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bb) Gegenstand der Unrechtsvereinbarung in der Geschäftsherrenvariante

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In der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2) muss die Unrechtsvereinbarung darauf abzielen, dass ein Angestellter oder Beauftragter seine Loyalitäts- und Treuepflichten gegenüber seinem Unternehmen verletzt. Diese Pflichten können sich unmittelbar aus Gesetz, einem öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt oder einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis samt Direktionsrecht ergeben. Anknüpfungspunkte können insbesondere arbeitsrechtlich verbindlich gemachte Compliance-Vorschriften sein.[127] In Entsprechung zur Wettbewerbsvariante muss die Pflichtverletzung nur angestrebt werden und nicht tatsächlich eintreten (vgl. Rn. 34).[128]

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Es genügt dabei grundsätzlich die Verletzung jedweder Pflicht gegenüber dem Unternehmen, auch die Verletzung bloß untergeordneter Nebenpflichten.[129] Im Unterschied zur Untreue gem. § 266 StGB setzt die Geschäftsherrenvariante des § 299 StGB nicht die Verletzung einer qualifizierten, gravierenden (Vermögensbetreuungs-)Pflicht voraus.[130] Systematisch und mit Blick auf die Unrechtskonstruktion des § 299 StGB ist dies durchaus stimmig. Denn während die Untreue keine besonderen Anforderungen zur Art und Weise der Vermögenspflichtverletzung formuliert, ist das Unrecht der Geschäftsherrenvariante an dieser Stelle weitaus voraussetzungsreicher: Es besteht darin, dass sich ein Angestellter oder Beauftragter die Loyalität zu seinem Geschäftsherrn, die auch und gerade in der Befolgung von Nebenpflichten ihren Ausdruck finden kann, „abkaufen“ lässt.[131]

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Teilweise wird dennoch einschränkend gefordert, das Merkmal der Pflichtverletzung sei wettbewerbsbezogen auszulegen.[132] Strafbar sei nach Systematik und Zweck der Vorschrift allein der Verstoß gegen unternehmensintern aufgestellte Compliance-Pflichten, die ausschließlich oder jedenfalls primär dem Ziel dienten, Wettbewerbsverstöße zu vermeiden.[133] Dieses Verständnis mag im Hinblick auf Verwerfungen zu § 266 StGB dogmatisch und rechtspolitisch wünschenswert sein, liegt aber angesichts der europäischen Vorgaben[134] sowie der Entstehungsgeschichte und der Systematik der Vorschrift nicht nahe (siehe dazu bereits Rn. 11) und dürfte sich bislang auch in der Rechts- und Compliance-Praxis eher nicht durchgesetzt haben. Folgte man dieser Auffassung, stellte sich zudem das schwierige Abgrenzungsproblem, welche Legalitäts- und Legalitätskontrollpflichten in einem Unternehmen ausschließlich oder primär wettbewerbsbezogen sind. In Zeiten holistischer Compliance-Management-Systeme dürfte sich dies kaum noch klar beantworten lassen.

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Soweit teilweise einschränkend vertreten wird, dass die angestrebte Pflichtverletzung in einer wesentlichen Beziehung zum Unternehmenszweck stehen sowie für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und dessen Loyalitätserwartungen an seine Angestellten und Mitarbeiter nicht völlig belanglos sein dürfe,[135] ist dem im Ergebnis zuzustimmen. Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings nicht bereits aus einer objektiv fehlenden oder schwach ausgeprägten Beziehung zum Unternehmenszweck oder daraus, dass objektiv bagatellhafte Pflichtverletzungen im Wirtschaftsverkehr per se nicht strafwürdig sind. Denn ob eine Pflicht in einer wesentlichen Beziehung zum Unternehmenszweck steht, ist richtigerweise aus der Sicht des jeweiligen Unternehmens, also subjektiv zu bestimmen. Dieses darf innerhalb gesetzlicher Grenzen festlegen, wie es sich eine loyale Aufgabenerfüllung durch seine Angestellten und Beauftragten im Detail vorstellt und worauf es dabei besonderen Wert legt. Dazu können beispielsweise auch scheinbar belanglose Kleidungsvorschriften zählen,[136] wenn diese für das Unternehmen und seine „Corporate Identity“ eine zentrale Rolle spielen. Dieser subjektiv festzustellende Bezug zum Unternehmenszweck lässt sich nicht durch eine vermeintlich objektivierte Alternativbewertung von außen ersetzen. Interessengerecht und stimmig lässt sich die Vermeidung einer unerwünschten Strafbarkeit rein bagatellhafter Pflichtverletzungen vielmehr über die Einwilligung des Unternehmens erreichen (siehe Rn. 45).

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Bei Auslandssachverhalten ist für die Bestimmung der unternehmensinternen Pflichtwidrigkeit Fremdrecht maßgeblich, also das Recht des betroffenen Staates anzuwenden.[137] Zu den weiteren Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei Auslandsbezug siehe auch Rn. 12.

Antikorruptions-Compliance

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