Читать книгу Künstlerseelen - Saskia Françoise Elvers - Страница 7

Nachrichten

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„Hallo, ich bin Lena Nöthe und das sind unsere Themen heute.“

Während die kleinen Einspieler erscheinen, zu denen Lena am Nachmittag ein Voice Over eingelesen hat, räuspert sie sich.

Der Schleim ihrer letzten Grippe sitzt noch immer im Hals fest, doch die heutigen Nachrichten wollte sie unbedingt selber sprechen.

Das ganze Wochenende hat sie damit zugebracht sich mit Antibiotika, Tee und Hustenbonbons vollzupumpen, um wieder fit zu sein. Nichts wollte sie zwischen sich und der Meldung zur Brandig Premiere kommen lassen. Ihr Chef verwehrt ihr noch immer, vor Ort von Premieren zu berichten. Stattdessen werden ihre Kollegen hingeschickt. Dabei wünscht sich Lena nichts sehnlicher, als im direkten Kontakt mit den Stars zu sein - besonders mit Edgar Brandig, schließlich ist er einer der gefragtesten Schauspieler und Regisseure im ganzen Land. Niemand polarisiert mehr als er und dennoch bleibt er unheimlich gelassen. Brandig ist ein Arbeitstier und was er anpackt wird zu Gold. Ein Mann der sich nicht den Mund verbieten lässt, der aber weiß, wann er zu schweigen hat. Trotzdem besitzt er ein Temperament was ihn unberechenbar macht, denn er kann verdammt wütend werden.

Ein Treffen mit ihm ist wie ein Freilauf im Löwengehege. Man weiß nie, wann er genug hat oder wo sein Schwachpunkt an diesem Tag ist, aber man kann gewiss sein, dass man sich wünscht das Gehege nicht betreten zu haben, sobald man diesen gefunden hat.

Lena hat bereits viele Berichte über ihn gesehen und mit Kollegen sprechen dürfen, die ins Gehege gegangen sind. Sie fühlt sich bereit für ihren Auftritt, doch bislang blieb er ihr verwehrt.

Da der heutige Tag wieder nicht zu ihrem Glückstag gehört, versucht sie sich wenigstens bei den Nachrichten von den anderen Sendern abzuheben, was keineswegs mit ihrem Chef abgesprochen ist.

Der Tag ist, abgesehen von der Filmpremiere, nicht besonders. Nur alltägliche Diebstähle und Staumeldungen liegen vor, so dass Lena zu viel Energie für die Premieren-Meldung hat, für die Edgar Brandig eine perfekte Vorlage lieferte.

„Unsere Hauptstadt war im Brandig-Fieber. Zur Premiere seines neuen Films Leichen küsst man bei Tageslicht, kam Edgar Brandig wie gewohnt pünktlich und begeisterte Fans und Presse.

Obwohl sein Streifen bereits seit Wochen Kritiken kassiert, wirkt der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor gelassen wie nie.

Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Film.“

Der Trailer wird eingespielt und obwohl Lena ihn bereits mitsprechen kann, genießt sie den erneuten Anblick auf ihrem Monitor. Kurz bevor Edgars Frau Julia Horsch auf der Bildfläche erscheint, schaltet ihr Team den nächsten Text zu, damit sie sich kurz vorbereiten kann.

Auf die Sekunde genau setzt Lena ein: „Haufenweise Fragen hat Edgar Brandig heute über seinen neuen Film beantwortet und obwohl die Frage so nahe lag, haben nur wenige sie ausgesprochen.

Unsere Reporterin Ursula Hennings hat sich getraut und die Fragen aller Fragen gestellt.“

Ein weiterer Ausschnitt wird eingespielt, diesmal von der Premiere. Ursula ist nicht zu sehen, nur ihre zittrige Hand, die Edgar das Mikrophon entgegenhält, nachdem sie ihre Frage gestellt hat: „Sie sehen so entspannt aus. Haben Sie die Kritiken der letzten Wochen zu Ihrem Film nicht gelesen oder sind sie Ihnen egal?“

Edgar lacht kurz auf, dreht sich um und schaut zu dem roten Teppich hinter sich. Nachdem er kurz seine Frau gemustert hat, blickt er zu Ursula und antwortet gelassen: „Wissen Sie, ich habe gewusst das diese Frage kommen wird und lange überlegt was ich darauf antworten könnte. Ich mache meine Arbeit genauso gut wie Sie, daher weiß ich, was in Ihren Köpfen vor sich geht, bevor Sie überhaupt wissen, dass es zu dieser Situation kommt.

Selbstverständlich lese ich die Kritiken und nur weil ich nicht sofort darauf reagiere, heißt es noch lange nicht, dass sie mich nicht beschäftigen.

Wie gesagt, ich habe sehr lange über Ihre Frage nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass man der Menschheit für ein paar Wochen die Kunst entziehen sollte. Ich bin mir sicher, nach dieser Phase würden die Kritiker mehr Respekt vor der künstlerischen Arbeit haben und zukünftig mehr darüber nachdenken, welche negativen Worte ihnen von den Zungen rollen.“

Auf den ganzen Fernsehgeräten des Landes, die gerade diese Nachrichtensendung eingeschaltet haben, flimmert Lenas Gesicht wieder auf und setzt zum richtigen Zeitpunkt ein: „Edgar Brandig will uns die Kunst wegnehmen. Das klingt nach einem spannenden Projekt. Braucht unser Film-Ass einfach nur Urlaub oder ist der Gedanke gar nicht so abwegig - eine Erziehungsmaßnahme der anderen Art?

Noch hat sich die Regierung nicht zu Brandigs Idee geäußert.“

Ein Scherz, an dem sie mit ihrem Team lange gefeilt hat, denn sie musste ihn so keck wie möglich aussprechen. Um den Scherz auch für die Spätzünder schneller begreiflich zu machen, baut sie noch ein spontanes Zwinkern mit ein.

Im Anschluss wird von ihr ein weiterer Filmabschnitt der Premiere eingeleitet, bevor sie sich von ihren Zuschauern verabschiedet.

Ihre Arbeit ist vollbracht. Stolz packt Lena ihre Sachen zusammen und macht sich auf ihren Heimweg. Zuhause geht der letzte Kampf gegen die Restgrippe weiter.

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