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f) Tatbestandsausschluss bei Einwilligung

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In der Geschäftsherrenvariante schließt die Einwilligung des Unternehmens eine Strafbarkeit aus. Verlangt wird, dass die zuständigen Vertreter des Unternehmens sowohl den angestrebten Vorteil als auch die Verknüpfung dieses Vorteils mit der an sich pflichtwidrigen Handlung des Angestellten oder Beauftragten billigen.[138]

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Die Einwilligung wirkt nicht wie sonst üblich erst auf Rechtfertigungsebene, sondern lässt nach allgemeiner Auffassung bereits den Tatbestand entfallen.[139] Gleichwohl handelt es sich nicht um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis,[140] das nur rein faktisch vorzuliegen braucht. Für einen Tatbestandsausschluss gelten vielmehr erhöhte Anforderungen, nämlich diejenigen, die auch an eine rechtfertigende Einwilligung zu stellen sind. Deswegen muss die Einwilligung des § 299 StGB frei von Willensmängeln sein.[141] Sie entfaltet keine Wirkung, wenn sie durch eine aktive Täuschung oder die Unterdrückung relevanter Informationen erschlichen ist. Die Einwilligung muss zudem von einer Person im Unternehmen erklärt worden sein, die dafür innerhalb der Unternehmenshierarchie zuständig und befugt ist. Unerheblich ist hingegen, ob die Einwilligung ausdrücklich oder konkludent oder ob sie dem Vorteilsnehmer oder dem Vorteilsgeber gegenüber erklärt wird; zur Strafbarkeit bei Unkenntnis einer objektiv vorliegenden Einwilligung siehe Rn. 58.

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Das Verhältnis der Einwilligung zu den Pflichten des Angestellten oder Beauftragten ist nicht eindeutig. Denn die Billigung eines bestimmten Verhaltens durch das Unternehmen muss nicht zwangsläufig eine Einwilligung i.S.d. § 299 StGB sein, sondern kann auch die Pflichtenlage im Innenverhältnis (dauerhaft) abändern. Ist letzteres der Fall, fehlt es schon an einer Pflichtwidrigkeit.[142] Richtigerweise ist an dieser Stelle wie folgt zu unterscheiden: Wird eine bestimmte Verhaltensweise in generell-abstrakter Weise für die Zukunft gebilligt – zum Beispiel durch unternehmensinterne Regelungen zum Umgang mit Provisionen bei Geschäftsabschlüssen –, modifiziert dies schon die Pflichtenlage. Eine Einwilligung i.S.d. § 299 StGB liegt hingegen vor, wenn Unternehmensverantwortliche in einzelnen Ausnahmefällen ein Abweichen von allgemein (weiter-)geltenden Vorgaben des Unternehmens zugestehen. Die Unterscheidung von Pflichtenlage und Einwilligung ist weitgehend folgenlos, kann aber im Hinblick auf bestehende Irrtumsrisiken Bedeutung erlangen. Geht ein Angestellter oder Beauftragter irrig davon aus, dass sein Verhalten im Einklang mit ihm bekannten, aber allgemein gehaltenen Vorgaben steht, spricht manches dafür, ihm ein Fehlverständnis infolge eines Subsumtionsfehlers nicht anzulasten. Anderes dürfte in aller Regel angezeigt sein, wenn die Grenzen einer Einwilligung, die für einen konkreten Einzelfall erteilt worden ist, gerissen werden.

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Auch ohne eine ausdrücklich oder konkludent erklärte Einwilligung ist es zumindest bei kleineren und aus Unternehmenssicht unbedeutenden Pflichtverletzungen denkbar, in Anlehnung an die Figur der mutmaßlichen Einwilligung eine Strafbarkeit auszuschließen. Dies kann jedoch nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn erstens nur unwesentliche Unternehmensinteressen von der Pflichtverletzung berührt sind und zweitens die Einholung einer Einwilligung nicht gefordert werden kann, weil dies angesichts des Bagatellcharakters der Pflichtverletzung im üblichen Geschäftsbetrieb unverhältnismäßig wäre. Ob eine Pflichtverletzung durch eine mutmaßliche Einwilligung des Unternehmens gedeckt und damit eine Erklärung der Einwilligung entbehrlich ist, ist dabei aus der Sicht des Unternehmens zu bestimmen. Dessen Interessen und Vorgaben sind insoweit maßgeblich (vgl. Rn. 40). Compliance-Richtlinien in größeren Unternehmen werden einen „Freifahrtschein“ auch für kleinere Abweichungen häufig ausschließen („Zero Tolerance Policy“).

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Anders als in der Amtsträgerkorruption lässt eine unverzügliche nachträgliche Anzeige und Genehmigung (§ 331 Abs. 3 StGB und § 333 Abs. 3 StGB) durch das Unternehmen die Strafbarkeit nicht entfallen. Auch wenn eine analoge Anwendung der genannten Genehmigungsregelungen durchaus naheliegt und rechtspolitisch wünschenswert wäre, dürfte es an den Voraussetzungen dafür de lege lata fehlen. Eine planwidrige Regelungslücke lässt sich angesichts der Gesetzgebungsmaterialien nämlich kaum begründen.[143] Ein Genehmigungsvorbehalt ist daher – wenn überhaupt – nur über unternehmensinterne Pflichtpräzisierungen zu erreichen: So können unternehmensinterne Regularien vorsehen, dass ein „vollendeter“ Pflichtverstoß erst dann vorliegt, wenn eine nachträgliche Genehmigung versagt wird.[144] Ob dieser Hakenschlag die Strafbarkeit tatsächlich entfallen lässt, scheint jedoch einigermaßen zweifelhaft. In diesem Fall liefe der bewusste Verzicht auf eine strafbefreiende Genehmigung nämlich am Ende leer. Das geltende nur relative Strafantragserfordernis zeigt zudem, dass der Gesetzgeber die Strafverfolgung wenigstens nicht ausschließlich von einem nachträglich gefassten Willen des Unternehmens abhängig gemacht sehen möchte (siehe dazu Rn. 71 ff.).

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Teilweise wird gefordert, über den Wortlaut hinaus einer Einwilligung des Unternehmens auch in der Wettbewerbsvariante eine tatbestandsausschließende Wirkung beizumessen.[145] Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Denn anders als in der Geschäftsherrenvariante kann zwar der Unternehmensinhaber nicht über das primäre Schutzgut – den Wettbewerb – verfügen, weshalb die herrschende Meinung einen Tatbestandsausschluss nach wie vor ablehnt.[146] Der Tatbestand wäre jedoch richtigerweise auch dann nicht erfüllt, wenn sich das Unternehmen als Geschäftsherr einen Vorteil selbst versprechen ließe und diesen sodann – auch in voller Höhe – an Angestellte oder Beauftragte auskehrte (siehe dazu auch Rn. 26 und Rn. 34). An dieser Straffreiheit kann sich schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nichts ändern, wenn das Unternehmen erstens Angestellte oder Beauftragte einsetzt und zweitens die Vorteile nicht vom Unternehmen zunächst selbst vereinnahmt und dann ausgekehrt werden, sondern ein Dritter diese direkt und mit Einwilligung des Unternehmens den Angestellten oder Beauftragten zugewendet („entschleierte Schmiergelder“). Hat das Unternehmen daher Kenntnis von einer Vorteilsgewährung an seine Angestellten und Beauftragten und willigt in diese wirksam ein, folgt daraus, dass das Verhalten des Angestellten oder Beauftragten dem Unternehmen zuzurechnen ist, was jedenfalls wertungsmäßig zu einer straflosen Bestechung des Geschäftsherrn führen muss.[147] Diese Strafbarkeitseinschränkung ist mit dem Wortlaut der Wettbewerbsvariante vereinbar und lässt sich in das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit hineinlesen: Soweit das Unternehmen nicht selbst rechtswidrig handelte, droht keine Beeinträchtigung des Wettbewerbs, wenn dieses wirksam in Vorteilsgewährungen an Mitarbeiter oder Beauftragte eingewilligt. Eine Unlauterkeit ist dann schlicht nicht gegeben.[148]

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Geht der Täter irrig davon aus, dass das Unternehmen eine Einwilligung erklärt hat, liegt kein Erlaubnistatumstandsirrtum, sondern ein einfacher Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz (§ 16 Abs. 1 StGB) und mangels Fahrlässigkeitstatbestands überhaupt eine Strafbarkeit entfallen lässt (vgl. Rn. 49). Eine Teilnahmestrafbarkeit (§§ 26, 27 StGB) ist ebenfalls ausgeschlossen. Zum subjektiven Tatbestand siehe auch Rn. 49 ff.

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