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3. Praxisrelevante Strafbarkeitsrisiken und problematische Fallkonstellationen

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Die Rechtspraxis ist bei § 299 StGB von erheblichen Unsicherheiten geprägt. Diese resultieren unter anderem daraus, dass die Rechtsprechung – zumal die höchstrichterliche – kaum mit der Vorschrift befasst ist (zu den Fallzahlen siehe Rn. 1 f.). Die rechtliche Einschätzung ist insbesondere in folgenden Konstellationen zweifelhaft:

In Konzernzusammenhängen können Kopplungsverträge ein Strafbarkeitsrisiko darstellen.[161] Wird beispielsweise ein Geschäftsabschluss davon abhängig gemacht, dass auch mit der Mutter- oder Tochtergesellschaft ein Vertrag geschlossen oder dieser eine sonstige Zuwendung gemacht wird (etwa Sponsoring einer unternehmenseigenen Sportmannschaft), kann dies den Tatbestand der Wettbewerbsvariante erfüllen. Zweifelhaft ist hier jedoch schon, ob Konzerngesellschaften überhaupt taugliche Dritte sind (vgl. Rn. 26).
Gerade in längerfristigen und fortlaufenden Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen sind wechselseitige Gefälligkeiten und Aufmerksamkeiten üblich. Hier kann es mit Blick auf die Unrechtsvereinbarung (siehe dazu Rn. 28) im Einzelfall schwer zu sagen sein, ob es sich bei einer Vorteilsgewährung um eine straflose „Klimapflege“ bzw. nachträgliche Honorierung handelt oder ob bereits ein ausreichender Bezug zu einem künftigen Geschäftsabschluss herzustellen ist. Insofern bergen bei diesen Geschäftsbeziehungen Zuwendungen an Angestellte oder Beauftragte ein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko. Vorteile sollten sich daher stets in einem sozialadäquaten Bereich halten.
Eine vieldiskutierte Problematik ist der „Kick-Back“ aus Kundenbindungs- und Bonusprogrammen etwa von Fluggesellschaften („Miles & More“), der Bahn („BahnBonus“) aber auch branchenübergreifender Art („PAYBACK“), deren strafrechtliche Relevanz im Schrifttum kontrovers eingeschätzt wird. Eine Strafbarkeit lässt sich mit unterschiedlichen Begründungsansätzen in Zweifel ziehen. Zunächst einmal ist bei (faktischen) Monopolisten eine Vorteilsgewährung im Rahmen der Wettbewerbsvariante unschädlich (siehe Rn. 33). Zum faktischen Monopolisten kann beispielsweise die Bahn auf bestimmten Strecken (Regionalverkehr) oder auch dann werden, wenn unternehmensinterne Reiserichtlinien deren Nutzung vorschreiben. Ob hingegen wegen Geringfügigkeit der über diese Programme erhaltenen Leistung eine nur sozialadäquate und daher nicht tatbestandsmäßige Vorteilsgewährung angenommen werden kann (siehe dazu Rn. 25), scheint fraglich, weil sich über die Zeit die gewährten Vorteile aufsummieren können. Die Überlegung, Kundenbindungsprogramme honorierten nur bereits getroffene Entscheidungen und seien deswegen von Vornherein nicht tatbestandsmäßig,[162] verfängt ebenso wenig. Denn der gewährte Vorteil wird bereits mit der Anmeldung am Kundenbindungs- und Bonusprogramm versprochen, also vor dem Waren- oder Dienstleistungsbezug; dass versprochene Vergünstigungen erst nachträglich gutgeschrieben werden, ändert nichts an deren Tatbestandsmäßigkeit. Wenig überzeugend ist auch die Annahme, dass Kundenbindungs- und Bonusprogramme wegen ihrer Allgegenwärtigkeit prinzipiell nicht geeignet seien, sachfremde Wettbewerbsentscheidungen zu provozieren und deswegen keine Gefahr für den Wettbewerb darstellten. Denn höchstmögliche Vorteile lassen sich in Kundenbindungs- und Bonusprogrammen nur bei „treuer“ und das heißt möglichst ausschließlicher Nutzung eines bestimmten Anbieters erzielen. Der Grundmechanismus dieser Programme und ihr Honorierungskonzept sind darauf ausgelegt, Kunden frühzeitig auf einen bestimmten Anbieter festzulegen und ein „paralleles Sammeln“ von Vergünstigungen in verschiedenen Bonusprogrammen unattraktiv zu machen. Am ehesten scheidet eine Strafbarkeit deswegen aus, wenn man der Einwilligung des Unternehmens sowohl in der Geschäftsherren- als auch in der Wettbewerbsvariante eine tatbestandsausschließende Wirkung beimisst (siehe dazu Rn. 42 ff.). Dann entfällt die Strafbarkeit, wenn Unternehmensrichtlinien die private Gutschrift von „Meilen“ oder sonstigen Bonuspunkten gestatten (vgl. dazu auch Rn. 83). Anbieter von Kundenbindungs- und Bonusprogrammen können in der Regel davon ausgehen, dass entsprechende unternehmensinterne Regelungen bestehen (vgl. dazu auch Rn. 58).
Bei der Gewährung von Vergünstigungen im Rahmen sonstiger Incentive-Programme an Angestellte eines Unternehmens stellt sich ein ähnlich gelagertes Problem. Gewährt etwa ein Anbieter den Angestellten Vorteile dafür, dass sie seine Waren und Dienstleistungen (bevorzugt) an Kunden ihres Unternehmens weitervermitteln,[163] erfüllt dies regelmäßig den Tatbestand der Wettbewerbsvariante. Es stellt sich dann auch hier die umstrittene Frage, ob eine Strafbarkeit bei Vorliegen einer wirksamen Einwilligung durch das anstellende Unternehmen ausscheidet (siehe Rn. 47).[164]
Bei der Einschaltung von Vermittlungsagenturen kann es zweifelhaft sein, ob diese selbst Unternehmen und damit Geschäftsherr sind oder wertungsmäßig zum Beauftragten eines Unternehmens werden.[165] Käme mit der Einschaltung einer Vermittlungsagentur zugleich ein Beauftragungsverhältnis i.S.d. § 299 StGB zustande, könnten beispielsweise Provisionszahlungen der anderen Vermittlungspartei tatbestandsmäßig sein. Ob eine Beauftragung vorliegt, lässt sich nur für den Einzelfall beurteilen und dürfte insbesondere von der Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen abhängen. Ist eine Vermittlungsagentur stark an die Interessen einer der Vermittlungsparteien gebunden und steht in deren Lager, was sich beispielsweise aus ergänzenden Beratungsdienstleistungen ergeben kann, deutet dies auf eine Beauftragung i.S.d. § 299 StGB hin. Anderes gilt, wenn die Vermittlungsagentur ihre Unabhängigkeit wahrt und bei wertender Gesamtbetrachtung nicht zum Interessenwalter einer der beteiligten Vermittlungsparteien wird. Bei „nackten“ Vermittlungstätigkeiten und gleich starker Bindung an beide Parteien spricht daher viel für eine Eigenständigkeit.
Neuerdings wird im Zusammenhang mit Lieferverträgen zwischen Unternehmen die Strafbarkeit sog. „Quick Savings“ („Pay-to-Play“, „Eintrittsgelder“, „Listungsgebühren“) diskutiert.[166] Im Kern geht es darum, dass Angestellte oder Beauftragte in Vertragsverhandlungen mit potentiellen Lieferanten Sonderleistungen zugunsten ihres Unternehmens oder gegebenenfalls einer anderen Konzerngesellschaft einfordern, die vom eigentlichen Warenbezug unabhängig sind. So kann beispielsweise der Vertragsabschluss davon abhängig gemacht werden, dass eine Einmalzahlung an das Unternehmen geleistet wird; zu Kopplungsgeschäften siehe Rn. 26. Die Straflosigkeit von „Quick Savings“ lässt sich auf unterschiedlichen Wegen begründen;[167] am überzeugendsten ist es, einen tatbestandsmäßigen Drittvorteil bei Vorteilsgewährungen an das Unternehmen abzulehnen.
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