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aa) Gegenstand der Unrechtsvereinbarung in der Wettbewerbsvariante

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Bevorzugung im Sinne der Wettbewerbsvariante ist jede anvisierte Besserstellung des Täters oder eines von ihm begünstigten Dritten, auf die jener oder der Dritte keinen Anspruch hat.[111] Erfasst ist beispielsweise die „geschmierte“ Vergabe von Bauleistungen, die „erkaufte“ Abwendung der anstehenden Kündigung eines Liefervertrags, die „bezahlte“ Nichtbeanstandung mangelhafter Waren oder die im Verhältnis zu Konkurrenten bevorzugte Vertragserfüllung.[112]

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Allerdings ist eine Bevorzugung nicht in jedem Fall tatbestandsmäßig. Vielmehr muss diese im Angesicht der verfolgten Schutzzwecke einen hinreichenden Wettbewerbsbezug aufweisen. Dies setzt zweierlei voraus: erstens eine Wettbewerbssituation und zweitens eine durch die Bevorzugung drohende Benachteiligung eines Konkurrenten (Gewährung von Vorteilen im Wettbewerb und auf Kosten von Mitbewerbern).[113] Nicht erforderlich ist, dass sich Konkurrenten im konkreten Einzelfall um den Absatz ihrer Waren oder Leistungen tatsächlich bemüht haben oder diese gar objektiv geschädigt worden sind.[114] Allerdings wird eine Situation vorausgesetzt, in der wenigstens potentiell eine Entscheidung unter mehreren Konkurrenten getroffen werden könnte. An einem solchen wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis und damit an einem hinreichenden Wettbewerbsbezug fehlt es, wenn ein Unternehmen eine (faktische) Monopolstellung hat.[115] Bei Kreditvergabeentscheidungen durch Banken kann der Wettbewerbsbezug zweifelhaft sein, wenn trotz einer Bestechung – etwa mit dem Ziel, auf eine Bonitätsprüfung zu verzichten – alle Wettbewerber mit einem Kredit bedient werden.[116] Freilich kann hier eine Strafbarkeit in der Geschäftsherrenvariante gegenüber der Bank in Betracht kommen.

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Mit der Unrechtsvereinbarung muss eine Bevorzugung in unlauterer Weise anvisiert werden. Über die Auslegung dieses mehr oder minder unbestimmten Tatbestandsmerkmals herrscht Uneinigkeit. Teilweise wird auf eine (positive) Akzessorietät zum Wettbewerbsrecht abgestellt, was aber den Besonderheiten des § 299 StGB ebenso wenig Rechnung trägt wie eine schlichte Übertragung der Grundsätze zu § 138 BGB.[117] Soweit dem Tatbestandsmerkmal überhaupt eine wesentliche Funktion beizumessen ist (vgl. Rn. 35), ist es strafrechtlich und schutzzweckorientiert zu bestimmen. Unlauter ist eine Bevorzugung daher im Ausgangspunkt immer dann, wenn der Wettbewerb durch die abstrakte Gefahr sachwidriger unternehmerischer Entscheidungen gestört zu werden droht.[118] Die abstrakte Gefahr einer sachwidrigen unternehmerischen Entscheidung besteht, wenn durch eine bestimmte Verhaltensweise der freie Wettbewerb ausgehebelt und infolgedessen eine Entscheidung nicht länger von solchen Faktoren gesteuert zu werden droht, die von Marktmechanismen vorgegeben werden.[119] Eine solche Gefahr besteht nicht, wenn das Unternehmen selbst der wirtschaftliche Vorteilsempfänger ist. Sofern eine Strafbarkeit hier nicht schon am Fehlen eines tatbestandsmäßigen Vorteils scheitert (siehe Rn. 26), scheidet diese jedenfalls wegen fehlender Unlauterkeit aus – und zwar richtigerweise auch dann, wenn das Unternehmen einen Vorteil an seine Angestellten oder Beauftragten weiterreicht oder eine direkte Zuwendung an diese billigt (siehe dazu auch Rn. 47). Die Einheit der Rechtsordnung gebietet es ferner, solche Verhaltensweisen nicht als unlauter anzusehen und von einer Strafbarkeit auszunehmen, die im Einklang mit außerstrafrechtlichen Vorgaben – naturgemäß vor allem solchen des Wettbewerbsrechts – stehen (negative Akzessorietät).[120] Naheliegend ist es auch, in der Wettbewerbsvariante die Strafbarkeit bei sozialadäquaten Vorteilen über das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit und nicht durch eine „freischwebende“ teleologische Reduktion auszuscheiden (vgl. Rn. 25). Schließlich wird diskutiert, ob Handlungen, die sich in den Grenzen freiwilliger Selbstregularien einzelner Branchen bewegen, stets lauter sind und den Tatbestand ausschließen.[121] Dem ist nur insoweit zuzustimmen, wie Selbstregularien im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben stehen oder eine Leitlinie für die soziale Adäquanz vorzeichnen.

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Abgesehen davon dürfte dem Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit keine wesentliche Tatbestandsbegrenzung abzutrotzen sein.[122] Denn Bestechungshandlungen, die die übrigen Voraussetzungen des § 299 erfüllen, verstoßen regelmäßig gegen grundlegende Anforderungen des Wettbewerbs und sind selbst unter einem engen strafrechtlichen Begriffsverständnis unlauter. Zumindest kann eine Wettbewerbsgefährdung nicht sicher ausgeschlossen werden, was für eine Strafbarkeit bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wie § 299 StGB (s. Rn. 6) ausreicht.[123] Es kann deswegen auch dahinstehen, ob in Fällen einer objektiv-sachlichen Richtigkeit der Entscheidung die Unlauterkeit gleichsam nachträglich entfällt.[124] Abgesehen von besonders einfach gelagerten und praktisch eher unwahrscheinlichen Fällen – z.B. bei qualitativ gänzlich unterschiedslosen Massenprodukten und völlig austauschbaren Anbietern – wird sich nämlich kaum je einmal mit Sicherheit sagen lassen, welche Entscheidung ex ante objektiv die einzig „lautere“ war, weil sie allein von Wettbewerbsmechanismen getragen ist. Ohne Belang für die Frage der Lauterkeit muss es auch bleiben, ob in einzelnen Branchen oder Regionen bestimmte Einwirkungen auf den Wettbewerb üblich[125] oder für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit de facto unerlässlich sind.[126]

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Der ausländische Wettbewerb ist unterschiedslos in den Tatbestand der Wettbewerbsvariante einbezogen. Zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei Auslandsbezug siehe auch Rn. 12.

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