Читать книгу Künstlerseelen - Saskia Françoise Elvers - Страница 19
Doreen Timmel
ОглавлениеLaut meinen Eltern war ich ein schwer erziehbares Kind und wenn ich zurückblicke, hat sich das auch nie geändert. Vor einigen Jahren habe ich den Kontakt zu ihnen abgebrochen, weil ich dieses Gerede: „Kind, mache doch bitte was Ordentliches aus deinem Leben“, nicht mehr ertragen konnte.
Meine Eltern sind diese Art Mensch, die sich über alles beschweren, aber selber nichts unternehmen um es zu ändern. Sie sind der festen Überzeugung, dass es sich nicht lohnt als Einzelperson anzufangen, denn alleine könne man nichts bewirken. Das Boot müssen schon andere bauen, damit sie dann aufsteigen und zum neuen Hafen mitschippern. Ich hasse solche Menschen, denn ich bin genau das Gegenteil. Manche würden mich als streitsüchtig bezeichnen, ich nenne es Engagement.
Wahrlich, mit Ende Zwanzig bin ich noch immer ein Mädchen das gegen Ungerechtigkeit protestiert. Dumm bin ich nicht, denn es gehört schon einiges an Wissen dazu, die richtige Seite zu erkennen und sich dafür einzusetzen. Ich bin einfach ein Mädchen, das sich nichts gefallen lässt.
In Zeitungen bin ich grundsätzlich dann vertreten, wenn wieder über eine Demonstration berichtet wird. Ich bin bei allen dabei und renne immer ganz vorne mit, was auch der Grund ist, wieso mein Gesicht schon des Öfteren in den Blättern zu sehen war. Diese Erfolge kann ich mir nur zuschreiben, weil ich auch ständig auf der Suche nach Unrecht bin - so eine Art Batman unserer Zeit.
Mein Leben läuft sehr spartanisch ab und das Geld, welches ich im Altenheim verdiene, spare ich größtenteils für Demos. Die meisten die ich Verpflege stehen hinter meinem Lebensstil und befürworten, dass ich mich für das Gute in der Welt einsetze.
In letzter Zeit hat sich in Deutschland die Lage beruhigt, was mich zwar auf der einen Seite freut, auf der anderen aber auch verunsichert. Jeder weiß, dass nach zu viel Sonne ein großes Gewitter folgt und nicht jeder ist dem gewachsen. Dies kann man schon unschwer am Wetter erkennen. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass Menschen sich aufregen, weil sie ein Gewitter nicht vorhergesehen haben, obwohl sie sich selber den ganzen Tag über das drückende und schwüle Wetter beschwert haben. Als wäre es etwas schlimmes, wenn sich Druck entlädt und frischen Wind erzeugt. Aber so sind die Menschen nun mal, wollen immer nur Glück, Erfolg und Reichtum. Nur die wenigsten wollen dafür aber auch die andere Seite kennenlernen, die es uns erst ermöglicht das erreichte anzuerkennen und wertzuschätzen. Man setzt sich lieber ins gemachte Nest, als selber sich ein Nest zu bauen und es so zu gestalten, wie man es selber haben möchte.
Wie gesagt, ich hasse solche Menschen. Sowas ist gegen meine Natur. Wenn ich schon die Zukunft bin, dann möchte ich sie auch mitbestimmen und nicht darauf warten, dass andere sie für mich gestalten.
Bevor ich mich darüber aufregen kann, dass ich wieder kein neues Protestmaterial gefunden habe, ploppt plötzlich eine Eilmeldung auf meinem Computer auf, mit dem Bild von der Nachrichtensprecherin Lena Nöthe. Ich klicke auf das Bild, worauf sich ein Videofenster öffnet und die Nachricht abspielt. Mit aufkeimender Begeisterung notiere ich mir alle Fakten in mein Demo-Buch. Ein Ringbuch in dem ich alle Fakten zu bevorstehenden Demos sammle, um immer den Überblick zu haben.
Eine neue Spielrunde beginnt. Da ich keine festen Mitspieler habe, sondern sie bei jeder Demo individuell aussuche, ist auch diesmal die größte Frage, wie groß baue ich mir meine Armee? Gefolgt von den Fragen: Wie schnell stürzt unser Gegner ein? Was für ein Ausmaß wird es haben? Welche Zeitungen berichten über unseren Erfolg?
Selbstverständlich notiere ich mir meine Erfolge in einem Tagebuch. Bis jetzt war allerdings noch kein großer Clou dabei. Mit Edgar Brandig könnte es sich aber nun ändern. Ich spüre, dass er mein goldenes Ticket ist.