Читать книгу Künstlerseelen - Saskia Françoise Elvers - Страница 18

Pärchen

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Tatjana Illner hat von den neuen Brandig-Nachrichten noch nichts mitbekommen, als sie das letzte Kinoticket an Robert Plettenberg verkauft und ihren Feierabend einläutet.

Sie verschwindet im Mitarbeiterraum, wechselt ihre Kleidung, öffnet die streng gebundenen roten Haare und lässt ihre wellige Mähne über ihre Schultern fallen. Noch ein wenig Parfum aufgetragen und schon sprintet sie mit Jacke und Tasche zu Robert hinunter, welcher im gegenüberliegenden Restaurant sitzt und auf sie wartet.

„Du hast uns hoffentlich die besten Plätze gebucht“, witzelt Robert und nimmt seiner Freundin die Getränkekarte aus der Hand. Ein Zeichen dafür, dass er bereits bestellt hat.

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du mir vorher Bescheid geben sollst, damit ich die Karten über mein Mitarbeiterkonto abrechnen kann? So zahlst du jedes Mal den vollen Preis.“ Tatjana nimmt die Getränkekarte wieder in die Hand.

„Habe ich dich jemals um den Mitarbeiterrabatt gebeten?“, hakt Robert angespannt nach.

„Nein, aber du musst das Geld auch nicht zum Fenster rauswerfen, nur weil dein Vater reich ist“, antwortet Tatjana genervt.

„Mein Vater hat damit nichts zu tun. Ich dachte, das hatten wir bereits geklärt ...“

Ein Kellner kommt und stellt die bestellten Getränke ab, woraufhin sich Tatjana für ein Lächeln zusammenreißt. Erst als der Kellner aus der Sichtweite ist, fängt sie erneut an: „Ich kann es nicht leiden, wenn du das machst. Jedes Mal protzt du mit deinem Geld vor meiner Nase herum.“

„Ich tue was? Du tust gerade so, als würde ich dir ständig Geld unter die Nase halten damit du daran riechst“, witzelt Robert, um die Stimmung zu heben.

„Du nimmst das gar nicht ernst.“

„Natürlich, aber seit ich meinen Job habe wirfst mir ständig diesen Schwachsinn vor. Irgendwann kann ich das nur noch mit Humor nehmen, sonst platze ich.“

„Schwachsinn? Meine Gefühle sind also Schwachsinn, ja?“

„Das ist alles, was du aus meiner Antwort gehört hast? Echt jetzt? Wie wäre es mal, wenn du meine Gefühle wahrnimmst? Stattdessen übergehst du sie. Wie oft habe ich dir erklärt, wieso ich den Rabatt nicht in Anspruch nehmen möchte? Und wie oft habe ich dir erklärt, wie beleidigt und abgewertet ich mich von dir fühle, wenn du immer mit der Reiche-Sohn-Nummer kommst? Anstatt dich zu freuen, dass ich arbeiten gehe und das verdiente Geld dafür nutze mit dir etwas Schönes zu unternehmen, übergehst du meine Gefühle und fängst mit dämlichen Diskussionen an. Wenn du dein Geld sparen möchtest, kannst du das gerne tun. Akzeptiere also bitte mal, dass ich ebenfalls selber entscheiden kann, was ich mit meinem Geld mache. Wenn ich nicht sparen möchte, dann tue ich das nicht.“

„Aber denke doch mal bitte an die Zukunft. Wenn du das Geld, was du durch sowas sparen würdest, einfach mal zur Seite packst, was meinst du würde da innerhalb eines Jahres für eine Summe zusammen kommen?“

Robert weiß, dass sie Recht hat, doch jahrelang wurde ihm das Geld von seinen Eltern nur zugesteckt. Für Robert war frühzeitig klar, dass er so nicht lernen würde mit Geld umzugehen. Es hat ihn viel Überwindung und Kraft gekostet, sich gegen die Geldwerferei der Eltern zu wehren, besonders weil alle seine Freunde ihn um dieses Leben beneiden. Erst als er Tatjana kennenlernte und ihren Eltern vorgestellt werden sollte, hat er sich einen Job gesucht, damit er nicht als reicher, verwöhnter Sohn angesehen wird. Tatjana hat ihn bei der Suche unterstützt und war froh, dass ihr Freund den Wunsch vertrat auf eigenen Füßen zu stehen.

Mittlerweile wissen auch seine eigenen Eltern von seinem Job. Und obwohl sie ursprünglich etwas anders mit ihm vorhatten, haben sie die rebellische Art ihres Sohnes wortlos hingenommen. In ihren Augen sollte ihr Sohn in Ruhe das Abitur fertig machen, danach ohne berufliche Ablenkungen sein Leben mit Reisen, Menschen kennenlernen und die Frau fürs Leben finden genießen, um dann mit Ende Zwanzig von seinem Vater in die Firmenstruktur eingearbeitet zu werden und das aufgebaute Pharma-Imperium zu übernehmen.

Tatjana dagegen kommt aus einer sehr sparsamen Familie. Ihre Eltern verdienen nicht das große Geld, wissen aber damit umzugehen und können durch das Ersparte schöne Momente erleben, die lange in Erinnerung bleiben. Den Lebensstil von reichen Menschen hat Tatjana noch nie nachvollziehen können, denn sie glaubt, dass zu viel Geld wahre Träume zerstört, da es für die Verwirklichung harte Arbeit und Zeit braucht. Zudem empfindet sie reiche Menschen als ungeduldig, da diese es gewohnt sind alles sofort zu bekommen. Erst als sie Robert kennengelernt hat, fing sie an die Schattenseiten zu betrachten. Im Gegensatz zu ihr hat Robert keine echten Freunde, die an seiner Person interessiert sind.

„Hat euer Chef irgendwas bezüglich der Brandig-Idee gesagt?“ Robert wechselt nach einigen Schweigeminuten das Thema.

„Welche Brandig-Idee?“

„Die Nachricht, die ich dir gestern geschickt habe.“

„Ach, dass mit dem Kunstentzug? Wieso sollte er was dazu sagen? Der Typ war bestimmt wieder betrunken, als er das Interview gegeben hat.“

„Schatz, Edgar Brandig ist seit Jahren trocken“, grinst Robert.

„Vielleicht ist er rückfällig geworden und keiner hat es bis jetzt gemerkt“, zuckt Tatjana mit der Schulter.

„In den Nachrichten hieß es heute, dass die Regierung ernsthaft darüber nachdenkt die Idee umzusetzen.“

„Wann haben die das bekanntgegeben?“

„Vor etwa zwei Stunden. Hat euer Chef noch nichts gesagt?“

Tatjana schüttelt den Kopf.

Der Kellner kommt erneut. „Der Salat mit Garnelen und Zitronensauce, dazu Kroketten?“

Tatjana hebt den Arm und obwohl sie sich ein Lachen nicht verkneifen kann, sieht sie Robert missbilligend an. Es stimmt, sie wählt immer das gleiche in diesem Restaurant, doch es gefällt ihr nicht, dass er ihr das auch noch so vor Augen führt.

„Medium Steak mit Bohnengemüse und Salzkartoffeln?“, fragt der Kellner, obwohl am Tisch nur noch Robert übrig ist.

Als der Kellner geht, setzt Tatjana zur nächsten Runde an: „Ich kann selber bestellen. Ich bin kein kleines Kind mehr.“

„Mensch, Tatjana, reicht es für heute nicht mit den Streitereien?“ Robert hat genug.

„Dann ignoriere meine Gefühle nicht immer.“

„Dann mache du auch wie verabredet Feierabend und nicht erst eine Stunde später. Ich spare nur die Zeit ein, die du vergeudest.“ Robert weiß, dass dieses Argument nicht fair ist, aber auch zu diesem Thema hat er Tatjana oft seinen Standpunkt erklärt und ist auf Uneinsichtigkeit gestoßen.

Tatjana schnaubt. Sie könnte sich weiter hochschaukeln, aber er hat Recht. Er lädt sie jeden Monat einmal ins Kino ein, inklusive Essen vorher. Den Film darf sie sich grundsätzlich selber aussuchen und er nörgelt selbst dann nicht rum, wenn sie sich für einen kitschigsten Liebesfilm entscheidet. Das einzige was er sich dafür von ihr wünscht ist, dass sie rechtzeitig Feierabend macht, damit sie in Ruhe Essen können ohne ständig auf die Uhr sehen zu müssen. In all den eineinhalb Jahren Beziehung hat sie es noch nicht einmal hin bekommen ihren Teil der Abmachung einzuhalten.

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