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c) Tathandlung: Fordern, Versprechen-Lassen oder Annehmen eines (Dritt-)Vorteils

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Der Täter muss für sich oder für einen Dritten einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Keine dieser Tathandlungen bedarf einer bestimmten Form.[71]

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Das Fordern ist das einseitige Verlangen eines Vorteils.[72] Es handelt sich um die einzige Handlungsmodalität, die keine Übereinstimmung von Nehmer- und Geberseite voraussetzt; es genügt also einseitiges Handeln des potentiellen Vorteilsnehmers, solange der potentielle Vorteilsgeber von der Forderung wenigstens Kenntnis erlangt.[73] Ob das Ansinnen vom potentiellen Vorteilsgeber in seinem Sinngehalt als korruptive Forderung erkannt oder das Begehren sofort zurückgewiesen wird, ist für die Tatbestandsverwirklichung unerheblich. Auch untaugliche Anbahnungsbemühungen oder sofort abgelehnte Avancen führen damit in die Vollendungsstrafbarkeit und schließen einen strafbefreienden Rücktritt (§ 24 StGB) aus.[74]

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Sich-versprechen-Lassen ist die Annahme des Angebots einer Unrechtsvereinbarung (siehe dazu Rn. 27 ff.). Ob das Versprechen zukünftiger Vorteile eingelöst wird, ist nicht von Belang.[75] Annehmen ist schließlich die tatsächliche Entgegennahme des Vorteils mit dem nach außen bekundeten Willen, über den Vorteil zu eigenen Zwecken oder zugunsten eines Dritten zu verfügen.[76] Anders als das Fordern, setzen die beiden letzten Handlungsalternativen also eine Übereinkunft von Geber und Nehmer voraus.

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Der Vorteilsbegriff entspricht dem der §§ 331 ff. StGB (vgl. daher auch 1. Kap. Rn. 45 ff.).[77] Er ist weit zu verstehen. Vorteil ist jede Leistung materieller oder immaterieller Art, die den Empfänger in wirtschaftlicher, rechtlicher oder persönlicher Hinsicht objektiv besserstellt und auf die dieser keinen Rechtsanspruch hat.[78] Typische Vorteile können neben Geldzahlungen oder Rabattgewährungen beispielsweise auch Einladungen zu Urlaubsreisen oder die Vermittlung von Nebentätigkeiten sein.[79] Auch bereits ein Vertragsschluss kann ein Vorteil sein[80] – und zwar selbst dann, wenn der Vorteil nur das angemessene Entgelt der im Vertrag geschuldeten Leistungen ist (sog. „Saldierungsverbot“).[81]

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Sozialadäquate Zuwendungen sollen die Voraussetzungen einer Strafbarkeit nicht erfüllen.[82] Dies lässt sich mit einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes begründen; in der Wettbewerbsvariante kann das Erfordernis fehlender Sozialadäquanz auch in die erforderliche Unlauterkeit hineingelesen werden (siehe Rn. 34). Die Tatbestandsbeschränkung dürfte bei § 299 StGB jedoch eine eher untergeordnete Rolle spielen, weil sozialadäquate Zuwendungen wie Werbegeschenke oder Einladungen zu einem Geschäftsessen in der Praxis kaum als Gegenleistung für eine konkrete Bevorzugung oder Pflichtverletzung gefordert, versprochen oder angenommen werden dürften.[83] Davon einmal abgesehen, ist ein Vorteil sozialadäquat, wenn er so gering ausfällt, dass eine Wettbewerbsgefährdung oder ein drohender Loyalitätskonflikt gegenüber dem Geschäftsherrn sicher ausgeschlossen werden kann.[84] Wo diese Grenze der Sozialadäquanz im Einzelfall verläuft, ist unklar. Mehr oder minder Einigkeit besteht insoweit, dass diese aufgrund der Gepflogenheiten in der Wirtschaft weiter zu stecken ist als bei der Amtsträgerkorruption.[85] Soweit in diesem Zusammenhang fixe Wertgrenzen gesetzt werden, stehen diese unter dem Verdacht der Beliebigkeit und Änderbarkeit. Sie versagen erst recht bei immateriellen Vorteilen. Es bedarf daher für die Bestimmung der Sozialadäquanz einer objektiv-konkreten Abwägung, die das Einkommen und die Stellung des Angestellten oder Beauftragten ebenso berücksichtigt wie dessen Verhältnis zum potentiellen Vorteilsgeber sowie die Höhe, den Anlass, die Streubreite und die sonstigen Begleitumstände der möglichen Vorteilsgewährung.[86] Dabei führt allein die Branchenüblichkeit einer Vorteilsgewährung nicht automatisch zur Sozialadäquanz.[87] Entsprechendes gilt für Taten mit Auslandsbezug. Hier geben nicht örtliche Üblichkeiten und Geschäftssitten das Maß,[88] sondern es ist im Zweifelsfall auf international anerkannte Standards abzustellen.[89] Zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit bei Auslandsbezug in der Geschäftsherrenvariante siehe Rn. 41.

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Erfasst sind – ebenfalls weitgehend im Gleichlauf mit §§ 331 ff. StGB[90] – auch Drittvorteile. Dritter kann jede natürliche oder juristische Person sein. Unklar ist, ob auch das Anstellungs- oder Beauftragungsunternehmen selbst Dritter sein kann. Eine herrschende Auffassung zu dieser Frage ist nur schwer auszumachen.[91] Festzuhalten ist: Der Wortlaut der Vorschrift steht zwar der Einbeziehung des Unternehmens in den Kreis tauglicher Dritter nicht entgegen. Systematik und Telos widerstreiten diesem Ergebnis jedoch. Denn der Unternehmensinhaber als Geschäftsherr ist gerade kein tauglicher Täter und könnte sich daher Vorteile straflos verschaffen. Weshalb die – übliche und sozialadäquate – Einschaltung Dritter an diesem Ergebnis etwas ändern sollte, ist nicht gut begründbar, zumal es gerade zu den Aufgaben und Pflichten der eingesetzten Angestellten oder Beauftragten gehört, Vorteile für ihr Unternehmen auszuhandeln.[92] Diese Ansicht führt jedoch zu Abgrenzungsproblemen: Zweifelhaft soll es erstens sein, welche Rolle vom Unternehmen für besonders vorteilhafte Geschäftsabschlüsse bezahlte Provisionen spielen und unter welchen Umständen im Einzelfall die angekündigte anteilige „Durchreichung“ eines Unternehmensvorteils zu einem strafrechtlich bedeutsamen Eigenvorteil des Angestellten oder Beauftragten wird.[93] Richtigerweise droht hier keine Strafbarkeit; denn es gilt der Grundsatz, dass Unternehmen einen legitim eingestrichenen Vorteil weiterreichen können, ohne dadurch den Anwendungsbereich des § 299 StGB zu berühren (siehe dazu auch Rn. 42 ff.). Schwerer zu beantworten ist allerdings zweitens, ob ein Drittvorteil, der von dem Angestellten oder Beauftragen einer Konzerngesellschaft zugunsten der Mutter- oder einer Schwestergesellschaft ausgehandelt worden ist, tatbestandsmäßig sein kann (Kopplungsgeschäft).[94] Im Ergebnis darf hier nicht der gesellschaftsrechtliche Trennungsgrundsatz Oberhand gewinnen, sondern es sind faktisch-wirtschaftliche Maßstäbe anzulegen.[95] Mithin müssen bei einer Konzernierung jedenfalls solche Drittvorteile für eine andere Konzerngesellschaft aus dem Tatbestand ausgenommen werden, die mit Einwilligung der anstellenden oder beauftragenden Gesellschaft ausgehandelt worden sind.[96]

Antikorruptions-Compliance

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