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WIE MAN UM DIE ECKE BLICKEN KANN

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Wir werden uns der Beeinträchtigung unserer Sinneswahrnehmungen meist erst bewusst, wenn die Beeinträchtigung fehlt. So kann man das Phänomen der Lichtverschmutzung nur verstehen, wenn man an einem kalten Winterabend auf dem Land zu einem Himmel voller Sterne hinaufblickt. Noch besser ist es in der Wüste. Ich erinnere mich noch gut, wie ich einmal in der Namib-Wüste übernachtet habe. Das einzige Licht im weiten Umkreis war das meines Feuers. Es war eine mondlose Nacht, und der Himmel war eher weiß als schwarz. Ich hatte den Eindruck, jeden Stern im Universum sehen zu können.

In besiedelten Gegenden nehmen wir Folgendes einfach hin, ohne uns viele Gedanken darüber zu machen: ein Raum mit niedriger Decke und Kunstlicht, in den der Mond in wolkenlosen Nächten scheint. Manchmal steht er tief am Horizont, dieser seltsame Planet, wobei eine solche Konstellation eher selten zu sehen ist.

Ähnlich geht es uns auch mit Geräuschen. Wir haben uns an den Verkehrslärm gewöhnt. Sich diesem zu entziehen, ist nicht leicht. Meist blenden wir ihn einfach aus wie die Hintergrundmusik in einem Lokal (bis natürlich Ihr Lied gespielt wird). Das andauernde Rauschen unserer Zivilisation erzeugt ein Summen und Brummen in unseren Ohren. Dem zu entfliehen – indem man einen Ort besucht, an dem Motorengeräusche weit weg sind –, ist ein umwerfendes Erlebnis. Ist dieses Hintergrundrauschen einmal zum Erliegen gekommen, wacht das Ohr erst richtig auf. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen am Ufer des Luangwa-Flusses in Sambia, wie ich es bereits einige Male getan habe. Oder Sie liegen in der Dunkelheit in Ihrem Bett oder sitzen an einem Feuer, während das Gespräch langsam verstummt. Dann hört man nur noch die Klänge und Töne der Natur und dahinter die Stille – die Abwesenheit des Menschen. Das Klingeln der Riedfrösche, das Zirpen der Grillen, das dreckige Gewieher der Flusspferde, der plötzliche Planscher, wenn eines von ihnen nach einem nächtlichen Weidegang morgens in den Fluss zurückkehrt, das Brüllen der Löwen, das Gelächter der Hyänen, der plötzliche Aufruhr in einer Truppe schlafender Paviane: Auf einmal wachen alle auf, weil sich in der Nähe ein Leopard herumtreibt.

Und dann sind da noch die Stimmen der Vögel: das Schnurren der Welwitsch-Nachtschwalben in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, das Knurren des riesigen Uhus, die Geräusche der Zwergohreule, die leisen Wiederholungen des Bennett-Schwalms, der komplexe Pfeiflaut des Perl-Sperlingskauzes. Und die Kapturteltauben, schlafen die denn nie? Und was ist mit dem Waldkauz – Wu-uuu-uuu?

War es an dem Ufer dieses Flusses, dass mich Vogelstimmen, die Stimmen der Natur, in ihren Bann gezogen haben? Kam das, weil man da draußen seine Ohren braucht, um sich die Welt um einen herum vorzustellen? An diesen Orten, an denen der Mensch sich noch als Beutetier fühlt, braucht er seine Ohren. Mit ihnen kann er um die Ecken „blicken“. Mit ihnen kann er hohes Grasland und dichtes Buschland durchdringen. Mit ihnen kann er in die Dunkelheit der Nacht sehen. Mit ihnen bleibt er am Leben.

Mithilfe der Ohren kann man – auch während eines Spaziergangs in einem Stadtpark – etwas von seiner Naturfremdheit ablegen. Mithilfe der Ohren fühlt man sich selbst noch mehr als das, was man ist: Teil einer großen irdischen Lebensgesellschaft.

Vom Glück einen Vogel am Gesang zu erkennen

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