeitnahen Bekanntgabe.

Damit Sie auch wissen, wofür oder wogegen Sie stimmen, schildere ich Ihnen nun die Bedingungen und Gesetzesänderungen, die während des Kunstentzugs erlassen werden“, Lena räuspert sich leise, setzt sich aufrechter hin und blättert langsam eine Seite um. Es ist das erste Mal seit ihrer Zeit bei diesem Sender, dass sie von vorbereiteten Zetteln abliest und nicht vom Teleprompter.

„Sobald das Volk sich für die Umsetzung des Projekts Kunstentzug entscheidet, können sich alle mitmachenden Künstler an einem Ort treffen und dort eine neue Siedlung errichten. Zu deren Schutz, und um das Projekt plangemäß durchführen zu können, wird eine Mauer errichtet, hinter der die Künstler fortan leben können. Jeder Mensch, der sich als Künstler bezeichnet und etwas Kreatives beizutragen hat, darf in dieser Stadt einziehen. Der Einzug ist freiwillig. Auszüge werden nur im äußersten Notfall genehmigt.

Da die Künstler in ihrer neuen Siedlung kein Geld verdienen, wird ihnen alles nötige vom Staat finanziert. Dies beinhaltet nur das zum Leben nötigste. Strom ist hierfür nicht erforderlich. Alle Bewohner werden ohne Luxusartikel auskommen müssen, was einem Leben vergangener Zeiten gleicht. Licht und Wärme werden ausschließlich über Feuer und Wetter erzeugt. Laut der Regierung wurde sich auf die Nutzung von Solarzellen geeinigt, falls eine Installation möglich ist. Der Ort für diese Siedlung steht noch nicht fest, allerdings sucht man nach einem freien Gelände auf dem die Künstler ihre Unterkünfte errichten können.

Um ein schnelles Grundgerüst zu erhalten, werden in der ersten Woche sämtliche Handwerker damit beauftragt, vor Ort beim Erbau der Mauer zu helfen. Womöglich könnte es dadurch zu Verzögerungen an anderen Baustellen rund um Berlin kommen, da eine Ruhepause von einer Woche eintritt. Nach dieser Woche müssen sich die Künstler alles Weitere selber errichten, dabei hat die Mauer die höchste Priorität.

Bretter für Betten, nötige Schränke oder Tische werden vom Staat gestellt, genauso essbares. Auch hier gilt - Plastik ist tabu. Täglich wird frisches Fleisch, Gemüse und Obst geliefert - selbstverständlich nur Regionales. Nötige Werkzeuge zur Zubereitung werden nach Forderung gestellt, soweit die Regierung sie für nötig hält. Es wird daher empfohlen eigenes Geschirr mitzunehmen.

Da jeder Künstler beim Eintritt in die Siedlung angeben muss, welcher künstlerischen Berufung er nachgeht, wird vor Ort eine Liste erstellt in der personenbezogene Hilfsmittel notiert werden. Akkus für Laptops oder ähnliche Geräte werden nur genehmigt, wenn sie für die Ausführung der Arbeit notwendig sind und auch nur im Tausch gegen die Leeren. Gerätschaften wie Tablets oder Handys werden nicht nachgeladen.“

Nach dem ersten Abschnitt macht Lena eine kurze Atempause um den ersten Teil kurz beim Zuschauer sacken zu lassen.

„Auch das Volk muss einiges in Kauf nehmen sobald dem Projekt zugestimmt wird, denn jegliche neue Kunst ist in diesem Zeitraum untersagt. Dies gilt besonders für Kunst aus anderen Ländern. Streamingdienste werden unterbunden, alles was nachträglich beschafft wird ist illegal und strafbar - dazu zählen auch vorher getätigte Bestellungen, die erst nach der Inkraftsetzung der neuen Gesetze beim Käufer ankommen. Verlage dürfen keine weiteren Drucke erstellen, sondern nur noch das an Kunden ausliefern was bereits vorrätig ist. Jeder Vorwurf des Kunstmissbrauches wird verfolgt, was besonders Hackerangriffe fördert, um Menschen zu überführen.

Kurz gesagt, alles bereits im Land verfügbare bleibt. Importe jeglicher Art sind strafbar - das gilt auch für Kopieanfertigungen.

Bitte überlegen Sie sich ganz genau in was für einer Welt sie leben wollen, da jegliche Straftaten auch nach dem Projekt verfolgt werden.“

Nach ihren letzten Worten übergibt Lena an die Wettervorhersage und wünscht den Zuschauern noch einen schönen Abend. Ihre wichtigste Aufgabe hat sie allerdings damit noch nicht hinter sich, denn nun muss sie sich entscheiden - stimmt sie gegen oder für die Mauer?

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