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DIE KOHLMEISE

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Was ist das erste Frühlingslied? Wer ist der erste Sänger im neuen Jahr? Eine schwere Frage, denn die Natur kennt keine festgelegten Gesetze, die den menschlichen Wissensdrang diesbezüglich zufriedenstellen würden. Am Frühlingsanfang singen bereits mehrere Vögel wie etwa das Rotkehlchen, die Heckenbraunelle und der Zaunkönig. Außerdem haben zahlreiche Rufe die Funktion, Reviere abzustecken. Ich habe schon mal am 20. Dezember eine Heidelerche ihr Lied singen hören, so vollständig, als wäre es bereits April. Zu den spektakulärsten Frühsängern zählt die Misteldrossel, die dazu neigt, bereits im Januar ihr herrliches, wildes Lied zu Gehör zu bringen – aber die sparen wir uns für später auf. Zunächst einmal ein Blick auf die Grundregeln des Frühlings.

Fangen wir mit der Kohlmeise an. Irgendwann im zeitigen Frühling kommt der Moment, an dem man zum ersten Mal einen schrillen, lungenzerreißenden, zweisilbigen Ruf hört, beim dem die Betonung auf der ersten Silbe liegt. Wie eine quietschende Pumpe, mit starkem Druck bei der Abwärtsbewegung und wenig Druck bei der Aufwärtsbewegung.

Einmal im Gang scheint das Lied ohne Unterbrechungen anzudauern, so als zählte die Kohlmeise es zu ihren Aufgaben, die anderen Vögel zu wecken und aufzufordern, auch zu singen. Das ist der erste Pfeil, der auf das Herz des Winters abgefeuert wird. Sobald der Winter diese Zweitaktnote hört, weiß er, dass es bald vorbei sein wird. Auch wenn er sich noch so sehr anstrengt, sich zu behaupten, das Lied der Kohlmeise besagt, dass das Spiel in seine Endphase tritt – und die Sänger als Sieger vom Platz gehen werden.

Die Kohlmeise ist eine echte Plappertante. Ihre Stimmenvielfalt ist wie ihr Repertoire an Rufen erstaunlich groß. Ein lautes „Tsida“ ist vermutlich ihr auffälligster Laut, aber genau das macht den Reiz aus. Wer gerade anfängt, auf Vogelstimmen zu lauschen, wird Vögel bereits anhand ihrer kurzen Rufe bemerken, sie allein am Ton und Kontext erkennen. Wie ein Golfer, der erst nach etlichen Fehlschlägen ein Gefühl für den richtigen Abschlag entwickelt, so entwickelt ein Vogellauscher mit der Zeit ein Ohr für die Stimmen um ihn herum. Das könnte doch eine Kohlmeise sein?, denken Sie vielleicht. Und ja, das ist sehr wahrscheinlich. Spätestens, wenn sie auch noch ein „Tsida“ oder das zweisilbige Lied anstimmt oder, noch besser, sich zeigt, wissen Sie, dass Sie recht haben und Ihr Repertoire um eine weitere Vogelart ergänzt haben.

An dieser Stelle möchte ich mit einer weiteren Aussage von Bill Oddie über die Kohlmeise, die für ihre Tonvielfalt berühmt ist, abschließen: „Noch ein kleiner Hinweis aus meinem reichen Erfahrungsschatz: Hören Sie einen Ruf, den Sie nicht kennen, dann ist es eine Kohlmeise.“

Vom Glück einen Vogel am Gesang zu erkennen

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