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DIE HECKENBRAUNELLE
ОглавлениеHören Sie an dem schönen Wintertag noch einen anderen Sänger, der aber, wie Sie inzwischen wissen, weder ein Rotkehlchen noch ein Zaunkönig ist, da der Triller fehlt und der Gesang nicht laut genug ist? Ein Durcheinander an Tönen, hastig zusammengewürfelt, eine Art monotones Geplapper? Manchmal nur ein kurzes Fragment, manchmal ein paar Bruchstücke – oder Strophen, wenn man so will – nacheinander, dazwischen eine kurze Pause …
Dann handelt es sich um eine Heckenbraunelle. Wenig freundlich formuliert, könnte man sagen: ein fader kleiner Vogel mit fadem Gesang. Letzterer ertönt aus Hecken und Sträuchern. Heckenbraunellen bevorzugen zwar nicht das kniehohe Leben wie Zaunkönige, werden aber dennoch vornehmlich unterhalb der Kopfhöhe angetroffen. Sie scheuen jegliche Form von Prunk, man kann sie aber, wenn man will, als Vögel des eleganten Understatements betrachten. Ihr Gefieder ist eine zurückhaltende Mischung aus Schwarz-, Grau- und Brauntönen – wie ihr Gesang.
Männchen haben ein Repertoire von acht verschiedenen Liedern, also durchaus eine Herausforderung für das Ohr. Der Gesang ist fröhlich, ja sogar übermütig. Es gibt Momente im zeitigen Frühjahr, in denen die Heckenbraunelle der einzige Sänger ist, dessen Stimme voll ausgebildet ist – und sie als Solist nur so frohlockt, bis die Kakophonie tagtäglich weiter anwächst und sie sich mit einer Position in den hinteren Chorreihen begnügen muss.
Fairerweise darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Heckenbraunelle in einer Hinsicht durchaus auffällig ist, auch wenn man das aufgrund ihres faden Erscheinungsbildes nicht erwarten würde. Wie das manchmal so ist mit einem stillen Wasser, hat die Heckenbraunelle ein ausgeprägtes Sexualleben: Untreue und Betrug sind typisch für sie. Außer Singen und Paaren betreiben Männchen auch das sogenannte Kloakenpicken, bei dem sie versuchen, das Sperma von Rivalen aus der Kloake des Weibchens zu entfernen. Die Hecken unserer Städte und Dörfer sind ein Ort der Wollust. Deshalb der ganze Gesang.