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4. Schutzzwecke der Vorschrift

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Die Schutzzweckzusammenhänge des § 299 StGB sind seit jeher umstritten und seit der Regelung eines sog. Geschäftsherrenmodells (siehe Rn. 3) endgültig unübersichtlich geworden.[25] Nach wohl überwiegender und zutreffender Ansicht liegt § 299 StGB in seiner aktuellen Fassung kein einheitlicher Schutzzweck zugrunde („Hybridtatbestand“). Vielmehr ist zwischen der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1) und der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2) zu unterscheiden. Bedeutsam sind diese mehrdimensionalen Schutzzweckzusammenhänge nicht nur für die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale, sondern auch für die Bestimmung der Verletzteneigenschaft bezüglich der Anwendbarkeit auf Auslandssachverhalte (§ 7 Abs. 1 StGB)[26] und des Strafantragsrechts (§ 301 Abs. 2 StGB) sowie für das zivile Deliktsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB).[27]

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Schutzzweck der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1) ist das Allgemeininteresse an einem fairen Wettbewerb. Ein „idealtypischer Normalfall“ ist der angestellte Einkaufschef eines Unternehmens, der gegen Zuwendung eines Vorteils durch einen Anbieter diesen bei der Auftragsvergabe bevorzugt. Derartige unlautere Einflussnahmen, die geeignet sind, von sachfremden Motiven getragene Marktentscheidungen zu begünstigen, sollen verhindert werden.[28] Die Chancengleichheit und die Vermögensinteressen von Mitbewerbern sollen nach überwiegender Ansicht auf gleicher Ebene geschützt sein.[29] Ob daneben auch die Vermögensinteressen des Unternehmens als Geschäftsherrn als weiterer Schutzzweck erfasst sind, ist streitig, wird aber von einer wohl überwiegenden Ansicht ebenfalls bejaht.[30]

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Ein Wettbewerbsbezug lässt sich in der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2) nur mittelbar herstellen. Dieser ergibt sich daraus, dass Tathandlungen im geschäftlichen Verkehr und im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren und Dienstleistungen vorausgesetzt werden.[31] Primär wird durch die Geschäftsherrenvariante jedoch das Unternehmen vor Vermögenseinbußen geschützt, die ihm durch unlautere Geschäftspraktiken[32] und eine allgemein illoyale Geschäftsbesorgung seiner Angestellten und Beauftragten drohen.[33] § 299 StGB ist nach h.M. etwa dann erfüllt, wenn ein Angestellter absprachewidrig und gegen die Gewährung eines Vorteils dem Vertragspartner seines Unternehmens höherwertige Güter als vereinbart zuwendet. Mit dem Schutz wirtschaftlicher Individualinteressen des Unternehmens entwickelt § 299 StGB unübersehbar eine Verwandtschaftsbeziehung zur Untreue (§ 266 StGB), was einige dogmatische Verspannungen auslöst.[34] Denn durch die Geschäftsherrenvariante wird erstens der durch den Untreuetatbestand gewährte Strafrechtsschutz in das – nach § 266 StGB generell straflose – Vorfeld der Vermögensverletzung ausgeweitet; faktisch wird sogar die versuchte Anstiftung zur Untreue unter Strafe gestellt, nämlich dann, wenn einem Angestellten vergeblich ein Vorteil angeboten wird, damit dieser Pflichten gegenüber seinem Unternehmen verletze. Zweitens ist die Strafbarkeit nach § 299 StGB, anders als die nach § 266 StGB, nicht von der Verletzung einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht abhängig.[35] Teilweise wird vor diesem Hintergrund und angesichts des Regelungsorts im sechsundzwanzigsten Abschnitt („Straftaten gegen den Wettbewerb“) betont, auch die Geschäftsherrenvariante müsse (primär) dem Wettbewerbsschutz dienen; eine an diesem Schutzzweck orientierte Auslegung gebiete es, die Pflichtverletzung i.S.d. § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB eng und rein wettbewerbsbezogen zu verstehen.[36] Diese Ansicht mag zwar systematische Verspannungen zur Untreue lösen, allerdings legen weder der Wortlaut noch die Entstehungshintergründe der Vorschrift ein derartiges Verständnis nahe.[37] Auch eine Gesamtschau aus der tatbestandsausschließenden Einwilligung des Unternehmens als Geschäftsherrn (siehe dazu aber auch Rn. 47) und dessen alleiniger Strafantragsbefugnis (§ 302 Abs. 2 StGB) sprechen für einen Individualrechtschutz in der Geschäftsherrenvariante.[38]

Antikorruptions-Compliance

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